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„Nach diesem fantastischen Kulturhauptstadtjahr gibt es ein neues Bild vom Ruhrgebiet mit vielen Farben, aber auch ein neues Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl“, frohlockte Landesmutter Hannelore Kraft bei der Abschlussveranstaltung von Ruhr.2010 im vergangenen Dezember. Wie man dieses neue Selbstgefühl in Nordrhein-Westfalen am besten zum Ausdruck bringt, daran wird wohl noch gearbeitet. Die Kommunen ächzen aus dem letzten Loch, der Landeshaushalt wurde vom Verfassungsgericht kassiert – und dennoch lassen die jüngsten Nachrichten in Sachen Kulturförderung im bevölkerungsreichsten Bundesland hoffen: Die Landesregierung NRW reicht Strohhalme. Mit 4,5 Millionen Euro will Kulturministerin Ute Schäfer die kommunale Theaterlandschaft unterstützen, zusätzlich zu der bisherigen Förderung von 10 Millionen. Und auch das Versprechen, den „Wandel durch Kultur“ in der Ruhrmetropole nach dem turnusmäßigen Wechsel der Kulturhauptstadt weiter voranzutreiben, nimmt immerhin schon finanzielle Formen an: 2,4 Millionen Euro schießt der Regionalverband Ruhr zu, das Land verdoppelt diese Summe, wie Hannelore Kraft zum Abschluss der Kulturhauptstadt verlauten ließ. Noch weiß offenbar keiner so recht, was mit dem Geld genau geschieht, Ideen gäbe es zuhauf. Man darf bloß hoffen, dass es nicht allein mit der Neuauflage eines Autobahnpicknicks mit vollen Händen auf die Straße geworfen wird, und auch das Singfest „Day of Song“ schreit in vielen Ohren geradezu nach Fortsetzung.

Das Kulturhauptstadtjahr der Superlative ist kaum vorüber, da macht Essen erneut mit einem großen Ansinnen von sich Reden: Essen sucht den Superintendanten. Im Zuge der Erbfolgeregelung für den erfolgreichen Intendanten und Generalmusikdirektor des Essener Aalto-Theaters, Stefan Soltesz, verfielen Stadt und Aufsichtsrat der Theater und Philharmonie Essen GmbH (TuP) auf den Gedanken, einmal ganz oben mit dem Sparen zu beginnen und einen Intendanten wegzurationieren. Oper, Ballett, Philharmoniker, Schauspiel und Philharmonie sind unter dem Dach der TuP zusammen geschlossen, einem der größten Theaterbetriebe, dazu „der einzige mit angeschlossenem Konzerthaus“, wie es in der Eigendarstellung heißt.

Dieser „Anschluss“ soll nun auch personell unterstrichen werden, indem der potenzielle Nachfolger von Stefan Soltesz, der seit 1997 das Essener Aalto-Theater leitet und das Haus und sein Orchester zu großen künstlerischen Erfolgen geführt hat, die Leitung beider Häuser übernehmen soll. In Johannes Bultmann, dem gegenwärtigen Intendanten der Essener Philharmonie, dessen Vertrag gleich dem von Soltesz 2013 ausläuft, hatte man den Wunschkandidaten für diese Stelle ausgemacht. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer Berger Bergmann hat er die Geschäfte nach der Ablösung Michael Kaufmanns neu geordnet und gleichzeitig die Philharmonie künstlerisch auf Kurs gehalten. Bultmann steht für dieses Amt jedoch nicht zur Verfügung. Keiner wird so gut wie er um die Herausforderungen wissen, die sich einem Essener Superintendanten stellen. Denn in Zeiten des Sparens das Aalto auf Kurs zu halten und der Philharmonie weiteren Schub zu verleihen, um endlich den ersehnten Zuschauerstamm zu binden, ist eine herkulische Aufgabe.

Im Konzerthaus Dortmund, 2002 eröffnet, scheint Benedikt Stampa mit „Zeitinseln“, „Jungen Wilden“, Exklusivkünstlern und in jüngerer Zeit nicht zuletzt konzertanten Opern in Starbesetzung Wege gefunden zu haben, sich im Bewusstsein und im Freizeitverhalten seines Einzugsgebietes zu verankern. Ob der Entschluss der Bochumer, nach jahrelangem Ringen ihren Symphonikern mit dem beliebten Chef Steven Sloane das ersehnte Musikzentrum zu bauen, Einfluss nehmen kann auf die Ausgehtrends in den Nachbarstädten, bleibt abzuwarten. Den Essenern ist nur zu wünschen, dass sich der Aufsichtsrat, nachdem ein erster Kandidatenkreis durch Indiskretionen im Vorfeld der Entscheidung beschädigt ist, zu einer Wahl durchringt, die zwei der ersten Häuser im Lande würdig ist. Denn das ist gut fürs Selbstwertgefühl.

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