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Zeitgenössische Musik für Streichquartett
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München. Ein spannender Aspekt bei Konzerten mit zeitgenössischer Musik ist – neben dem reinen Konzerterlebnis –, die Hintergründe der Stücke zu erkunden und sich mit den Gedanken und Ideen der Komponisten auseinanderzusetzen. Manche erschließen sich unmittelbar beim Hören, andere verbergen sich hinter komplexen kompositorischen Vorgängen: Eine interessante Bandbreite davon bekamen die Zuhörer beim Tonkünstlerkonzert „Quartett-Projekt“ in der Reihe „Studio für Neue Musik“ im Oktober in der Versicherungskammer Bayern geboten.

München. Ein spannender Aspekt bei  Konzerten mit zeitgenössischer Musik  ist – neben dem reinen Konzerterlebnis –, die Hintergründe der Stücke zu  erkunden und sich mit den Gedanken  und Ideen der Komponisten auseinanderzusetzen. Manche erschließen sich  unmittelbar beim Hören, andere verbergen sich hinter komplexen kompositorischen Vorgängen: Eine interessante  Bandbreite davon bekamen die Zuhörer beim Tonkünstlerkonzert „Quartett-Projekt“ in der Reihe „Studio für  Neue Musik“ im Oktober in der Versicherungskammer Bayern geboten. Auf  dem Programm standen ausschließlich  Werke für Streichquartett – eine reizvolle Kombination dieses so klassischen  Klangkörpers mit den Mitteln zeitgenössischer Musik.

Eine ähnliche Verbindung ging Christoph Reiserer (geb. 1966) in seiner  Komposition „Vier Quartette – eins“  ein: Anstatt den Kammerton „a“ als  Stimmungsgrundlage zu verwenden,  wurden alle vier Instrumente so gestimmt, dass das „g“ in den Obertonreihen rein intonierte – der Ton, auf  dem vor langer Zeit das abendländische Tonsystem basierte.

In der musikalischen Umsetzung  führte diese Umstimmung zu Momenten von großer – beinahe klassischer – Schönheit, und durch die mikrotonalen Abweichungen auf den unterschiedlichen Tonstufen gleichzeitig  zu extrem dissonanten Passagen, die  das Gehör der Zuhörer kräftig herausforderten.

Einen Hauch bayerischer Folklore durchwehte offenbar Alexander  Strauchs (geb. 1971) Gedanken zum  „Streichquartett Nr. 1 H-I-A-S“. Mit   H-I-A-S ist nämlich einerseits die kompositorische Umsetzung der vier Buchstaben gemeint, gleichzeitig aber auch  die Verarbeitung des Volkslieds vom  „bayerischen Hiasl“. Der „Hias“ hieß  mit bürgerlichem Namen Matthias  Klostermayr und war ein Wilderer und  Räuber, der im 18. Jahrhundert lebte.  Er wurde schon zu Lebzeiten vom einfachen Volk als Volksheld und eine  Art bayerischer Robin Hood verehrt,  von der Obrigkeit aber erbittert gejagt  und letztendlich grausam hingerichtet.  Strauch setzt viele dramatische Elemente ein: große Tonsprünge, Klanghallungen und -verdichtungen, crescendierende Klänge, geschlagene Töne und  erwirkt so eine lautmalerische Komponente, die durchaus dramatische Szenen – Verfolgungsjagden, Raubzüge –  aus dem Leben des „Hiasl“ wachrufen. Weniger dramatisch, aber mit ähnlich  szenischem Gestus dann „3 kurze Szenen“ von Volker Nickel (geb. 1970). Der  Komponist ließ sich zu seinem Stück  von der Bilderwelt und der besonderen Sprache Arno Schmidts in seinem  Roman „Das steinerne Herz“ inspirieren und changiert in der klanglichen  Umsetzung zwischen mal raueren, mal  lyrischen, melodischen Sequenzen, die  immer wieder von witzigen Gesten und  überraschenden Wendungen durchbrochen werden und die Aufmerksamkeit  der Zuhörer fesselt.

Gut aufgelegt, schwungvoll und zugleich präzise musizierend zeigten sich  die Mitglieder des XSEMBLE Streichquartetts mit Marije Grevink (1. Violine), Klaus-Peter Werani (Viola), Hanno Simons (Violoncello) und Nicolaus  Richter de Vroe (2. Violine), dem Gründer des Ensembles und selbst Komponist, von dem ebenfalls zwei Stücke erklangen: die Uraufführung des „Streichquartetts Nr. 3“ und die Zugabe, die mit  zunächst geräuschhaften Klängen und  später an Vivaldi erinnernden Klangflächen wiederum den Bogen zwischen  der Musik vergangener „klassischer“  Epochen und der Jetztzeit schlug. 

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