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Fakten zur Ganztagsschule

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Qualitätsstandards der musikalischen Bildung einhalten
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Das Thema Ganztagsschulen wirft auch hinsichtlich der musikalischen Bildung viele Fragen auf. In der Ausgabe 2/2006 der Verbandszeitschrift BDMVinfo hat Wolfgang Rößler diesbezüglich Fakten, Stellungnahmen und Aktivitäten zusammengestellt (siehe auch www.bdmv-online.de), die wir hier in Auszügen präsentieren.

Einen Teil der Ganztagsbetreuung bilden die Ganztagsschulen. Die gesellschaftlichen Veränderungen der Arbeitswelt mit der deutlich zunehmenden Erwerbstätigkeit von Frauen, die Familie und Beruf, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung miteinander verbinden wollen, hat in diesem Jahrzehnt zu einer neuen Bewertung der über den Unterricht hinausgehenden Angebote durch die Schule oder durch öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe geführt. In den einzelnen Ländern sind unterschiedliche Modelle in der Diskussion beziehungsweise zum Teil schon verwirklicht. Es sind dies im Primarbereich Angebote der „vollen Halbtagsschule“ mit festen Schulöffnungs- und Betreuungszeiten, im Sekundarbereich I vor allem Ganztagsschulen oder erweiterte Halbtagsschulen.

Ländervergleich und Bundesmittel

Die Bildungspolitik in Deutschland liegt in der Hoheit und Verantwortung der 16 Bundesländer. Die Bundesregierung kann dazu Anregungen geben, Anreize schaffen sowie Impulse setzen. Dies hat sie mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) getan: Insgesamt vier Milliarden Euro fließen bis 2007 für den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen in die Länder. Damit hat sie eine bundesweite Bildungsreform in Gang gesetzt, die nachhaltig strukturelle Veränderungen in die Schullandschaft gebracht hat und bringen wird. Bis Ende 2005 wurden bundesweit rund 4.900 Ganztagsschulen durch das IZBB gefördert beziehungsweise zur Förderung vorgesehen. Jedes Bundesland setzt das Investitionsprogramm auf der Grundlage eigener Richtlinien und Konzepte um. Der Ländervergleich zeigt, wie unterschiedlich sich der Ganztagsschulausbau in den einzelnen Ländern gestaltet. Im Hinblick auf die Ganztagsschulform ist keine einheitliche Präferenz der Länder zu erkennen. Bundesweit stellt die offene Ganztagsschule derzeitig jedoch die dominante Organisationsform dar.

Bleibt die Talentförderung auf der Strecke?

Die Bundesfachgruppe Musikpädagogik e.V. (BFG) hat sich vom 4. bis 6. November 2005 in Soest auf einer Tagung „Musikpädagogik und Ganztagsschule“ den damit verbundenen Fragen gewidmet. Dazu ein Auszug aus Wolfhagen Sobireys Fachvortrag: „Durch die Entwicklung zur Ganztagsschule gibt es immer mehr Nachmittagsunterricht. Auch die Verkürzung des Gymnasiums (G8) von neun auf acht Jahre führt dazu, dass sich die Schüler in den verbleibenden acht Jahren jetzt wöchentlich länger in der Schule aufhalten müssen als früher. Da bleibt deutlich weniger Zeit für außerschulische Aktivitäten, auch weniger Zeit für den Instrumentalunterricht.“

Auch die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände e.V. (BDMV), der Dachverband von 18.000 Orchestern mit 1,3 Millionen Mitgliedern, hat am 6. Oktober 2004 den Kultusministern der Länder geschrieben, dass der BDMV dringenden Handlungsbedarf in Sachen Ganztagsschulen sehe. Bei einer flächendeckenden Einführung der Ganztagsschule sei besonders die Nachwuchsarbeit in den Orchestern gefährdet. In der neuen Ganztagsschule könnte es durch die erweiterten Zeiträume mehr Musik, also mehr musikalische Breitenbildung geben als in der bisherigen Schule. Das ist sehr positiv. Die Ganztagsschule hat Zeitfenster für zusätzliche Aktivitäten. Die Ganztagsschule stellt sich die Mitwirkung der Musikschule und der Privatlehrer aber in der Regel als Gruppenunterricht vor, mit Gruppen zu 12 bis 15 oder mehr Schülern. Doch braucht die individuelle Ausbildung den Einzelunterricht und Einzelförderung. Diese muss während des Schulalltags und räumlich im Gebäude der allgemein bildenden Schule stattfinden beziehungsweise die entsprechenden Schülerinnen und Schüler müssen das Schulgebäude vor 16 Uhr verlassen können, um einen anderen Ort aufzusuchen, weil dort die Musikschule beziehungsweise ein Privatlehrer unterrichtet, und dieser Unterricht wird ihnen als Ganztagsbesuch angerechnet.

Ganztagsschulen: Zeit für mehr musikalische Bildung?

Die Hoffnung, dass Ganztagsschulen die Chance auf einen besseren Zugang zu musikalischer Bildung für alle eröffnen, kann nur erfüllt werden, wenn die schulischen Rahmenbedingungen stimmen (das betrifft auch die Finanzierung) und Musikpädagogen im Studium und in Fortbildungsveranstaltungen auf die veränderten Anforderungen musikalischer Praxis in Ganztagsschulen vorbereitet werden. Dass musikalische Bildung in der Ganztagsschule zu einem veränderten Verständnis von Schulmusik führt, wurde bei der bereits oben erwähnten BFG-Tagung „Musikpädagogik und Ganztagsschule“ in der Arbeitsgruppe von Hans Jünger (Universität Hamburg) deutlich, die sich Formen des verstärkten Musikunterrichts widmete. In den Diskussionen herrschte Einigkeit, dass Ganztagsschule nicht die bloß zeitliche Ausdehnung schlechten Unterrichts bedeuten darf. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass durch Ganztagsschulen nicht bislang bestehende Lernmöglichkeiten unnötig reduziert werden, indem beispielsweise der nachmittägliche Instrumentalunterricht (auch Einzelunterricht) an Musikschulen behindert wird. Stattdessen sollte nach Wegen gesucht werden, Vor- und Nachmittagsangebote zu verknüpfen, selbständige Arbeitsformen wie Musik-Projekte zu initiieren und die Musikschularbeit einzubinden. Eine echte Chance besteht in der Stärkung musikpraktischer Anteile, die in Schulen bislang immer noch zu kurz kommen und nur einen Teil der Schülerinnen und Schüler erreichen. Barbara Stiller, die an der Hochschule für Künste Bremen unter anderem für Elementare Musikpädagogik (EMP) zuständig ist, machte in spannenden Projektberichten deutlich, wie die Kooperation mit Vertretern des Musiklebens gestaltet werden kann. Die sorgfältig vorbereitete und methodisch durchdachte Projektwoche, in der Mitglieder eines Orchesters an einer Grundschule „gastierten“ und die Schüler anschließend die Musiker bei ihrer Arbeit besuchten, zeigte, wie beide Seiten von den Erfahrungen profitieren. Ausführliche Berichte und Materialien zur Tagung unter: www.bfg-musikpaedagogik.de (Quelle: alla breve, Nr. 1 2006, Magazin der Hochschule für Musik Saar)

Gemeinsam mit fast allen Bundesländern hat die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung regionale Serviceagenturen eingerichtet, die Ansprechpartner für Schulen und Schnittstellen zum Programmangebot sind. Aktiv tragen sie an Schulen Vernetzungs-, Informations- und Qualifizierungsangebote heran. Mehr Informationen unter:
http://www.ganztaegig-lernen.org/www/web307.aspx

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