Hauptbild
Konzert mit Eren Aksahin, Kemal Dinç, Koray Berat Sarı (v.l.n.r.) beim Baglama-Kongress. Foto: LMA NRW
Konzert mit Eren Aksahin, Kemal Dinç, Koray Berat Sarı (v.l.n.r.) beim Baglama-Kongress. Foto: LMA NRW
Banner Full-Size

Erster Baglama-Kongress in NRW

Untertitel
Konzentrierte Beschäftigung mit der Langhalslaute und ihrer Rolle in Deutschland
Publikationsdatum
Body

Die Baglama, auch bekannt als Saz beziehungsweise Tembûr, befindet sich gegenwärtig in einer entscheidenden Phase ihrer institutionellen Etablierung in Deutschland. Nachdem sie in den letzten Jahrzehnten allmählich Eingang in das hiesige Musikleben gefunden hat, werden nun schon länger bestehende Bedürfnisse deutlicher vernehmbar. Anfang November veranstaltete die Landesmusikakademie NRW dazu gemeinsam mit den NRW-Institutionen Landesmusikrat, HfMT Köln, Landesverband der Musikschulen, NRW Kultursekretariat sowie dem Orient-Institut Istanbul einen vom NRW-Kulturministerium geförderten Kongress. Unter dem Titel „Die Baglama im Kontext von Pädagogik, Musikschule, Jugend musiziert und Konzertwesen“ ermöglichten zahlreiche Diskussionsforen, Workshops, Vorträge und Konzerte eine konzentrierte Beschäftigung mit der Langhalslaute. Neben Baglama-Interpreten und -Pädagogen haben auch Musiker anderer Fächer, Konzertveranstalter und Hochschuldozenten das Veranstaltungs-angebot dazu genutzt, Einblicke in die technischen Eigenarten und pädagogische Vermittlung der Baglama zu erhalten sowie ihre gegenwärtige und zukünftige Rolle in Deutschland, speziell in NRW, zu behandeln.

Die Reihe der Veranstaltungen führte vor Augen, dass es sich hierbei um mehr als ein bloß musikästhetisches Problemfeld handelt. Viele gesellschaftspolitische Faktoren greifen ineinander, die sorgfältig voneinander unterschieden und in ihrer methodologischen Handhabung diskutiert werden möchten. Ist die Baglama – historisch betrachtet – wesentlicher Bestandteil der anatolischen Volksmusik gewesen, löst sie sich allmählich von ihr und entwickelt sich auf der Basis individueller Interpretationen vor allem in Europa äußerst facettenreich weiter. Die Einbettung der Baglama in Konzertwesen und Hochschulausbildung wurde unter anderem im Rahmen von Podiumsdiskussionen mit dem Präsidenten des Deutschen Kulturrates,  dem Intendanten der Kölner Philharmonie, Vertretern der HfMT Köln, des Weltmusikinstituts des Konservatoriums Rotterdam, der Orient-Musikschule Mannheim und des Orient-Instituts Istanbul diskutiert. In Deutschland existiert bereits seit längerer Zeit eine Baglama-Szene, die bis heute den meisten Nicht-Kennern verschlossen geblieben ist. Nicht nur werden darin die Entwicklungen in der Türkei rezipiert; auch eigene Wege werden eingeschlagen. Dem muss sich die Institutionalisierung der Baglama in Deutschland stellen und die Einrichtung von universitärer Aus- und Fortbildung beschleunigen. Bisher gibt es an deutschen Hochschulen kaum Möglichkeiten für das Studium der Baglama.

Auf dem Kongress wurden Studienmodelle aus der Türkei vorgestellt und mit Erfahrungen an europäischen Hochschulen verglichen. Im Falle einer Kooperation mit türkischen Vorbildern darf die spezifische Situation der Baglama in Europa nicht unterschätzt werden. Als Beispiel dafür wurde häufig die frühe musikalische Erziehung von Kindern im Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ angeführt. Den Unterricht für junge Menschen zu konzipieren, konfrontiert die Baglama mit instrumentalpädagogischen Fragen, die bisher kaum diskutiert wurden. Eine zunehmende Professionalisierung der Methodik ist gefordert, die mit der Qualifizierung der Lehrkräfte einhergehen muss. Ein gemeinsames hohes Niveau sollten sämtliche Lehrangebote für die Baglama erreichen, damit es später Studieninteressenten leichter fällt, sich auf die Aufnahmeprüfungen an deutschen Hochschulen vorzubereiten. Eine derartige Standardisierung fehlt in der Türkei weitestgehend.

Den Dialog zwischen den in Deutschland existierenden Musikkulturen zu fördern, war der Ausgangspunkt des gesamten Programms. In den Workshops erhielt dieser Dialog konkrete Anknüpfungspunkte, da sich darin verschiedene Perspektiven auch praxisbezogen nahekamen. Es wurden Spieltechniken und das Transponieren auf der Baglama erprobt, versucht, einfache Arrangements zu entwerfen oder charakteristische Baglama-Melodien auf anderen Instrumenten nachzuspielen. Das Zusammenspielen in wechselnden Besetzungen stellte zudem eine produktive Erfahrung für alle Beteiligten dar.

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass der vermeintliche Gegensatz von abendländischen und morgenländischen Instrumenten, der in vielen kulturpolitischen Ansätzen unterschwellig eine Rolle spielt, sich in den Diskussionen als einengend erwiesen hat. Wenn die Baglama in der weiten Kategorie der Weltmusikinstrumente ihre exotische Erscheinung aufgeben soll, muss ihr musikalisches Potenzial ernstgenommen werden, nicht ihre ethnographische Zuordnung. Das transkulturelle Musikleben bietet neue Dimensionen der kulturellen Bereicherung, die ansonsten verkannt werden.

Eine Kongressdokumentation mit Berichten und Filmen erscheint unter www.landesmusikakademie-nrw.de, ein Lehrgang für die Qualifizierung von Baglama-Lehrern an Musikschulen ist in Vorbereitung.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!