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Einmalige Symbiose von Vergangenheit und Jetztzeit

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Das Museum Moderner Kunst – Stiftung Wörlen in Passau
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Herr Wörlen, Sie haben vor zehn Jahren das Museum Moderner Kunst – Stiftung Wörlen gegründet. Fachleute rieten Ihnen davon vehement ab. Was hat Sie dennoch dazu bewogen, in einer bayerischen Klein- und Grenzstadt das Unternehmen „private Museumsgründung“ zu wagen?

Das zehnjährige Bestehen des Museums Moderner Kunst – Stiftung Wörlen in Passau sowie der 85. Geburtstag des Gründers, Hanns Egon Wörlen, boten den Anlass für das folgende Gespräch. Die Fragen stellten Uta Spies und Margarete Sperl. nmz: Herr Wörlen, Sie haben vor zehn Jahren das Museum Moderner Kunst – Stiftung Wörlen gegründet. Fachleute rieten Ihnen davon vehement ab. Was hat Sie dennoch dazu bewogen, in einer bayerischen Klein- und Grenzstadt das Unternehmen „private Museumsgründung“ zu wagen? Hanns Egon Wörlen: Fachleute wie Vertreter der Politik hatten nicht geglaubt, dass ein Privatmann das Wagnis der Gründung eines Museums auf sich nehmen würde. Mein Vater, Georg Philipp Wörlen, war Maler und hatte seinen künstlerischen Standort im wesentlichen in Wien. Er war einziges deutsches Mitglied des Wiener „Hagenbundes“ und hatte viele Freunde aus der Szene der Literatur, Architektur, Musik und insbesondere natürlich der Bildenden Kunst.

Der legendäre Kunstkritiker und Kunstmanager Arthur Rössler hatte seine Arbeit sehr geschätzt, hatte viele Artikel über ihn geschrieben und war daran, ihn, nachdem er Egon Schiele entdeckt und gefördert hatte, ebenfalls überörtlich bekannt zu machen. Viele Kunstschaffende, die von Wien nach Berlin, Düsseldorf oder Köln kamen, machten daher in Passau halt, desgleichen deutsche Künstler, die nach Wien fuhren. Im Atelier meines Vaters war ich ständig als junger Mensch integriert und konnte die Diskussionen verfolgen und mich beteiligen. Das war Grundstein, mich mein Leben lang mit Kunst und Künstlern zu befassen und diese zu fördern. Selbst Künstler zu werden, davor warnte mein Vater, ich müsste dann besser werden als er. So wurde ich Architekt, der der Kunst verbunden war und sie fördern konnte.

Zum Standort Passau: Passau, an den drei Flüssen Donau, Inn und Ilz gelegen, ist eine kulturträchtige Stadt. Bereits Alexander Humboldt zählte sie zu den sieben schönsten Städten der Welt. Nach Ende des Krieges 1939/1945 hatte ich mir zum Ziel gesetzt zu helfen, die kulturellen Kräfte in Passau wieder zu wecken und zu stärken. Dazu kam die politische Aufwertung als Grenzstadt zu Österreich und Tschechien.

Das Vorhaben war nicht einfach, da von vielen Stellen die Notwendigkeit eines Museums, das sich der Gegenwartskunst verschreiben wird, bezweifelt wurde.

Wenn Sie, Museums-Gründer und Vorsitzender des Stiftungsvorstandes, auf das zehnjährige Bestehen zurückblicken, können Sie entscheidende wichtige Stationen oder auch Weichenstellungen benennen, die das Museum seit seiner Gründung zurückgelegt beziehungsweise erfahren hat. Wenn auch Dr. Otto Breicha, Direktor des Salzburger Rupertinums seinen Finger hob, hat er dem vorgesehenen Museumsleiter, meinem langjährigen Mitarbeiter in meinem Architekturbüro, und mir mit Rat und Tat beigestanden und wichtige Hinweise anlässlich des Ausbaus gegeben sowie durch Bereitstellung von Ausstellungen geholfen.

Sehr wichtig war die Bekanntschaft mit dem New Yorker Sammler und Kunstmanager Serge Sabarsky, der sich dem Museum freundschaftlich verbunden fühlte. Er hat dem Museum Ausstellungen aus amerikanischem Besitz der international bekannten Künstler Egon Schiele, Gustav Klimt, Lyonel Feininger, George Grosz, Emil Nolde und anderen zur Verfügung gestellt. Diese Ausstellungen halfen, das Haus international bekannt zu machen. Der Kunstmäzen Würth, Künzelsau, hat die Bemühung des Hauses durch Überlassung einer international auf Wanderschaft gestellten Ausstellung und seiner Sammlung Christo & Jean Claude unterstützt.

Der Tschechische Sammler Eisenreich ermöglichte nach der Wende die erste Ausstellung in Deutschland über Tschechischen Kubismus (Emil Filla und Zeitgenossen 1912 – 1935). Aus der Sammlung Schömer (jetzt Essl) bekamen wir eine Ausstellung „Österreichische zeitgenössische Kunst“. Durch meine langjährigen Beziehungen und Freundschaften konnten wir Ausstellungen über die Werke Olaf Gulbranssons, Franz von Stucks, Christian Schads bekommen.

Die von Anfang an gezeigten Werke Klassischer Moderner und überregional bekannter lebender Künstler hat Aufmerksamkeit in der Kunstwelt geweckt. Der Museumsleiter Gerwald Sonnberger konnte die Verbindungen über Sammlungen, Museen wie Ministerien herstellen, aufbauen und vertiefen. Die Qualität des Hauses wird anerkannt durch Aufnahme unserer Ausstellungstermine in den Ausstellungskalendern der Frankfurter Allgemeinen, der Süddeutschen Zeitung und der Zeitschrift ART.

Zu bemerken ist, dass das Haus in der Altstadt Passau, an der Donau gegenüber den Burgen Oberhaus und Niederhaus gelegen, aufgrund seiner behutsamen Restaurierung den „Deutschen Denkmalspreis“ erhalten hat. Die Symbiose Vergangenheit zur Jetztzeit ist einmalig.

Der Kunstverein Passau, den Sie 1949 mitbegründet haben und dessen Ehrenpräsident Sie heute sind, stellt vorrangig Künstlerinnen und Künstler aus der Region aus. Mit 1.240 Mitgliedern zählt er zu den größten Kunstvereinen in Deutschland. Das Museum Moderner Kunst hat sich dagegen der internationalen Kunst des 20. Jahrhunderts verschrieben. Es arbeitet mit Museen und Galerien in Europa und den USA zusammen und genießt international Ansehen. Wie beurteilen Sie aber die Akzeptanz des Museums in der einheimischen, der Passauer und (nieder-) bayerischen Bevölkerung? Den Kunstverein Passau konnte ich seit seiner Gründung 1949 begleiten durch Ausstellungsbesprechungen; ab 1963 als Ausstellungsleiter; 1984 als Vizepräsident, ab 1986 mit 1999 als Präsident. Der Verein konnte ab 1984 aufgrund besonderer Initiativen und Ausstellungen auf 1.240 Mitglieder gebracht werden. Er dürfte, gemessen an der Einwohnerzahl Passaus (50.000), einer der stärksten und aktivsten Kunstvereine Deutschlands sein.

Der Kunstverein ist keine Vereinigung von Künstlern. Er hat die Aufgabe, die Menschen an die Kultur, insbesondere aber auch an die bildende Kunst heranzuführen durch Auslandsreisen, regionale Reisen, Ausstellungen, Atelierbesuche und Vorträge. Eine sehr wichtige Aufgabe, wie man aus Erfahrung weiß, mit homöopathischen Erfolgen.

Bis zur Gründung des Museum Moderner Kunst – Stiftung Wörlen (1990) war die einzige bedeutende Ausstellungsmöglichkeit in einer säkularisierten Kapelle mit Kreuzgang, die dankenswerterweise von der Stadt vorbildlich saniert worden war. Nicht nur regionale, sondern auch teilweise überregionale qualitative Kunst, meist lebender Künstler, wird hier gezeigt. Das Museum Moderner Kunst hat internationale Verbindungen, zum Beispiel Zürich, Marseille, Wien, Salzburg, München, Budapest. Was die Akzeptanz des Museums in Passau und dessen Umfeld betrifft, ist es nicht schlechter als überall. Tatsache ist, dass durch die große Zahl qualitativer Ausstellungen die Bereitschaft, sich mit Gegenwartskunst zu beschäftigen, größer geworden ist.

Können Sie die Freuden und Leiden Ihres „Lebens für die Kunst“, Ihrer Kultur-Arbeit, speziell in Passau (!) benennen? Wenn man sich „das Leben für die Kunst“ zur Aufgabe gemacht hat, freut man sich über Anerkennungen und darf sich durch Ignoranz und Unduldsamkeit nicht beirren lassen. Erfolge kommen nur, wenn man die „Meinung der Allgemeinheit“ durch neue Impulse, Überzeugung und Lösung überspielt. Kein Stammtisch, aber Eigenleben. Stagnation ist heutzutage der sichere Tod eines jeglichen Unternehmers. Flexibilität und Innovation sind Schlagworte, die neue Entwicklungschancen für ein Projekt bieten. Wo sehen Sie diesbezüglich Ansatzpunkte für das kulturelle Leben in Passau (für das Museum, den Kunstverein, die „Kultur-Stadt“ Passau im Allgemeinen)? Die großen Leistungen auf allen Gebieten der künstlerischen Aussage der vergangenen Jahrhunderte sind Voraussetzung des Schaffens im 20. und 21. Jahrhundert. Der derzeitige Pluralismus zeigt sich in der künstlerischen Aussage.

Es ist nicht einfach, die Vielfalt der Ergebnisse in Literatur, Musik, Schauspiel und der Bildenden Kunst den Menschen nahe zu bringen. Nur die Auseinandersetzung mit der Gegenwart bringt uns weiter. Das gilt für die Kulturstadt Passau genauso wie den Kunstverein und das Museum. Dazu bedarf es Persönlichkeiten, die willens sind und Kraft haben, sich durchzusetzen.

Im Verlaufe Ihres Wirkens haben Sie eine enorme Fülle von Kontakten mit Künstlern und „Kunstvermittlern“, aber auch mit Politikern und Wirtschaftsleuten et cetera geknüpft. Welche Persönlichkeiten haben einen besonders nachhaltigen Eindruck auf Sie gemacht und warum? Hineingeboren in eine Zeit, in der das Kaiserreich zerbrach, die K.u.K.-Monarchie Österreichs, mit grundlegenden Umwälzungen in der Politik, im Sozialwesen, der Kunst, eine Zeit der Aufklärungen, hatte ich das Glück, in einer für alles aufgeschlossenen Künstlerfamilie aufzuwachsen, die mir Gelegenheit gab, mit vielen Persönlichkeiten zusammenzukommen.

Um nur einige zu nennen: den Kunstkritiker und Kunstmanager Arthur Rössler, Wien, aus der Wirtschaft die Kunstsammler Würth, Künzelsau, und Essl, Klosterneuburg, Serge Sabarsky, New York, die Architekten Clemens Holzmeister, Wien und Hans Herkommer, Stuttgart, aus der Politik Roman Herzog – alles Persönlichkeiten, die ihre eigene Meinung kundtaten, eine klare Sprache hatten und über dem Alltag standen oder stehen.

Herr Wörlen, kommt bei pausenlosem Engagement für „Ihre Kinder“: Ihr Architekturbüro, das Museum, den Kunstverein et cetera, Ihr Privatleben nicht zu kurz? Was heißt Privatleben? Das Leben in ständiger Auseinandersetzung mit dem „Heute“ auf allen Gebieten. Es ist eine Verpflichtung, die Lebensinhalt gibt. Die Regularien des Alltags dürfen nicht Vorrang haben. Sie sind heute 85 Jahre alt. Bei Ihrer Vitalität und Energie werden Sie wahrscheinlich 100. Dennoch: Das Amt des Kunstvereins-Präsidenten haben Sie letztes Jahr bereits abgegeben, auch für das Museum sind Sie dabei, „die Weichen zu stellen“. Was geben Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg? Ich genieße die Gnade des Alters. Es ist Zeit, ordnend in die Zukunft zu schauen. Die Leitung des Kunstvereins wurde in bewährte Hände gelegt. Die Weiterführung des Architekturbüros ist gesichert. Für die Zukunft des Museums Moderner Kunst werden sich, wie ich hoffe, Lösungen finden, die der Qualität des Hauses gerecht werden.

Allen Nachfolgern wünsche ich einen guten Blick in die Zukunft, eine glückliche Hand, persönliche Ausstrahlung, Kontaktfreudigkeit, Selbstlosigkeit, positive Auseinandersetzung mit dem „Heute“ und Willen zur Erreichung eines gesetzten Zieles.

 
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