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Erstaunliches vom Rande des Klaviers

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Ausgaben mit leichteren Stücken, die im Unterricht noch kaum entdeckt sind
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Nach umfangreichen, engagiert betriebenen Recherchen ist es Pieter Dirksen gelungen, eine quellengetreue Ausgabe der wenigen überlieferten Klavierwerke J.Chr. Bachs zu erstellen. Der Onkel Johann Sebastian Bachs (auch als „Eisenacher“ Bach bekannt) wurde von den eigenen Nachfahren, die ja fast allesamt auch Musiker waren, hoch geschätzt. Die hier veröffentlichten drei Variationswerke, darunter wohl als bekanntestes die „Aria Eberliniana variata“, durchzieht ein fast sportlich anmutender Musiziereifer. Präludium und Fuge in Es-Dur stehen ganz eigenständig vornan. Während das Präludium improvisierenden Charakter hat und dem imitatorischen Prinzip folgt, zwingt die Fuge wegen ihres chromatischen Themas innerhalb des Quintraumes zu mäßigem Tempo. „Zusammengenommen bieten die vier Werke ein schönes Zeugnis mitteldeutscher Klavierkunst am Ende des 17. Jahrhunderts“ (Vorwort). Vor dem Einstudieren sollte man unbedingt das Vorwort mit den Hinweisen zur Aufführungspraxis lesen.

Cecilia Maria Barthélemon: Sonata op.3, G-Dur, P.J.Tonger Musikverlag Köln, 3131-1 P.J.T.

C.M.Barthélemon, eine der Komponistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts, die der Tonger-Musikverlag in seiner Reihe „MusicaLady“ vorstellt, entstammte einer angesehenen Musikerfamilie. Sie ermöglichte ihr schon in ganz jungen Jahren eine umfassende musikalische Ausbildung, die sie bald zum Erfolg führte. Schließlich gehörte Joseph Haydn wärend seines Aufenthalts in London 1790 bis 1792 zum Freundeskreis der Familie. Ihm ist auch die vorliegende Sonata (Allegro vivace, Adagio, Rondo alla Hornpipe) gewidmet. Der ausladende tänzerisch-frische Kopfsatz versprüht einen durchaus feminin anmutenden jugendlichen Elan, bei dem die Komponistin bezüglich der Spieltechnik alle Register zieht. Der ruhig wiegende zweite Satz in Es-Dur (6/8-Takt) spart nicht mit Verzierungen und Arpeggien und lebt vom Kontrast. Auch im dritten Satz ist Barthélemons Vorliebe für aufgelöste Akkorde im Thema klar erkennbar. Übermütig und spritzig kommt dieser Tanz im schnellen Tempo daher und braucht ab und zu Verschnaufpausen, um dann wieder mit aller Kraft loslegen zu können.

Stephen Heller: Notenbuch für Klein und Groß, Band 1, Universal Edition UE 3516

Stephen Heller lebte von 1813 bis 1888, also fast zeitgleich mit Liszt. Er entstammte einem Elternhaus, welches mit dem musikalischen Talent des Sohnes nicht recht umzugehen wusste. Die Gräfin Brunswick sowie später Graf Fugger bemühten sich um seine musikalische Ausbildung. Die Nähe zu Schumann, mit dem ihn eine anhaltende Korrespondenz verband, beeinflusste sein Wirken entscheidend. Bis heute bleibt Hellers Klavierwerk sicher zu Unrecht vom Konzertbetrieb ausgespart. Lediglich im Unterricht werden seine zahlreichen Etüden gespielt. Sein op.138, die „25 melodischen Stücke“ (in zwei Bänden herausgegeben) haben den gleichen Bezug und ähneln thematisch dem „Album für die Jugend“ Schumanns. Ungeahnt facettenreich, in allen Schattierungen wandelbar, mit romantischer Empfindsamkeit, kraftvoll virtuos stehen diese kleinen Stücke da und versetzen in Erstaunen. Sie können mit den ohnehin spärlich gesäten anderen leichten Stücken der Romantik gut mithalten.

Edvard Grieg: Leichte Klavierstücke und Tänze, Bärenreiter BA6575

Mit großer Sorgfalt trug Michael Töpel mehr als zwanzig Klavierstücke des norwegischen Komponisten zusammen. Die Ausgabe verdient Anerkennung auch deshalb, weil sie nicht nur einen repräsentativen Querschnitt durch das Schaffen Griegs zeichnet, sondern dem Klavierschüler auch Auskunft gibt über den Ursprung und die Spezifik seiner Melodien. So erscheinen hier erstmals zwei Klavierstücke, die Grieg in jungen Jahren in Leipzig komponierte. Der zeitliche Bogen spannt sich bis zum Jahr 1905, dem Entstehungsjahr von „Resignation“. Die mit Eifer und Akribie in den entlegensten Gegenden seiner Heimat aufgefangenen Melodien finden ihren Niederschlag in jedem seiner Stücke; die meisten seiner Zyklen haben einen bewusst norwegischen Bezug. So gibt es neben drei Lyrischen Stücken (aus op.12 und 54) und dem „Allegro man non troppo“ aus den „Poetischen Tonbildern“ vorwiegend Volksweisen, Gebirgsmelodien und Bauerntänze. Ihre einzigartige Rhythmik macht sie auch spieltechnisch interessant. Kraftvolles Spiel, Melodieempfinden, weiche Tongebung, die Leichtigkeit der zahlreichen typischen Vorschläge, genaue Artikulation und Akkordtechnik sollten schon beherrscht werden.

Jean Sibelius: Kyllikki, Breitkopf & Härtel, EB8140

Geht man davon aus, dass Sibelius das Klavier nicht besonders mochte, so ist schon erstaunlich, welchen Stellenwert die Klaviermusik im Gesamtwerk einnimmt. „Kyllikki“ op.41 wurde im Jahre 1904 komponiert und der Komponist bezeichnete sein Werk „...lyrisches Stück in drei Sätzen“. Tatsächlich trägt die Erstveröffentlichung bei Breitkopf & Härtel 1906 den Untertitel „Drei lyrische Stücke“. Das erste Stück wird mit einem kurzen Largamente eingeleitet und fährt forsch im Allegro fort, mit tragenden, spannungsgeladenen Melodiestimmen eingebettet in einen figurativen und technisch anspruchsvollen Klaviersatz. Das zweite Stück, Andantino, beginnt etwas melancholisch im mehrstimmigen Satz und leitet in einen absolut virtuosen und vollgriffigen Satz über. Anfangs leicht verspielt bauen sich im Verlauf des dritten Stücks Kontraste auf, die Tonarten wechseln, das Metrum verschiebt sich, am Schluss wird Teil A wieder aufgegriffen und verklingt leise mit einer flüchtigen hingespielten Floskel. Studienliteratur.

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