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Große Koalition und Kultur – Top oder Flop

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Die Vereinbarungen zur Kulturpolitik im Koalitionsvertrag · Von Olaf Zimmermann
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Was bedeutet die Große Koalition für die Kultur? Diese Frage wird die neue musikzeitung in den nächsten Monaten sicher noch öfter beschäftigen. Als Auftakt eine Einschätzung der aktuellen kulturpolitischen Lage durch den Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann.

Auf den ersten Blick kann man den Eindruck gewinnen, dass die Große Koalition der Kulturpolitik ein deutliches Gewicht beimisst. Immerhin zwei Seiten des Koalitionsvertrags sind ausdrücklich dem Thema Kultur gewidmet und auch an anderen Stellen werden die Rahmenbedingungen von Kunst und Kultur thematisiert.

Als sehr positiv ist zu bewerten, dass Kultur eine Investition und keine Subvention ist. An diese Aussage wird zu erinnern sein, sollte das Koch-Steinbrück-Papier aus dem Jahr 2003 wieder aus der Schublade gezogen und die Kulturausgaben des Bundes als abzubauende Subventionen bezeichnet werden.

Ebenso wird an verschiedenen Stellen eindeutig und klar formuliert, dass die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur verbessert werden sollen. Besonders oft wird der Bereich des Urheberrechts genannt und eine Modernisierung desselben angekündigt. Genauso sollen aber auch die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement verbessert werden, eine wesentliche Aussage für die vielen Laienorganisationen im Musikbereich. Konkret wird in diesem Zusammenhang eine Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts angeführt. Ein sehr positives Signal für die verschiedenen Akteure aus dem Kulturbereich ist weiter, dass sich die Koalition eindeutig zur Künstlersozialversicherung bekennt und sie im Dialog mit den Versicherten und den Abgabepflichtigen weiterentwickeln will. Ebenso wird im Bereich der Steuerpolitik zugesagt, aus Gründen der sozialen Balance den ermäßigten Mehrwertsteuersatz erhalten zu wollen. Das heißt für Kulturgüter, die bereits einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz haben, wie Bücher oder Noten, wird er wohl erhalten bleiben.

Der Koalitionsvertrag also „top“ für die Kultur? Dieser erste Eindruck wird leider durch drei andere Vereinbarungen im Koalitionsvertrag getrübt, die sich im so genannten Anhang 2 zur Föderalismusreform befinden. Zum einen soll die gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern aufgegeben werden. Der Bund soll sich künftig nur noch an internationalen Bildungsvergleichen beteiligen dürfen. Konkret bedeutet dies, dass die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung künftig keine Modellverhaben im Bereich der kulturellen Bildung fördern darf. Das Modellvorhaben „Kulturelle Bildung im Medienzeitalter“ (KUBIM) wird dann das letzte große gemeinsam von Bund und Ländern getragene Modellvorhaben gewesen sein. Welche Auswirkungen die Beschneidung des Bundes im Bildungsbereich auf die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten künstlerischen Wettbewerbe – so auch die musikalischen Bundeswettbewerbe – haben wird, kann derzeit noch nicht eingeschätzt werden. So besteht eine große Diskrepanz zwischen der Bedeutung, die der Bildungspolitik im allgemeinen Teil des Koalitionsvertrags beigemessen wird und den konkreten Aussagen im Anhang 2 zur geplanten Föderalismusreform. Es scheint aber so zu sein, dass zumindest die Förderung durch Mittel des Kinder- und Jugendplans des Bundes, durch den verschiedene Träger der musikalischen Kinder- und Jugendbildung gefördert werden, nicht gefährdet ist.

Der zweite Problembereich des Koalitionsvertrags findet sich ebenfalls im bereits genannten Anhang 2 des Koalitionsvertrags. Es soll in Art. 23 Abs. 6 Grundgesetz klargestellt werden, dass in Fragen der schulischen Bildung, der Kultur und des Rundfunks künftig ein Ländervertreter die Bundesrepublik Deutschland auf EU-Ebene vertreten soll. Nun war gerade die Vertretung auf der europäischen Ebene einer der wesentlichen Gründe, dass im Jahr 1998 von den Bundeskulturverbänden ein Kulturstaatsminister gefordert wurde. Die drei bisherigen Kulturstaatsminister haben sich das Recht genommen, im EU-Kulturministerrat Deutschland zu vertreten. Nun soll dieses Rad wieder zurückgedreht werden und die Vertretung an die Länder zurückfallen. Dies bedeutet, dass die Vertretungs- kompetenzen des neuen Staatsministers Neumann hinsichtlich der europäischen Ebene beschnitten werden.
Zum dritten soll das Eckpunktepapier zur Systematisierung der Kulturförderung von Bund und Ländern vom Juni 2003 die Grundlage der künftigen Kulturförderung des Bundes werden. Für die alten Bundesförderungen im Kulturbereich – so auch einige Institutionen aus dem Musikbereich wie etwa dem Deutschen Musikrat – gibt es einen Bestandsschutz. Neue Bundesförderungen würden der Genehmigung durch die Länder bedürfen. Um die Genehmigung der Länder zu erhalten, muss der Bund sicherstellen, dass alle sechzehn Bundesländer bei vergleichbaren Förderfällen eine Gleichbehandlung erfahren. Außerdem muss der Bund einheitliche Förderquoten und einheitliche Sitzlandquoten für einzelne Förderbereiche festlegen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, beginnt ein Konsultationsverfahren. Im Rahmen dieses Konsultationsverfahrens kann dem Bund immer noch eine Förderung durch die Länder untersagt werden. Bislang ist noch unklar, ob es ausreicht, wenn ein Land der geplanten Bundesförderung widerspricht, ob es ein Drittel oder die Mehrheit der Länder sein muss. Diese Regelung wäre abgesehen vom immensen bürokratischen Aufwand eine deutliche Beschneidung der autonomen Fördemöglichkeiten des Bundes.

Ein erstes Resümee: Neben vielen für die Kultur positiven Aspekten im Koalitionsvertrag, könnten sich die geplanten Änderungen in der Föderalismusreform sich sehr negativ für den Kulturbereich auswirken. Hier wird es wichtig sein, im Gesetzgebungsprozess deutlich die Stimme zu erheben, damit aus der Bundeskulturpolitik kein Flop wird.

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