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Experimentierfreudig

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Konzertbericht: Studio für Neue Musik München
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Die Konzertreihe Studio für Neue Musik des Münchner Tonkünstlerverbandes bietet Künstlern regelmäßig ein Forum für musikalische und programmatische Experimente. So war auch das Programm des Kammerkonzerts am 14. Mai in der Bayerischen Versicherungskammer ein Experiment: die Geigerin Anna Skouras und ihr Mann Andreas am Klavier hatten Stücke ausgewählt, die fast alle in den 80er-Jahren entstanden sind.

Diese Programmauswahl ist deshalb so ungewöhnlich, weil es sich hierbei um zeitgenössische Ausgrabungen handelt. Ein großes Problem der zeitgenössischen Musikszene ist ja, dass es zwar Ausschreibungen, Wettbewerbe und Förderungen für Kompositionsaufträge gibt, dass sich Orchester und Theater mit großen Uraufführungen schmücken; nach der ersten Aufführung verschwinden diese Werke aber oft und geraten in Vergessenheit.

Dieses Problem ist kein Phänomen unserer Zeit – der große Ausgrabungsboom der letzten zwanzig Jahre vor allem im Bereich der Barockmusik gibt einen Eindruck von der Fülle der verschütteten Stücke. Dabei wurden schon zahlreiche Kleinode neu entdeckt, was Mut macht, dieses Wagnis immer wieder einzugehen.

Doch nicht alle Stücke halten einer neuerlichen Überprüfung stand und sind so zeitlos, dass sie auch nach Jahren noch den Zuhörer erreichen und überzeugen. Diese Tatsache beeinträchtigte dann leider auch ein wenig den Konzertgenuss des Abends, denn es gab einige auch für geübte Hörer zeitgenössischer Musik sehr sperrige Stücke im Programm.

Das erste Stück des Abends, „Aus Claras Tagebuch“ von Peter Michael Hamel, in dem es thematisch um die Wahnvorstellungen Robert Schumanns, um das Hören von Geisterstimmen geht, war zwar nicht gerade leichte Kost, aber interessant und spannungsreich. Mit donnernden Bassschlägen im Klavier, fledermausartigen Zirpgeräuschen an der Geige, sanglichen Stellen als Inseln der Ruhe, dann wieder wirr und unzusammenhängend anmutenden Tönen machten Anna und Andreas Skouras die Abgründe des Wahnsinns hör- und erlebbar. Einzige Schwachstelle dieses Stücks: der Geigenbogen hielt dem intensiven Musizieren nicht stand und riss gegen Schluss. Daher musste etwas umdisponiert werden, und vor der Pause gab es nur noch Klaviermusik zu hören. Andreas Skouras spielte, unbeeindruckt von der jähen Unterbrechung, kraftvoll und sensibel die Drei Etüden von Wolfgang von Schweinitz, in denen der Komponist verschiedene musikalische Stile und Formen zitiert und weiterentwickelt.

Nach der Pause dann war auch Anna Skouras mit neuem Geigenbogen wieder zurück, und beendete zusammen mit ihrem Mann das Stück von Peter Michael Hamel. Die beiden Musiker verstehen sich blind. Neben dem handwerklichen Können und ihrer Musikalität beeindruckte vor allem ihr gemeinsames Musizieren und Atmen – zeitweilig schienen sie wie zu einem einzigen Instrument verschmolzen.

Zum Abschluss des Konzerts gab es das einzige neuere Werk des Abends: ‚wie die dinge aus ton‘ von Volker Nickel aus dem Jahre 2008, das sich aus neun kurzen, abwechslungsreichen Stücken zusammensetzt. Mal frech und trotzig wie ein Kinderlied, mal rhythmisch-energetisch, mal langsam und elegisch, dann wieder tänzerisch flott kamen diese daher und beendeten den Abend frisch, beschwingt und mit einem Augenzwinkern.

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