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Fortbildung allein schafft keine Professionalisierung

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Zur Qualitätssicherung bei der Elementaren Musikpädagogik &#183
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Wer würde nicht den Segen von Fortbildungen preisen? Hier können sich Musikpädagoginnen und -pädagogen auf den neuesten Stand ihres Fachs bringen, neue Impulse aufnehmen und die inhaltliche sowie methodische Palette ihres Unterrichts erweitern. Meist geht von Fortbildungen ein großer Motivationsschub aus – man hat sich mit Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht, interessante Persönlichkeiten als Dozenten/-innen kennen gelernt und ist „voll“ mit Ideen, die man im Berufsalltag anzuwenden brennt. Der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen kann die berufliche Zufriedenheit erheblich steigern, da das dort Erfahrene als Kompetenzerweiterung wahrgenommen wird und die Monotonie des möglicherweise festgefahrenen Berufsalltags lockert. Und nicht zuletzt dienen sie dem Wohl der Schülerinnen und Schüler, deren Bedürfnissen eine Lehrkraft, die sich durch Fortbildungen „auf der Höhe der Zeit“ befindet, besser gerecht werden kann.

Fortbildungen wenden sich also schwerpunktmäßig an ausgebildete, bereits berufserfahrene Lehrkräfte und bieten zur Erweiterung, Vertiefung oder Ergänzung der fachlichen Handlungsmöglichkeiten Inhalte beispielsweise aus folgenden Themenbereichen an:

  • Auseinandersetzung mit Musiksparten, denen in der Ausbildung wenig Beachtung geschenkt wurde,
  • neue Vermittlungs- und Unterrichtsformen,
  • neue Unterrichtsliteratur,
  • neue Schulwerke, meist von den Autorinnen oder Autoren selbst vorgestellt,
  • Einführung in angrenzende musikpädagogische Wirkungsfelder wie etwa Ensemble- oder Kammermusikunterricht.

Musik-/Instrumental-/Vokalunterricht ist ein lebendiges Geschehen, dem sich Lehrkräfte, die in der Hochschulausbildung eine Grundprofessionalisierung erfahren haben, immer wieder neu anpassen müssen. Der Hochschulunterricht kann nicht alles leisten, nicht jede Richtung, in die sich ein musikpädagogisches Betätigungsfeld entwickeln könnte, erfassen und zu einem Lehr- und Lerngebiet ausbauen. Insofern sind Fortbildungen eine notwendige Ergänzungsmaßnahme der musikpädagogischen Ausbildung.

Anders stellt sich die Situation bei Weiterbildungen dar. Sie wenden sich an Zielgruppen, deren Mitglieder – aus welchen Gründen auch immer – ein neues berufliches Betätigungsfeld anstreben. Die Teilnehmenden bilden sich also nicht in dem Fach fort, in dem sie bereits professionalisiert sind, sondern suchen eine Neuorientierung in einem Fach, das im besten Fall durch die Tatsache, dass es „auch mit Musik“ zusammenhängt, mit ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit verbunden ist. In Form von berufsbegleitenden Lehrgängen finden sich derartige Kurse reichlich auf dem Markt – und sie betreffen vorrangig das Fach Elementare Musikpädagogik.

Warum? Eine treffende Antwort ist schnell zu finden: Weil die Nachfrage an Musikschulen und anderen Einrichtungen nach „Musikalischer Früherziehung“ so stark ist, dass ein großer Bedarf an Lehrkräften besteht.

Die Hochschulen können mit der Anzahl an Absolventen/-innen des Studienfachs EMP, die sie ins Berufsleben entlassen, diesen Bedarf nicht decken. Also müssen andere Maßnahmen ergriffen werden, um dem Lehrermangel in einem für Musikschulen recht lukrativen Bereich zu begegnen. Aber ich frage weiter – warum? Warum meint man, Lehrkräfte für EMP in Kursen nachqualifizieren zu können? Niemand würde auf die Idee kommen, bei einer hohen Nachfrage nach Trompetenunterricht eine Geigerin eilig ins Trompetenspiel einzuweisen oder einen Cellisten zum Querflötenlehrer umzuschulen.

Lächerlich, überspitzt? Nein: Symptomatisch für die Wahrnehmung der EMP als ein Fach, das man sich mit einem im Vergleich zu einem grundständigen Studium relativ geringen Aufwand aneignen kann. Und symptomatisch für unsere Gesellschaft, die nicht für diejenigen, die sich ihren jüngsten Mitgliedern zuwenden, die bestmögliche Ausbildung als gerade gut genug ansieht.

Aber nicht umsonst hat sich die EMP zu einem Studienfach entwickelt, das an zahlreichen deutschen musikalischen Ausbildungsstätten ein eigenständiges künstlerisch-pädagogisches Fach innerhalb von Diplomstudiengängen ist.

Es sieht einen sorgsamen, langfristig angelegten Aufbau der handwerklichen und künstlerischen Kompetenzen in Bereichen wie Schlagwerkspiel, Stimme und Bewegung vor und es ist – wie andere Studienzweige auch – selbstverständlich ein Fach mit höchstem musikalischem Qualitätsanspruch, den aber nur diejenigen wahrnehmen und erfüllen können, die sich tiefgreifend damit auseinander gesetzt haben.

Integrativer Bestandteil der Ausbildung ist auch die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden, die sich in die Musizierpraktiken der EMP einarbeiten müssen, und zwar in Zusammenhang mit der Erweckung und Erweiterung ihres kreativen und interaktiven Potenzials. Dieses alles muss tief verankert werden – und das braucht Zeit und kontinuierliche Herausforderung und Begleitung.

Der „Arbeitskreis Elementare Musikpädagogik an Ausbildungsinstituten in Deutschland“ (AEMP) hat sich mit der Problematik der so genannten berufsbegleitenden Lehrgänge intensiv befasst und im Bewusstsein ihrer Unvermeidbarkeit folgendes Empfehlungspapier mit Kriterien zur Qualitätssicherung verfasst:

In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass der Bedarf an EMP-Lehrkräften stetig wächst, da die Bedeutung des musisch-kreativen Tätigseins für die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit zunehmend ins öffentliche Bewusstsein rückt. Das Arbeitsfeld beschränkt sich nicht mehr auf Musikschulen, sondern dehnt sich auch auf Ganztagsschulen, außerschulische Bildungsträger und Freizeiteinrichtungen aus. Daraus ergibt sich ein erhöhter Bedarf an qualifizierten Lehrkräften.

Durch eine steigende Zahl an berufsbegleitenden Weiterbildungen wird versucht, dem Mangel an Lehrkräften, die ein Studium in Elementarer Musikpädagogik absolviert haben, entgegenzuwirken. Daraus hat sich ein unübersichtlicher, oft mehr kommerziell als inhaltlich orientierter „Markt“ entwickelt.

Qualitätssicherung:

Dieser Situation trägt der AEMP mit folgenden Empfehlungen Rechnung. Die Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen in Elementarer Musikpädagogik kann nur dann als gesichert gelten, wenn

  • die Teilnehmenden über ein abgeschlossenes musikpädagogisches Studium, mindestens aber über ein abgeschlossenes Musikstudium oder ein abgeschlossenes pädagogisches Studium verfügen,
  • die Dozentinnen und Dozenten das Fach EMP auf Ausbildungsniveau repräsentieren können,
  • die Dozentinnen und Dozenten methodisch-didaktisch befähigt sind, die weit reichenden Inhalte des Lehrgebiets an Erwachsene zu vermitteln,
  • die Inhalte des Lehrgangs befähigen, unabhängig von Unterrichtsprogrammen zu unterrichten,
  • der Kurs nicht ausschließlich zum Product-Placement einzelner Lehrwerke und entsprechender Lernmaterialien benutzt wird,
  • sich der zeitliche Umfang über mehrere Phasen im Zeitraum von etwa zwei Jahren erstreckt und mindestens 200 Unterrichtsstunden (zum Beispiel 5 Phasen à 40 Stunden) umfasst,
  • zusätzliche Praktika und theoretische Arbeiten zwischen den Phasen in die Ausbildung integriert sind,
  • die Teilnehmenden ihre individuelle Eignung in einem Aufnahmeverfahren (zum Beispiel Probephase) nachgewiesen haben,
  • Zertifikate nur nach erfolgreich bestandener pädagogisch-künstlerischer und theoretischer Abschlussprüfung vergeben werden.

Nur Lehrgänge, die den oben genannten Ansprüchen genügen, können als Weiterbildungen gelten. Sie sind dadurch deutlich von Fortbildungen zu unterscheiden.

Eine Spezialisierung hinsichtlich der Arbeit mit verschiedenen Altersgruppen (vom Säuglingsalter bis ins späte Erwachsenenalter) sollte erst in aufbauenden Fortbildungen erfolgen.

Grundsätzlich ist eine enge Kooperation mit beziehungsweise institutionelle Anbindung an Musikhochschulen/Universitäten anzustreben, zu deren Aufgaben neben der Aus- auch die Weiterbildung gehört.

Eine Weiterbildung ersetzt kein mit Diplom abgeschlossenes Zusatz- oder Aufbaustudium an einer Musikhochschule/Universität. Eine wirkliche Professionalisierung kann nur im Rahmen eines Diplomstudiums im Hauptfach EMP erlangt werden.

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