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Christian Höppner. Foto: S. Eichstädt
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Es gibt keinen günstigeren Zeitpunkt als jetzt

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Ein Gespräch mit Christian Höppner über den Start des Projekts „Tag der Musik“
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„Musikland Deutschland“ steht als Motto über dem Projekt „Tag der Musik“, das im Jahr 2009 starten und der Vielfalt der Musik in unserem Land ein Forum verschaffen soll. Der Verein „Tag der Musik“, der sich aus Einzelpersonen zusammensetzt, kooperiert dabei mit dem Deutschen Musikrat (e.V.). Mit Veranstaltungen in ganz Deutschland soll ein feststehender Tag ganz der Musik gewidmet werden. Alle können und sollen mitmachen und ihr musikalisches Projekt einbringen. Im Jahr 2009 sind es insgesamt drei Tage (12. bis 14. Juni), ab 2010 soll es dann ein Zentraltag sein. Wer mehr wissen will, kann sich unter www.tag-der-musik.de informieren. Über Planungen und Ziele des Projekts sprach Barbara Haack mit Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrats und stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Tag der Musik e.V.“.

neue musikzeitung: Der Tag der Musik war ursprünglich eine Privatinitiative der Plattenfirma Universal und einiger engagierter Persönlichkeiten des Musiklebens. Was war die Idee?

Christian Höppner: Ich muss das ein bisschen korrigieren, weil ein solcher Plan im gleichen Zeitraum auch beim Musikrat gewachsen ist und wir dann gemeinsam eine Partnerschaft beschlossen haben. Die Idee ist, dass jeder Tag im Jahr ein Tag der Musik sein sollte. Diesen Zeitraum müssen wir natürlich reduzieren. Im Auftakt-Jahr 2009 sollen es drei Tage sein. Unsere Botschaft lautet, dass Deutschland reich ist an ganz unterschiedlichen Kulturen, reich an Aktivitäten in der Laienmusikszene und auf der professionellen Ebene. Eines unserer Ziele ist es, dieser kulturellen Vielfalt eine Plattform zu verschaffen.

nmz: Was genau ist vom 12. bis 14. Juni 2009 geplant?

Höppner: Es sollen Veranstaltungen, die ohnehin stattfinden, unter dem Motto „Tag der Musik“ laufen. Das heißt: Man muss nicht extra etwas für diesen Tag organisieren, um teilnehmen zu können. Es werden aber auch Sonderprogramme aufgelegt. Der Landesmusikrat Hamburg gestaltet zum Beispiel ein umfangreiches Programm extra für den Tag der Musik. Unser Ziel ist es, überall dort, wo Musik stattfindet, dies in einen bundesweiten Kontext zu stellen. Musikalische Veranstaltungen sind also das eine Standbein. Das zweite Standbein ist der Plan, an den vorgesehenen Tagen auch musikpolitische Veranstaltungen durchzuführen beziehungsweise anzuregen. Wir wollen nicht nur zeigen, was es bereits gibt, sondern dies auch nutzen, um für bessere Rahmenbedingungen für das Musikleben zu kämpfen.

nmz: Ganz konkret: Alle, die Musik machen, sind aufgefordert, sich unter das Motto „Tag der Musik“ zu stellen?

Höppner: Genau, jeder. Ob das ein einzelner Musiker ist, ob es Musikvereine sind, Jugendliche und Erwachsene, die Laien- wie die professionelle Szene. Wir haben auch aus allen Bereichen bereits Anfragen beziehungsweise Zusagen, mitzumachen. Die Konferenz der Landesmusikräte hat einstimmig beschlossen, sich zu beteiligen.

nmz: Noch einmal zur Genese: War der Tag der Musik von Anfang an ein Gemeinschaftsprojekt?

Höppner: Nicht ganz. Es gab zunächst – wie eben beschrieben – die parallelen Entwicklungen. Ich sehe in der Zusammenarbeit mit der Musikwirtschaft auch eine neue Chance, gemeinsame Interessen zu verfolgen. Das Ziel, das Musikleben in Deutschland in seiner Vielfalt zu zeigen und zu stärken, hat uns auch hier zusammengeführt.

nmz: Es geht darum, ein Forum herzustellen für die Musik und für das Musikland Deutschland, und dies auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Welche Öffentlichkeiten sind angesprochen?

Höppner: Die Medien, die Politik und die musikinteressierten Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen Schwerpunktthemen wie die musikalische Bildung, die Musik anderer Kulturen in unserem Land oder „Musizieren 50+ – es ist nie zu spät“ in den Mittelpunkt stellen. Damit wird auch ein entscheidender Standortvorteil in unserem Land, nämlich die kulturelle Vielfalt, deutlicher konturiert werden können. Im Sinne der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt betrifft das die drei Standbeine kulturelles Erbe, zeitgenössische Ausdrucksformen und die Kulturen anderer Länder. Wir haben für 2009 allerdings ganz klar beschlossen, kein zentrales Generalthema vorzugeben. Wir möchten vielmehr gerade den Kommunen beziehungsweise den Ländern die Möglichkeit geben, die Themen mit besonderem Handlungsbedarf als musikpolitische Schwerpunktthemen vor Ort hervorzuheben und über das Netzwerk Tag der Musik einer bundesweiten Aufmerksamkeit zuzuführen. Wir hoffen, sowohl durch die Ansprache der Musikeinrichtungen vor Ort durch die Landesmusikräte als auch durch die bundespolitische Schiene – so wurde jeder Bundestagsabgeordnete angeschrieben und gebeten, sich in seinem Wahlkreis darüber zu informieren, wer am Tag der Musik teilnimmt – das Bewusstsein für den Schutz und den Ausbau dieser Kulturellen Vielfalt vor Ort zu stärken.

nmz: Die potenziellen Teilnehmer werden sicher fragen: Was haben wir für einen Benefit? Geld gibt es nicht, es kostet sogar möglicherweise etwas. Wie lautet die Botschaft an diese erwünschten Teilnehmer, die man ja braucht, damit das Projekt ein Erfolg wird? Warum sollen sie mitmachen?

Höppner: Weil jeder dabei nur gewinnen kann: neben der Freude an der Musik vor allem Aufmerksamkeit über den regionalen Tellerrand hinaus durch die bundesweite Vernetzung der Aktivitäten vor Ort. Wenn es dann noch gelingt, die musikpolitische Arbeit vor Ort weiter anzuregen und in den Zusammenhang mit den musikpolitischen Schwerpunktthemen zu stellen, dann lässt sich mit dem Tag der Musik auch ein Stück Kampagnefähigkeit für den Musikbereich darstellen. Die brauchen wir dringend, um in den defizitären Feldern, wie beispielsweise bei der musikalischen Bildung oder den Rahmenbedingungen für das Laienmusizieren, handlungsfähig zu sein. Wir wollen mit dem Tag der Musik auch das Bewusstsein stärken, dass musikalische Bildung ein Leben lang Kontinuität und Qualität von Anfang an braucht und keine kurzatmige Eventisierung.

Ich möchte aber ganz deutlich mit der Vorstellung aufräumen, dass es Hürden für die Teilnahme gibt. Die haben wir bewusst nicht gesetzt. Es wäre zum Beispiel auch ganz in unserem Sinne, wenn ohnehin geplante Veranstaltungen in diesem Zeitraum oder um diesen Zeitraum herum unter das Motto „Tag der Musik“ gestellt werden. Wir sind nicht nur auf die drei Tage im Juni fixiert. In der sogenannten Brückenkategorie lassen sich alle die Veranstaltungen über das Jahr dokumentieren, die den Bezug zum Tag der Musik herstellen. Es gibt keine Barriere in 2009, es müssen nicht unbedingt zusätzliche Gelder oder Personal akquiriert werden.

nmz: Gibt es von Seiten des Musikrats Hilfestellungen, um den einzelnen Musikern und Ensembles den Einstieg unter das Dach „Tag der Musik“ zu erleichtern?

Höppner: Es gibt verschiedene Werbemittel, und wir haben eine Homepage für das Projekt erstellt. Wir werden eine überregionale Pressearbeit machen neben der regionalen Pressearbeit, die von den Teilnehmern vor Ort starten muss. Zudem steht der jeweilige Landesmusikrat als Ansprechpartner zur Verfügung.

nmz: Und als zusätzliches Schmankerl gibt es einen Wettbewerb?

Höppner: So ist es. Der Wettbewerb steht allen offen, die sich zum „Tag der Musik“ angemeldet haben und ist bewusst sehr offen gehalten, um allen eine Teilnahme zu ermöglichen und auch innerhalb des Wettbewerbs die Vielfalt der musikalischen Beiträge deutlich zu machen. Die Kategorien reichen von Kinder- und Jugendensembles, über gemeinsame Projekte von Profis und Laien, bis hin zu musikpolitischen Veranstaltungen und dem Zusammenspiel verschiedener Kulturen. Die jeweilige Aufführung am „Tag der Musik“ soll vor Ort selbst gefilmt und danach auf unserer Homepage eingestellt werden. Es geht darum, der Jury einen Eindruck von der jeweiligen Veranstaltung zu vermitteln. Die Jury wird sich aus Persönlichkeiten des Musiklebens zusammensetzen, die die Filme ab Mitte Juni sichten und prämieren.

nmz: Zentrales Anliegen ist die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Wie soll das funktionieren – in einem Riesenangebot von Veranstaltungen, die es auch ohne den Tag der Musik gibt? Welches sind die Kanäle, um die Botschaft zu transportieren?

Höppner: Es gibt zwei Ebenen. Das eine sind die Kanäle, die vor Ort existieren, das Wurzelwerk, das sicher unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Hier hegen wir die Hoffnung, dass eine solche bundesweite Aktion noch einmal eine andere Akzeptanz in den regionalen Medien erfährt.
Die zweite Ebene ist das überregionale mediale Interesse, das sich in den Gesprächen für den Bereich der Medienpartnerschaften bereits deutlich zeigt. Wir hoffen eine möglichst flächendeckende Wahrnehmung zu erreichen – bundesweit.

nmz: Wie ist die Resonanz auf Musikerseite?

Höppner: Im Moment haben wir einen Anmeldestand von über 160 Veranstaltungen. Darüber hinaus gibt es viele Interessensbekundungen, die in der Phase der Planung sind. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir mit einer Richtzahl von rund 1.000 Veranstaltungen rechnen können – im ersten Jahr.

nmz: Das Jahr 2009 ist als Vorläufer deklariert – als Einstieg in ein größeres Projekt. Wie geht es 2010 weiter?

Höppner: 2010 soll dieses dezentrale Konzept auf jeden Fall beibehalten werden. Zusätzlich ist eine zentrale bundesweite Veranstaltung geplant, die aber noch nicht finanziert ist. Unsere Idee ist es, diese zentrale Veranstaltung zum Tag der Musik wandern zu lassen – von Stadt zu Stadt oder von Land zu Land. 2010 soll sie in Berlin stattfinden.

nmz: Das Projekt kostet Geld. Logo und Flyer müssen erstellt, die Webseite gepflegt, die Öffentlichkeitsarbeit gestärkt werden. Irgendjemand wird vermutlich über das Ehrenamt hinaus dafür bezahlt werden, dass er das ganze koordiniert. Wo kommt das Geld her?

Höppner: Da gibt es eine klare Arbeitsteilung der beiden Partner bei diesem Projekt. Der Deutsche Musikrat stellt sein Know-How, sein Netzwerk und auch einen Teil an Arbeitskraft zur Verfügung. Der Verein „Tag der Musik e.V.“ hat bereits einiges geleistet bei der Anschubfinanzierung. Die Konzeption wird partnerschaftlich getragen.

nmz: Es hat in der Vergangenheit mehrfach den Versuch gegeben, teilweise auch vom Deutschen Musikrat ausgehend, mit solchen bundesweiten und öffentlichkeitswirksamen Aktionen oder Projekten den Stellenwert der Musik in der Gesellschaft zu stärken. Zum Beispiel mit der „Hauptsache Musik“ oder der „Aktion Musik“. Was ist jetzt anders? Was veranlasst die Initiatoren zu der Hoffnung, dass der Tag der Musik – anders als diese Aktionen – tatsächlich erfolgreich ist und nicht gleich wieder in der Versenkung verschwindet?

Höppner: Zum einen ist uns bewusst, dass wir einen langen Atem brauchen. Wir werden uns nicht entmutigen lassen. Zum anderen freuen wir uns über jeden Schritt in Richtung Gemeinschaftsaktion und bewerten diesen als Erfolg. Wir werden starten, und wir werden beharrlich dran bleiben.

Das Dritte – und das ist wohl das Entscheidende – ist, dass sich das Klima in unserem Land in Hinblick auf das Bewusstsein für den Wert der kulturellen und speziell auch der musikalischen Bildung und des Musizierens allgemein deutlich gewandelt hat, ohne dass dabei die Ressourcenausstattung, also die Finanzzuwendung, ebenfalls zugenommen hat. Da gibt es eine deutliche Diskrepanz. Das ist eine hohe Motivation, diesen Tag der Musik durchzuführen. Der Boden, auf dem er stattfindet, das gesellschaftliche Bewusstsein, hat sich gewandelt. Es ist ein günstiger Zeitraum, gerade auch vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise, Prioritäten neu zu definieren und für die Musik, die essentiell ist für die Entwicklung unserer Gesellschaft, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Deshalb gibt es keinen günstigeren Zeitpunkt als jetzt, um den Tag der Musik zu starten.

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