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Großer Unterschied zwischen Stadt und Land

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Ein Leserbrief zum Artikel von Walter Thomas Heyn, Ausgabe 11/17, Seite 43
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Sehr geehrter Herr Heyn, zu Ihrem Artikel „Künstler versus Lehrer“ in der nmz, Ausgabe 11/17 einige Anmerkungen und Fragen:

Dass das Problem Künstler versus Lehrer als Folge des Bologna-Prozesses entstanden ist, stimmt nicht. Ob jemand das Eine oder Andere wurde, ergab sich, seit es Musikhochschulen gibt, aus den Stellenangeboten plus individuellen Bedingungen und Wünschen. Dass in „früheren Zeiten“ (wann soll das gewesen sein?) für das Musikpädagogik-Studium die Leute übrigblieben, deren Instrument für Theater und Orchester nicht gebraucht wurde, stimmt ebenfalls nicht. Dass auch in Jahrhunderten, in denen es keine Musikhochschulen gab, Leute Berufsmusiker wurden, kann nicht gegen eine moderne Hochschulausbildung ins Feld geführt werden. Oder wie ist der zweite Abschnitt des Artikels gemeint?

Unzufriedenheiten

Im Artikel vermischen sich mehrere Unzufriedenheiten – mit der Musikschulsituation in Brandenburg (ein eher spezielles Thema), mit den Lebensbedingungen von Musikpädagogen (ein bundesweites Thema), mit der Hochschulausbildung von Musikpädagogen, mit mangelnder Ausbildungskapazität im Bereich Jazz/Pop. Kennen Sie eine Statistik über Musiklehrerbedarf und Musiklehrerstudenten, die alle Bundesländer abbildet? Es wird nicht klar, was Sie wollen: Sollen Hochschulen mehr und bessere pädagogische und methodische Ausbildung liefern? Oder soll der gesamte musikpädagogische Bereich abgeschafft werden, weil er überflüssig ist? Übrigens – Im „Hochschulmagazin“ der nmz 12/17 finden sich mehrere Beispiele für vielversprechende pädagogisch-künstlerisch-wissenschaftliche Verbindungen in der Musikerausbildung.

Von der Arbeit leben können

Wir wissen schon lange, dass Musikpädagogen generell nicht üppig bezahlt werden und große Unterschiede bestehen zwischen Regionen, zwischen Stadt und Land, zwischen Festangestellten, Honorarkräften und Freiberuflern. Als DTKV sollten wir dafür eintreten, dass Musikpädagogen von ihrer Arbeit leben können. Also für nicht-prekäre Verträge und Festanstellungen als Regel. Nur die Aussicht auf gesicherten Lebensunterhalt kann einen Beruf und eine Stelle als Musiker und Musiklehrkraft attraktiv machen, nicht ein freier Ausbildungsmarkt Trumpscher Prägung.

Das Problem ist gerade die Umsetzung musikalischer Bildung in Deutschland als eher privates Hobby oder Aufgabe der Kommunen; dagegen müssen wir kämpfen, das dürfen wir nicht als Regelfall fordern. Musikalische Bildung ist in allen pädagogischen Bildungsansätzen Bestandteil der Allgemeinbildung und damit Aufgabe des gesam­ten Staates und nicht der kleinstmöglichen Einheit. Der Auftrag staatlicher Institutionen muss sein, Kunst und Musik als ästhetisch-expressive Begegnung und Gestaltung mit der sozialen Umgebung breit in der Bevölkerung zu verankern. Das geht nur durch die Verantwortung des Staates auch für die Musikschulen und die individuelle musikalische Ausbildung. Dies würde die Ausbildung eines qualifizierten Nachwuchses für den künstlerischen Bereich, aber auch für die Musiklehrerinnen und -lehrer an staatlichen Schulen fördern, von denen es schon seit Jahrzehnten zu wenige gibt.

Nachholbedarf

Der Verband hat noch viel Nachholbedarf, was die Darstellung der Problematik in der Öffentlichkeit angeht. Die Presse, auch die Lokalpresse, kann da hilfreich sein. Wir müssen sie von der Wichtigkeit musikalischer Bildung in staatlicher Verantwortung überzeugen und davon, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse Probleme vergrößern und nicht verringern. Unsere eigenen Publikationen erreichen nicht die große Öffentlichkeit. Wir sollten uns auch Partner suchen, die für das oben genannte Ziel mit uns arbeiten. Das wären andere Musikerverbände und die Gewerkschaft. Mit welchen Organisationen arbeitet der DTKV bisher zusammen, um die Situation der Musiker zu verbessern?

Zur Idee einer bundesweiten Zertifizierung: Wer profitiert von solcher Zertifizierung – die Zertifizierten? Die Zertifizierungs-Agentur oder Ähnliches? Die staatlichen Musikschulen? Die privaten Musikschulen? Die Freiberufler? Wie soll eine Zertifizierung strukturiert sein? Soll es eine Agentur geben? Eine Art Behörde? Eine Gruppe ehrenamtlicher Prüfer? Wer zertifiziert und kontrolliert die Prüfer? Wie soll eine Zertifizierung finanziert werden – mit Mitteln des DTKV oder des Deutschen Musikrates? Von den Zertifizierten per Gebühren? Von den Musikschulen, die diese Lehrer beschäftigen? Soll ein Zertifikat Ersatz für einen Hochschulabschluss sein? Soll es neben dem staatlichen ein privates Prüfungssystem geben? Was wäre das wert? Wer ist berechtigt, ein Zertifikat auszustellen?Auf welche Weise soll der zu Zertifizierende seine Qualität nachweisen? Wie sollte ein Zertifikat die Unterschiede bei Entlohnung und Arbeitsbedingungen beseitigen?

Mit freundlichem Gruß, Brigitte Fischer, stellvertretende Vorsitzende des DTKV-Bezirksverbandes Dortmund/Südwestfalen

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