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Aus gemeinsamem Engagement sind persönliche Freundschaften gewachsen: Sönke Lentz, Barbara Haack, Hans-Herwig Geyer, Stefan Piendl verabschieden sich nach neun Jahren aus dem Präsidium der JMD. Foto: K. Börngen
Aus gemeinsamem Engagement sind persönliche Freundschaften gewachsen: Sönke Lentz, Barbara Haack, Hans-Herwig Geyer, Stefan Piendl verabschieden sich nach neun Jahren aus dem Präsidium der JMD. Foto: K. Börngen
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Das scheidende geschäftsführende Präsidium hat gemeinsam viel bewegt
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Nach drei Vorstandsperioden und neun Jahren erfolgreicher Arbeit machten im vergangenen November der bisherige JMD-Präsident Hans-Herwig Geyer, gemeinsam mit den Mitgliedern des bisherigen geschäftsführenden Präsidiums, Barbara Haack, Sönke Lentz und Stefan Piendl, den Weg frei für die nächste Generation. Die Wahlen brachten einen großen Wechsel im Präsidium, aber mit erfahrenen Präsidiumsmitgliedern auch Kontinuität. Barbara Haack berichtet, wie in neun Jahren ehrenamtlicher Präsidiumsarbeit viel bewegt wurde und dabei Freundschaften fürs Leben gewachsen sind.

Wieder einmal Sonntag mittags Rückfahrt von der Wochenendsitzung des Präsidiums in Weikersheim: mit unvermeidlichem Umstieg am Verkehrsknotenpunkt Lauda – und fast unweigerlich verpasstem Anschlusszug in Würzburg. Wieder einmal Rückfahrt im letzten Zug des Tages von einer Sitzung des geschäftsführenden Präsidiums in Köln, Würzburg oder Frankfurt. Die vielen im Zug verbrachten Stunden lassen jede Menge Raum zur kritischen Selbstreflektion und das Gefühl: wieder nur Klein-Klein besprochen. Lohnt sich der Aufwand überhaupt?

Der Blick in den alljährlich vom Generalsekretär sorgfältig verfassten Jahresbericht wirkt immer wieder Wunder angesichts solcher Selbstzweifel. Erst recht der Rückblick auf neun Jahre Teamarbeit im geschäftsführenden Präsidium der Jeunesses – mit dem Präsidenten Hans-Herwig Geyer und den Vizepräsidenten-Kollegen Stefan Piendl und Sönke Lentz.

Offen für neue Wege

„Das haben wir schon immer so gemacht bei der Jeunesses.“ Kaum ein Spruch wurde in den Sitzungen öfter aus der Mottenkiste geholt als die ironisch gemeinte Warnung gewissermaßen vor Stillstand, vor dem Beharren um der Gewohnheit willen. In der Antithese hieß das, offen zu sein, neue Wege zu beschreiten, wo es sinnvoll schien. Immer wieder die selbstkritische Beschäftigung mit der Frage: Wer oder was ist eigentlich die Jeunesses Musicales? Welche Visionen haben wir? Wofür stehen wir? Wie profilieren wir den Verband? Im Unterschied zu anderen musikalischen Jugendverbänden ist die Zielgruppe der JMD eben nicht so klar festgelegt. Jugendorchester stehen im Fokus, mittlerweile gehören knapp 300 junge Ensembles der JMD als Mitglied an: ein kontinuierlicher Zuwachs im Lauf der letzten Jahre. Aber zunehmend geht es auch um die „musikalische Jugend“ insgesamt. Jahrzehntelang hieß die deutsche Sektion des Weltverbandes genau so, bevor sie den internationalen Namen übernahm. Die Jeunesses Musicales fragt sich – und daraus erwächst eine besondere Qualität ihrer Arbeit – immer wieder nach ihren Zielen, Aufgaben und danach, was das Ideal einer völkerverbindenden Kraft der Musik heute bedeutet und wie es verwirklicht werden kann. Als „bunte Spielwiese“ hat Detlef Hahlweg, viel zu früh verstorbener Präsidiumskollege, die JMD gerne bezeichnet. Als „Bauchladen“ haben wir uns – durchaus kritisch – manchmal selbst gesehen. Beides stimmt, und auch wieder nicht. Immer wieder ist es gelungen, Impulse in der musikalischen Jugendarbeit zu setzen, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, damit kreativ umzugehen und Weichen für Neues, Bleibendes zu stellen.

Musikvermittlung im Fokus

Ein gutes Beispiel dafür ist, um konkret auf die letzten neun Jahre zu kommen, das, was heute gerne als „audience development“ bezeichnet wird. Als die JMD anfing, über „Konzerte für Kinder“ nachzudenken und daraus ein eigenes Projekt machte, sprach noch kein Mensch von Musikvermittlung. 2007, das ist ein Resultat dieser Vorreiterfunktion, war die Jeunesses Gründungsmitglied des bundesweiten „netzwerk junge ohren“, welches sich genau dieses Thema auf die Fahnen schreibt, Akteure miteinander vernetzt, die Diskussion befördert und eigene Projekte initiiert.

Was ist passiert in „unseren“ neun Jahren? Was haben wir geschafft? Worauf sind wir besonders stolz? Ein herausforderndes Projekt war und ist die verantwortliche Führung der Musikakademie Schloss Weikersheim und des dazugehörenden Logierhauses. Von der Regie des Jugendherbergsverbandes 2004 in die der JMD überführt, wurde das Unterkunftshaus in den Jahren 2006 bis 2008 komplett renoviert – unter Weiterführung des laufenden Betriebs. Eine Meisterleistung aller beteiligten Mitarbeiter! Heute zählt das Haus jährlich etwa 30.000 Übernachtungen. Die Musikakademie ist damit komplett in die Leitung durch die Jeunesses übergegangen – mit allen logistischen, organisatorischen, aber auch inhaltlichen Aufgaben, die damit verbunden sind. Seit 2005 darf sich der Gesamtkomplex  „World Meeting Center of Jeunesses Musicales International“ nennen: ein Zeichen der Wertschätzung des Weltverbandes und der internationalen Partner. Die JMD und der kleine hohenlohische Ort Weikersheim sind dadurch noch weltoffener geworden, 2012 waren Sektionsvertreter aus der ganzen Welt zu Gast, um in Weikersheim ihre Jahres-Mitgliederversammlung abzuhalten. Im Übrigen konnten im internationalen Verband viele Positionen innerhalb der Führungsgremien durch deutsche Vertreter besetzt werden. Besonderes internationales Highlight war auch der enge Kontakt zum großen Jugendorchesterprojekt „El Sistema“ in Venezuela und die federführende Rolle, die die JMD bei den Deutschland- und Europatourneen des venezolanischen Kinder- und Jugendorchesters gespielt hat.

Ein Ort für Musik

Fast in logischer Folge der wachsenden Bedeutung des Standorts Weikersheim wurde die Idee einer neuen Stadthalle initiiert und entwickelt. Hier soll ein Ort für Musik und Veranstaltungen entstehen, der für die Arbeit der JMD ganz neue Perspektiven bietet. In enger Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister der Stadt Weikersheim Klaus Kornberger, der die Bedeutung der Jeunesses in Weikersheim von Anfang an erkannt und ihre Arbeit entsprechend unterstützt hat, waren und sind JMD-Vertreter an den Planungsschritten für den neuen Ort für Kultur beteiligt.

Das Stichwort „Oper“ darf nicht fehlen im Rückblick auf die vergangenen Jahre. Nicht, dass das große und renommierte Sommer-Event erst jetzt erfunden worden wäre. Oper gibt es bereits seit 1961 im Weikersheimer Schlosshof. Neue Impulse, neue künstlerische Ideen haben das Projekt in den letzten Jahren zu einem der renommiertesten Förderprojekte des Opernnachwuchses auf europäischer Ebene gemacht. „Es ist der pulsierenden, dynamischen Begeisterung und dem unbedingten Leistungswillen und der Liebe zur Qualität und zu einem authentischen künstlerischen Ergebnis zuzuschreiben, dass die Junge Oper Schloss Weikersheim auch ein festivalverwöhntes Publikum anzieht und begeistert“, gratulierte Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der zum 60-jährigen Jubiläum der JMD 2011 die Schirmherrschaft über den Internationalen Opernkurs übernommen hatte. Mit einem Da -Ponte-Zyklus, dessen letzter Akt im Jahr 2015 noch aussteht, unter der musikalischen Leitung von Bruno Weil, hat das Projekt in der Region bundesweit und international noch an Bekanntheit gewonnen. Ergänzt werden die zweijährlich stattfindenden Aufführungen der Jungen Oper Schloss Weikersheim durch den Europäischen Gesangswettbewerb DEBUT, dessen künstlerische Leitung seit 2010 ebenfalls in den Händen der JMD liegt.

Profil und Rolle

Weitere Dinge wurden bewegt: Eine personelle Umstrukturierung führte zur Schaffung einer neuen Referentenstelle für Kommunikation, die längst überfällig war. Ein neues Corporate Design wurde entwickelt, Profil und Rolle der Landesverbände wurden geschärft, der Bundeswettbewerb „Jugend komponiert“ reformiert.
Zu guter Letzt sei das Projekt genannt, das in den vergangenen Jahren unseren Verband mehr als alles andere verändert hat, „renoviert“ im besten Sinne des Wortes. „mu:v“ steht für „Musik verbindet“, aber auch für die Bewegung, die dem gemeinsamen Musizieren innewohnt. Junge, begeisterte Musiker und Musikfreunde haben den „Spirit von Weikersheim“ entdeckt und innerhalb des Verbandes ihre eigene Initiative gegründet und weiterentwickelt. Die Idee, die das Präsidium gerne aufgegriffen und unterstützt hat: Jugendliche gestalten Inhalte und Strukturen selbst, werden eigenverantwortlich tätig, setzen ihre Ideen um – und lernen dabei auch von den Erfahrungen der „Alten“. Daraus entstanden ist das Bild einer jungen, engagierten Jeunesses, von dem andere Verbände noch träumen.

Nicht zuletzt zeigt sich dies in der insgesamt sehr jungen Neubesetzung des neuen Präsidiums, das gleichzeitig auf erfahrene Kollegen nicht verzichtet. Dass dieses freundschaftliche und kooperative Miteinander, diese partizipative Jugendentwicklung ermöglicht wurde und heute selbstverständlich und in allen Projekten und Gremien gelebt wird in einem Verband, der inzwischen immerhin schon mehr als 60 Jahre zählt, ist sicher eine der größten Leistungen der vergangenen Jahre.

Neun Jahre geschäftsführendes Präsidium, das bedeutet auch: neun Jahre enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Präsidiumskollegen, die gemeinsam für die inhaltliche Weiterentwicklung verantwortlich zeichnen, mit den kompetenten Mitarbeitern im Generalsekretariat und mit einem Generalsekretär Uli Wüster, ohne dessen Mit- und Vorausdenken, ohne dessen kluge und engagierte Führung diese ehrenamtliche Arbeit gar nicht denkbar gewesen wäre. Neubeginn und Kontinuität ist wohl die Überschrift, die über den kommenden Jahren steht. Dafür ist den jetzt Verantwortlichen nur gutes Gelingen zu wünschen. Neben aller „Arbeit“, die das Engagement im Präsidium bedeutete, hat der Spaß immer eine herausragende Rolle gespielt: die Freude an den positiven Entwicklungen, an den sicht- und hörbaren Ergebnissen und an der guten Atmosphäre zwischen den Akteuren. Hier sind echte und dauerhafte Freundschaften entstanden. Dafür gilt es, ein großes Dankeschön auszusprechen. Zum Glück sind wir ja nicht aus der Welt. Denn der „Geist von Weikersheim“ verlässt niemanden, auch wenn er oder sie nun nicht mehr Mitglied im Präsidium ist! 

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