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Figaro 1959: Frohwalte Pilz aus Berlin als Cherubino mit Mitgliedern des Evangelischen Kirchenchores und des Gesangvereins Weikersheim. Foto: JMD
Figaro 1959: Frohwalte Pilz aus Berlin als Cherubino mit Mitgliedern des Evangelischen Kirchenchores und des Gesangvereins Weikersheim. Foto: JMD
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Fünfzig Jahre Oper im Schlosshof Weikersheim

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Erinnerungen von Klaus Bernbacher, 1963–1983 Bundesvorsitzender der Jeunesses Musicales Deutschland
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2015 feiert die Jeunesses Musicales Deutschland „50 Jahre Oper im Schlosshof“. Wie es dazu kam, und was der ers­ten Opernaufführung von Beethovens „Fidelio“ im Schlosshof vorausging, kann ich hier nur kurz schildern.

Das Haus Hohenlohe-Langenburg übergab unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg das Schloss Weikersheim an Prinz Constantin zu Hohenlohe als Wohnsitz, der zusammen mit vielen Bürgern seine bisherige Heimat im tschechischen Chomutov hatte verlassen müssen. Prinz Constantin, Ökonom und Kunstmaler, wollte nach dem Krieg Leben und Jugend ins Schloss bringen. Und so lud er die Jeunesses Musicales Deutschland ein, die damals noch Musikalische Jugend Deutschlands hieß und ihren Sitz in Bayreuth hatte, ihre Internationalen Sommerkurse für Musikstudenten auf Schloss Weikersheim durchzuführen. 1956 fand der erste Kurs unter Leitung der MJD mit den Schwerpunkten Kammermusik und Orchester unter der Leitung des Münchener Komponisten Fritz Büchtger statt, dem damaligen MJD-Vorsitzenden. Die Unterkünfte für die Teilnehmer im Marstall und Gewehrhaus des Schlosses waren primitiv, aber die Atmosphäre stimmte: In den unmittelbaren Nachkriegsjahren bildete das  Zusammensein von jungen Musikern und Dozenten aus verschiedenen Ländern des damaligen JM-Netzwerks die eigentliche Botschaft.

Auch die verschlafene kleine Stadt Weikersheim erlebte 1956 mit dem neuen Bürgermeister Kurt Hirsch den Beginn des Aufbaus zu einem modernen Gemeinwesen. So erweiterten wir 1959 die Internationalen Sommerkurse um das Fach Oper, deren Betreuung ich ab diesem Jahr übernahm. Die drei Schwerpunkte Kammermusik, Orches­ter und Oper sollten das Angebot für ein „praktisches Semester“ für die Studierenden sein. Diese Konzeption fand Zustimmung beim Bund, dem Land Baden-Württemberg und später allen Ländern der Bundesrepublik, die die Kurse durch Stipendien für ausländische und deutsche Teilnehmer, gegen manche Widerstände, förderten. Im ersten Jahr der Kurserweiterung, also 1959, wählte ich Mozarts „Figaro“ aus, der auch im Jubiläumsjahr 2015 wieder auf dem Weikersheimer Spielplan steht. Damals spielten wir die Oper konzertant in Kostümen im Rittersaal des Schlosses, und als Inszenierung im Kurtheater Bad Mergentheim. Bis zur ersten Aufführung im Schlosshof 1965 spielten wir regelmäßig in der Weikersheimer Stadthalle, in Bad Mergentheim, Schwäbisch-Hall und Crailsheim.

In diesen Jahren begann ich meine Gespräche mit dem Hausherrn Prinz Cons­tantin, um ihn von der einzigartigen Akustik des Schlosshofes zu überzeugen. Zum Jubiläum „10 Jahre Musikalische Jugend in Weikersheim“ sollte es gelingen, die Oper dort aufzuführen. Ich traf ihn immer beim Rosenschneiden im Park. Wir unterhielten uns stets über Gott und die Welt. Gegen Ende der Gespräche kam ich dann auf meinen Herzenswunsch zurück, im Jubiläumsjahr Beethovens „Fidelio“ aufzuführen. Dieses Werk war wie gemacht für den Schlosshof! Das für den Alten Herrn entscheidende Gegen-Argument: Er ging gewöhnlich um 22 Uhr schlafen und wollte dann seine Ruhe haben! Nun kam die „Orangerie“ in die gemeinsame Überlegung.

Damals eine Ruine, davor eine große Spielfläche. Der dortige Graben war trocken und umrahmt von riesigen Kastanienbäumen. Das Orchester hätte im Graben Platz gefunden und eine amphitheatralische Zuschauertribüne hätte aufgebaut werden müssen. Der Prinz fragte mich nach der eventuellen Zuschauerzahl. Meine Schätzung von 1.000 Besuchern brachte Constantin in helle Aufregung! Er wählte eine deftige Sprache – in der hochdeutschen Übersetzung etwa: „Wir haben keine Toiletten, da wird der ganze schöne Park verunreinigt!“ Diese berechtigte Sorge in der Toilettenfrage brachte die ersehnte Entscheidung. Am nächsten Tag gab er seine Zustimmung, dass die Opernaufführungen ab 1965 im Schlosshof stattfinden konnten. Ich suchte Werke aus, die nicht länger als zwei Stunden dauerten. Es gab nie Schwierigkeiten. Der Prinz hörte nach den Premieren die Vorstellungen bei offenem Fenster vom Bett aus an, und wir diskutierten am nächsten Tag die Unterschiede der Aufführungen und Besetzungen. Auf diese Weise konnte gelingen und sich ein gemeinsamer Traum erfüllen, wovon Prinz Constantin zur Premiere der ersten Operaufführung im Schlosshof am 17. Juli 1965 schrieb: „Weikersheim, ein Monument des Kunsthandwerkes und der Kunst des Hohenloher Landes, soll eine Brücke sein von der Kunst vergangener Jahrhunderte zur Kunst von heute, was auch der Musikalischen Jugend Deutschlands zum Vorteil gereicht.“ Prinz Constantin gelang es, dass das Schloss Ende der 1960er- Jahre in Staatsbesitz des Landes Baden-Württemberg überführt wurde. Er galt als einer der Schöpfer der Romantischen Straße im Teil Bad Mergentheim bis Rothenburg.

Für die Sommerkurse brachten die „Fidelio“-Aufführungen der Jahre 1965/66 noch ein weiteres wichtiges und positives Ergebnis: Durch die Mitwirkung der Bevölkerung – der evangelischen Kirchenchor und der Weikersheimer Gesangverein übernahmen den Part des Chores (Gefangenenchor und Finale) – wuchs die Bereitschaft, Privatquartiere für die jungen Teilnehmer zur Verfügung zu stellen. Eine auch vom Bürgermeister Hirsch unterstützte, dringend notwendige Verbesserung der Unterbringung auf dem Weg zum „Haus der Musik – Logierhaus der JMD“. In den späteren Jahren beschleunigten auch die Entwicklung und Nachfrage auf dem Gebiet der Touristik den Bau dieses Hauses.

Zum 25. Jubiläum der Internationalen Sommerkurse 1980 konnten wir die Oper „Salome“ von Richard Strauss mit einem beachtlichen Sängerensemble zur Aufführung bringen. Heute, zum 50-jährigen Jubiläum, gratuliere ich den heutigen Verantwortlichen herzlich zu ihrer großartigen Fortsetzung der „Oper im Schlosshof“. Mein Dank geht an meine verehrten Kollegen der geschilderten frühen Jahre: Eckart Rohlfs, Bernhard Bosse, Klaus Börner und Hans Joseph Menke sowie an die Verstorbenen Fritz Büchtger, Klaus Bieringer und Klaus Hashagen.

  • Figaro 2015: Aufführungstermine sind 23. Juli 2015 (Premiere), 24., 25., 26., 28., 29. und 31. Juli 2015 sowie 1. und 2. August. Beginn jeweils 20 Uhr.

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