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Handlungsbedarf an Deutschlands

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Keine Hoffnung für Studenten auf baldige Lösung akuter Probleme durch die Entscheidungsträger
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Präsident des Deutschen Kulturrates, Präsident des Deutschen Musikrates und – neben einigen weiteren Ehren-Nebenämtern gut bezahlter Gründungsrektor der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg: Franz Müller-Heuser ist ein vielbeschäftigter Mann. So geschäftig, dass ihm die Ämter-Fülle unehmend über den Kopf wächst und Projekte gefährdet sind?

Der Donnerschlag aus den Reihen der Studenten der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg, Abteilung Nürnberg, (im Folgenden: HfM), der bei der Demonstration am 6. Juni diesen Jahres durch die Nürnberger Altstadt fegte, ebbt nun merklich ab und hinterlässt eine Stück um Stück desillusionierte und demotivierte Mitgliederschar der HfM, die sich von der Hochschulleitung unverstanden und allein gelassen fühlt. Was war passiert?
Seit über einem Jahr existiert Deutschlands einzige kommunal getragene Hochschule für Musik. Die Umwandlung der beiden Fachakademien Nürnberg und Augsburg wurde durch einen Zweckverband als Träger vollzogen, der sich aus den beiden Bezirken Mittelfranken und Schwaben, sowie den Städten Nürnberg und Augsburg zusammensetzt. Dieser Zweckverband bestellte den ehemaligen Präsidenten der Hochschule Köln und jetzigen Präsidenten des deutschen Musikrates und Vorsitzenden des Deutschen Kulturrates, Prof. Dr. Müller-Heuser, als Gründungspräsidenten für das neue Institut. Es galt dieses neue Konzept einer kommunalen Hochschule optimal, kostengünstig, so schnell wie möglich, aber so durchdacht wie nötig umzusetzen.

Jedoch stellte sich nach einem Dreivierteljahr Amtszeit des Gründungspräsidenten die Situation am Standort Nürnberg nicht nur als unverändert dar, nein, für die Studenten und Dozenten erwiesen sich die äußeren Umstände und Studien- oder Lehrbedingungen als untragbar.

Im Anerkennungsbescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst war bereits festgehalten worden, dass die bestehenden Raumkapazitäten nicht dem Standard einer Hochschule für Musik entsprechen. Wissentlich wurde die Problematik fast ein ganzes Jahr – zu Lasten des Studienbetriebs – ungelöst in Kauf genommen. Die prekäre Raumsituation zeigte sich nicht nur in mangelnden Übemöglichkeiten, es waren nicht genügend adäquate Unterrichtsstudios vorhanden.

Für die Zukunft bot sich laut Stadtratsbeschluss vom März 1999 ein neuer innerstädtischer Standort für das „Schmuckstück Musikhochschule“ an: das Pellerhaus am Egidienberg. Der einzige Haken an der Sache: bezugsfertig ist das Pellerhaus voraussichtlich ab 2008 (!). Bei einer durchschnittlichen Studiendauer von 8 Semestern handelt es sich hierbei um einen zeitlichen Rahmen von zwei (!) kompletten Studentengenerationen. Diese müssen ihr gesamtes Studium in einem wie auch immer gearteten Provisorium absolvieren, danach im nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen und ihren künstlerischen Beruf auf möglichst hohem Niveau ausüben.

Das Inventar und die Räumlichkeiten des Nürnberger Standortes waren/sind in einem desolaten Zustand, weil man in den alten Standort vor dem Umzug in das zukünftige Stammhaus nichts mehr investieren wollte. Diese für alle Leidtragenden erfahrbaren Missstände, die in den nächsten acht Jahren unverändert bleiben sollten und der mangelnde Informationsfluss seitens der Stadt und der Hochschulleitung an die Studenten- und Dozentenschaft löste eine Protestbewegung aus, an der sich die Mehrheit der Studenten und einige Dozenten öffentlich beteiligten. Mit Unterstützung von Fernsehen und Presse fand am 6. Juni 2000 in der Nürnberger Innenstadt eine angemeldete Demonstration statt. Lautstark wurden Missstände benannt und Forderungen zur Verbesserung der Situation gestellt.

Die Forderungen wurden zumindest im Licht der Öffentlichkeit wahrgenommen, aber offensichtlich nicht ernstgenommen. Der verzweifelte Hilferuf drang denn auch zum ständig abwesenden Gründungspräsidenten Müller-Heuser. Er reagierte sofort mit der Aussage, von alldem, was Studentenvertreter von der Stadtverwaltung in Bezug auf Bauvorhaben und Übergangslösungen erfahren hatten, nichts gewusst zu haben. Um noch mehr Licht in das Dunkel zu bringen, berief er eine Vollversammlung ein, zu der auch Vertreter der Stadt Nürnberg geladen waren. Das Ergebnis dieser Sitzung löste ein äußerst bedrückendes Gefühl auf studentischer Seite aus. Das entstehende Institut schien von der Stadt lediglich als reiner Kostenfaktor und damit finanzieller Ballast angesehen zu werden. Die Möglichkeit, eine florierende Musikhochschule als Aushängeschild einer kulturell bedeutenden und damit attrak- tiven Stadt zu betrachten, schien den Damen und Herren seitens der Stadt fern zu liegen.

Noch drei weitere hochschulinterne Sitzungen erfolgten, bei denen es der Gründungspräsident immer wieder geschickt und eloquent schaffte, die erhitzten Gemüter zu beruhigen und seinen guten Willen zu beteuern. Diesen will man ihm eigentlich nicht abstreiten. Vorwerfen kann man ihm allerdings die fehlende Präsenz am Haus, die nicht erkennbare Nachdrücklichkeit in Verhandlungen mit den Bauplanern und die Nonchalance, mit der er das Engagement der Betroffenen (Studenten und Dozenten) ins Leere laufen lässt. Bei direkter Konfrontation mit angeführten oder ähnlich gelagerten Sachverhalten beruft sich der Entscheider der HfM darauf, immer telefonisch oder per E-Mail erreichbar zu sein. Außerdem habe er „hier keine Dienstverpflichtung“ und sei „nicht hauptamtlich angestellt“.

Nach nunmehr über einem Jahr Amtszeit besteht dringender Handlungsbedarf seitens des Gründungspräsidenten. Organisatorische Prozesse (zum Beispiel die Evaluation der übernommenen Ex-Kons-Dozenten) konnten durch die seltene Anwesenheit auf die lange Bank geschoben werden (vom WS 99/00 zuerst auf den 8. Mai 2000 und schließlich auf das Ende des WS 00/01). Als alleiniger Entscheidungsbefugter und Verantwortlicher der HfM hätte er alle Möglichkeiten, durch persönlichen Einsatz vor Ort neben einer Lösung der Raumsituation auch eine beschleunigte interne Entwicklung herbeizuführen. Inwieweit die Stadt Nürnberg als Finanzier an Entgegenkommen bezüglich ihrer „Unterbringungspflicht“ aufspart, wäre zu hinterfragen. Eine intensivere Kooperation und Kommunikation von Verantwortlichen und Musikern könnte die Informationsdefizite auf beiden Seiten aufheben.

Die Musiker, die derzeit an der Hochschule lernend oder lehrend tätig sind, bergen ein ungenutztes kreatives Potenzial. Ihnen mehr Aufmerksamkeit und Motivation zu bieten, könnte eine entscheidende Hilfe zur Etablierung einer attraktiven Hochschule sein. In beschlussfähigen Gremien könnten Betroffene zu Beteiligten werden. Schließlich wird in Zukunft auch ein Gremium, bestehend aus Hochschulangehörigen, alle wichtigen Entscheidungen mittragen: der Senat. Die Zeit bis zur Einberufung des Senats ohne Einbeziehung der Basis verstreichen zu lassen, wird immer wieder zu Unverständnis und Enttäuschungen führen. Da selbst vom Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf Anfragen geantwortet wird, dass das Bayerische Hochschulgesetz für die HfM, als nichtstaatliche Hochschule, generell nicht gelte, fühlt man an diesem Institut genau, was Theo Geißler in seinem Leitartikel über den Deutschen Musikrat (nmz 10/2000) bezeichnet, wenn er von „präsidialer Hierarchie“ spricht. Die Mitglieder der Hochschule fühlen sich machtlos in einem monarchisch strukturierten, undurchsichtigen Mikrokosmos, der allerdings ihren Alltag bestimmt. Aber dennoch: Die gebotenen Chancen dürfen nicht vertan werden, um kommenden Studentengenerationen bessere Studienbedingungen bieten zu können.

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