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Es muss Shakespeare oder Liebe sein: Das „Sommernachtstraum“-Musical im Herrenhäuser Gartentheater

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Populär war Shakespeares „Sommernachtstraum“ in Hannover schon lange. In diesem Sommer wurde er auch poppig. Seit fast einem halben Jahrhundert zeigt die Landesbühne Hannover das Liebes-Verwirrspiel regelmäßig im Herrenhäuser Gartentheater. In diesem Sommer zeigte es sich in ganz neuem (Klang-)Kostüm: als Musical-Uraufführung, bei der Hausherr Gerhard Weber selbst Regie führte.

Deutsch-Rocker Heinz Rudolf Kunze sorgte nicht nur für Songtexte, sondern auch für eine frisch-frech-freie Neuübersetzung, sein langjähriger Musikpartner Heiner Lürig unterlegte die Verse mit einer Musik, die schnell ins Ohr und meist auch in die Beine geht. Und dass beide auf einen ihrer großen Hits zurückgreifen („Dein ist mein ganzes Herz“), das ist erlaubt und branchenüblich – was wäre Jim Steinmans Musical „Tanz der Vampire“ ohne dessen Mega-Hit „Total Eclipse of the Heart“?

Der studierte Deutschlehrer und erfahrene Musical-Übersetzer Kunze hat die Handlung rabiat gestrafft und teilweise in die Songtexte verlegt. Das ist auch nötig, wenn man die Geschichte in zwei Stunden (plus Pause) erzählen will. Schließlich sind da drei Handlungsebenen zu beschreiben: die höfische Welt rund um Herzog Theseus, die hier einer Schickimicki-Partygesellschaft gleicht (Bühnenbild: Manfred Breitenfellner), die Laienspielbühne der Handwerker und das Elfenreich, das ein bisschen aussieht, als wäre es vom hiesigen Kleinkunstfest im Großen Garten übrig geblieben (Ausstattung: Petra Beyer).

Kunze kalauert sich durch die neuere Popgeschichte, er greift dankbar die Steilvorlagen auf, die ihm die Tatsache liefert, dass im Handwerker-Spiel eine Mauer eine tragende Rolle spielt. Man muss schon sehr verknöchert sein, um sich über die „Phallhöhe“ mancher Sprachabstürze zu empören. Aber wer will widersprechen, wenn die beiden Jünglinge Lysander und Demetrius die Erkenntnis anstimmen: „Alle Frauen wollen nur das eine: Einen Mann fürs Leben an der Leine. Alle Männer halten sich für schlau – and the winner is – na klar, die Frau.“

Dem Sieg auf die Sprünge helfen, müssen – Shakespeare sei Dank – aber doch die Männer: Herzog Theseus mit Gnadenerweis und Heiratserlaubnis für die jungen Liebenden, Elfenkönig Oberon mit seinem Blumensaftzauber und dessen Handlanger Puck. Der ist in der hannoverschen Uraufführung nur bedingt männlich: Jens Krause ist eher Hermaphrodit, Narziss und virtuoser Selbstdarsteller – er wirbelt sich in die Herzen der Zuschauer.

Was Kunze und Lürig den jungen Liebenden in den Mund legen, ist griffig und pfiffig: Ihr „Streitquartett“ hat dezente Ohrwurmqualität, zumal Mirja Regensburg als Helena Power zeigt, Simone Arntz als Hermia selbstbewusst dagegensetzt. Die beiden Jünglinge Lysander (Kristoffer Nowa) und Demetrius (Daniel Brockhaus) sorgen für den gesungenen Kontrapunkt. Michael Ophelders und Sabine Brandauer verkörpern in Doppelrollen das Herrscherpaar in Athen und im Feenreich, er hat die dankbarere Gesangspartie, sie hält selbstbewusst dagegen.

Es gibt viele Rollen in diesem sommernächtlichen Liebesspiel um Lug und Trug, zwei davon sind eine sichere Bank für jeden Interpreten: Wer als Puck oder als Handwerker Bottich (andere Übersetzer machen aus Mr. Bottom Herrn Zettel) nicht „abräumt“, sollte über einen Berufswechsel nachdenken. Kein Thema für Gunther Nickles, der auch abgehangene Gags lebendig macht. Aber wenn die Handwerker dann die „Shakespeare-Version“ des Kunze-Hits „Dein ist mein ganzes Herz“ anstimmen, dann sind alle kleineren Einwände vergessen.
Das letzte Wort aber hat Puck: „Einmal endet jeder Spuk. Er wünscht allen gute Nacht, und dass ihr als Letzte lacht“. Das ließen sich die Besucher der Uraufführung nicht zweimal sagen: großer Jubel, Standing Ovations. Und ein ausverkauftes Haus den ganzen Sommer über. Im nächsten Jahr wird weiter gesungen.

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