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Enthusiasmus für Kunst und Kultur

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Buch zur Initiative „Kinder zum Olymp“ – Kongress im Gewandhaus Leipzig
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Die von der Kulturstiftung der Länder betriebene Initiative „Kinder zum Olymp“ hat zum Ziel, die Kulturvermittlung für unsere Heranwachsenden zu verbessern, um sie heute an ihre Rolle als Kunst- und Kulturträger in einer Gesellschaft von morgen heranzuführen. In musikalischen Fachkreisen ist das Thema nicht neu und als innovativer Durchbruch kann der Leipziger Kongress nicht gewertet werden, zumal die Zeit für Diskussionen kaum ausreichte. Vielmehr knüpfte er an die Bemühungen um (Musik-) Kulturvermittlung der vergangenen Jahre – etwa die der Jeunesses Musicales – an. Von den durch Fachdiskussionen bestimmten Tagungen hebt sich der Kongress dennoch mit einem höchst willkommenen, ja unentbehrlichen Signal ab. Als seine Botschaft bleibt – verdeutlicht durch die Präsenz des Bundespräsidenten und einer ganzen Reihe von Persönlichkeiten ministeriellen Ranges – das öffentlich sichtbare Bekenntnis der Politik zur Notwendigkeit ästhetischer Bildung. Kultur – so eine Begründung – gibt Sinn in einer Gesellschaft, die sich immer mehr im sinnlosen Tun zu verlieren scheint.

Kinder zum Olymp! Wege zur Kultur für Kinder und Jugendliche, hg. von der Kulturstiftung der Länder (K.v. Welk/M. Schweitzer), Wienand Verlag, Köln 2004, 352 S., Abb., € 14.80, ISBN 3-87909-829-8

Im Kompendium, das über die Aktualität des Kongresses hinaus dauerhaft wirken und anregen soll, betont Karin Wolff das (leider noch immer nicht einklagbare) Recht der Kinder auf Kunst und Spiel und verbindet mit der Integration von Kunst und Kultur in Erziehung und Bildung die Förderung von Schlüsselkompetenzen wie Kreativität, Teamfähigkeit, Flexibilität, Leistungsbereitschaft und Toleranz (S. 8). Wenngleich sich diese Begriffe wie ein Wunsch- oder Anforderungskatalog von Staat und Wirtschaft lesen, redet die Ministerin damit nicht einer Vernutzung von Kunst und Kultur das Wort. Beobachtet man allerdings selbst innerhalb der Kulturszene das fortdauernde Missverständnis etwa beim Thema Transfereffekte von Musikerziehung, so war es sicher notwendig auch in Leipzig festzustellen, dass Kunst und Kultur ihren Wert in sich selbst haben und dass dieser Wert gerade auch in der Nutzlosigkeit besteht. Dennoch wurden auch im Gewandhaus „positive Nebenwirkungen“ etwa aus der Perspektive der Hirnforschung vorgestellt. Im Kern ging es aber nicht um die Legitimation von Kunst und Kultur, sondern um das Wie Ihrer Vermittlung, die – soll sie nicht zur fragwürdigen Elitenkultur degenerieren – in die gesellschaftliche Breite hinein als „Kultur vor Ort“ (Connemann) konkret werden muss. Es geht also nicht primär um Leuchttürme, sondern um das weite Land zwischen ihnen – die ganz alltägliche Schule (Edelstein, S. 30). Wolff formuliert die Eckdaten zukünftiger Kulturvermittlung: in einem Netzwerk von verschiedenen Bildungsorten muss Schule mit außerschulischen Kultureinrichtungen verknüpft werden. In Leipzig wurde deutlich, dass als Rahmen dieser Verknüpfung die Ganztagsschule in den Blick genommen wird. Ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept auch nur anzureißen, waren darin nahezu alle politischen Amtsträger einig und stellten gar (anteilige) finanzielle Unterstützung des Staates in Aussicht. Zwar lassen sich Geld und Kultur heute nicht mehr trennen, doch droht bei der Ökonomisierung von Kunst und Kultur deren eigentliche Funktion für die Gesellschaft und den Einzelnen aus dem Blick zu geraten (Fuchs, S. 35). Dennoch erschließt sich unmittelbar die pragmatische Tragweite von Antje Vollmers denkwürdigem Satz am Ende der Tagung: Geld gibt es immer in dem Maße, in dem etwas für wichtig gehalten wird.

Das Kompendium bietet als Hilfe zur Eigeninitiative in Sachen Finanzen im Serviceteil Adressen von Stiftungen und Sponsoren. Neben Aufsätzen zu Sinn und Wert der Kultur von Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Kultur nimmt das „Wie der Vermittlung“ in Form einer besonders zur Lektüre empfohlenen Ideenbörse von 85 Projektbeschreibungen quer durch die Republik den breitesten Raum ein. Im Kreise von Kunst-, Theater-, Literatur-, Medien- und spartenübergreifenden Projekten erscheint die Musik in einem Spektrum von Initiativen einzelner Künstler über Musikschulkooperationen bis hin zu Oper- und Orchesterprojekten angemessen repräsentiert. Ob Urknall, Buchstabensuppenkonzert oder Ohrwurm, beim Nachmachen oder Modifizieren erleichtern die angegebenen Kontaktadressen den Informationsaustausch.

Insgesamt zeugen die Berichte von der Machbarkeit gelungener Kulturvermittlung und machen deutlich, dass nicht nur für den Erfolg bei einem Publikum, sondern auch bei der Suche nach Konzepten und nach Finanzmitteln ein Faktor mit entscheidend bleibt: ehrlicher, ansteckender Enthusiasmus für Kunst und Kultur.

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