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In den Jazzclub statt auf die Couch

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Interview mit der neu gewählten 1. Beisitzerin der Deutschen Jazz-Föderation, Yvonne Moissl
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Wie die neue musikzeitung in der vorletzten Ausgabe kurz berichtete, hat die Deutsche Jazz-Föderation (DJF), die Interessenvertretung der deutschen Jazzclubs und -initiativen, einen neuen Vorstand gewählt. Zu den Vorstellungen, Zielen und Anliegen der neuen Macher mit Ihno von Hasselt (JazzFest Berlin) an der Spitze und dem 2. Beisitzer Waldo Riedl, sprach Ursula Gaisa mit der 1. Beisitzerin Yvonne Moissl, die mit großem Erfolg das „Weinkulinarische Jazzfestival Palatiajazz“ in der Pfalz managt.

Wie die neue musikzeitung in der vorletzten Ausgabe kurz berichtete, hat die Deutsche Jazz-Föderation (DJF), die Interessenvertretung der deutschen Jazzclubs und -initiativen, einen neuen Vorstand gewählt. Zu den Vorstellungen, Zielen und Anliegen der neuen Macher mit Ihno von Hasselt (JazzFest Berlin) an der Spitze und dem 2. Beisitzer Waldo Riedl, sprach Ursula Gaisa mit der 1. Beisitzerin Yvonne Moissl, die mit großem Erfolg das „Weinkulinarische Jazzfestival Palatiajazz“ in der Pfalz managt.neue musikzeitung: Welche Punkte liegen Ihnen in der Arbeit als Interessenvertretung der Jazzveranstalter am meisten am Herzen?

Yvonne Moissl: Zu meinem Aufgabenbereich zählt die Kommunikation. Und Waldo Riedl betreut die Mitglieder, leitet die Verwaltung und richtet derzeit die Geschäftsstelle in Dortmund ein. Unser Präsident wird sich für Kulturpolitik und andere medienpolitische Jazzkontakte der Szene einsetzen, da er hierfür wohl die besten Verbindungen von uns allen hat. So sind die Aufgaben recht sinnvoll verteilt. Von den Mitgliedern am meisten gewünscht ist die weitere Verbesserung des Informations- und Bildungswesens für die Vereinsmitglieder aus Sicht des Veranstalters. Daher werden wir auch hier einige Schwerpunkte bilden und uns auch noch Partner suchen, die uns unterstützen können.

: Was möchten Sie fortführen, was verbessern?
: Der Vorstand wird das bisherige Konzept der Deutschen Jazz-Föderation auf Wunsch der Mitglieder weiterführen und aktiv ausbauen – es wird eine Veränderung für die interne und externe Kommunikation geben (auch beim Internetauftritt) – die verschiedenen Beratungs- und Service-Dienstleistungen werden mehr ausgebaut und wir werden auch das „Projekt Deutsche Jazzwoche“ weiterführen. Wir suchen auch zur Ergänzung der Aufgabengebiete des Vorstandes noch einen sachkundigen Experten für die Jazz-Szene in den neuen Bundesländern. Gerne würden wir diesen Bereich betreuter sehen, um die Mitgliedschaften besser ausbauen zu können. – Natürlich bleiben wir auch bei der Forumsarbeit zur Reform der Ausländersteuer nach Paragraph 50a im Kielwasser der großen Verbände und des Deutschen Musikrates.
: Gibt es neue Pläne?
: Bei der letzten Mitgliederversammlung wurde auch ganz besonders von den Mitgliedern der Wunsch geäußert, mehr für die Jugend-Jazzkultur zu tun. Es gab einige Vorschläge der Mitglieder, an denen nun gearbeitet wird. Mehr dazu, wenn konkrete Mitteilungen zu machen sind.
: Geht es den deutschen Jazzveranstaltern gut?
: Ich denke, da gibt es unterschiedliche Fälle und man kann das Thema nicht allgemein beurteilen. Sicherlich gibt es Clubs und Festivals, die gut laufen, und andere, die schlecht laufen, – dies ist übrigens in allen Marktebenen so. Es gibt jedoch vielerorts die Beobachtung, dass die Besucherzahlen bei Jazzveranstaltungen zurückgehen...
: Was könnten die Veranstalter besser machen, um mehr Publikum zu bekommen?
: Es liegt nicht immer am attraktiven Programm eines Clubs, um gut besucht zu sein – sondern an der Vielseitigkeit der Attraktionen, verbunden mit weiteren „Wohlfühl-Effekten“. Die heutige Event-Welt mit vielen Freizeitangeboten bietet meist viel mehr, als der Jazzclub oder das Jazzkonzert für sich allein betrachtet. Da haben wir noch einiges nachzuholen oder zu verbessern. Das Publikum der Jazzliebhaber ist auch älter geworden, – wir (!) sind älter geworden und bequemer.

Wenn ich nur mich betrachte: Um mein schönes Heim, meine geliebte Jazzscheibensammlung für ein gutes Konzert zu verlassen, muss es schon ein toller Künstler sein. Wenn es der aber nicht immer ist, weil sich die Clubs das eben auch nicht immer leis-ten können, dann müssen noch weitere Angebote den Aufenthalt im Club als schönen Abend in Aussicht stellen. Dann würden sicher auch mehr Couchpotatoes wieder in die Clubs gehen – oder mehr junge Fans erscheinen –, die etwa bei anderen Veranstaltungen mit unglaublichen Lifestyle- und Highlife-Programmen umgarnt werden. Man muss hierbei auch nicht alles nachahmen – aber Verbesserungen bisheriger Konzepte sind bei Besucherrückgang sicher angebracht. Aufgabe der Veranstalter ist es, mehr zu kommunizieren, mehr Begeisterung zu vermitteln, mehr Zusatzeffekte zu bieten, wie etwa gute Clubatmosphäre, gepflegtes Ambiente, gutes Gastroangebot, sich mehr öffnen, kommunizieren, witzige und preisinteressante Angebote für die Besucher schaffen und damit mehr Öffentlichkeit ansprechen.

: Hat der Jazz für Sie eine Zukunft in Deutschland?
: Alles hat eine Zukunft, wenn man es intensiv betreibt und daran glaubt. Fans entstehen immer dort wo überzeugend gearbeitet wird. Trotzdem müssen wir an vielen Strippen ziehen, damit das Ganze in Bewegung kommt – dazu gehören auch viele überzeugte Mitmacher – nämlich Mitglieder – ohne diese geht die Kulturgesellschaft verloren und jedem gebührt hier größter Dank, der seine Freizeit für einen Verein ehrenamtlich andient...
: Haben Sie eine Vision, ein Wunschbild, wie die Szene eines Tages gestaltet sein könnte?
: Doch einen Wunsch hätte ich schon – es wäre schön, wenn sich die öffentlichen Medien, das heißt Radio, Fernsehen auch mehr für Jazz öffnen würden. Schade, dass für oberflächliche Sendungen – nehmen wir mal die ganzen soaps oder daily shows soviel Geld ausgegeben wird. – Warum gibt es nicht einen Sender, der sich mit ansprechenden Spartenthemen auseinander setzt...
: Was könnte – auch staatlicherseits – getan werden, um dem Jazz und den Verbänden eine größere Rolle innerhalb des Kulturlebens in Deutschland zu verschaffen?
: Hier würde jeder sofort die Hand hochhalten und nach „mehr Förderung“ rufen. Doch mehr Geld für Jazzkonzerte und Festivals, – das ist das eine – das wirklich Entscheidende ist, das schon in den Schulen die Musiklehrer fehlen – zu wenig Musikpädagogen in Deutschland – zu wenig Talentförderung. So kann der Jazz an der Basis nicht wachsen und erfährt keinen Nachwuchs. Schon hier kann der Staat etwas tun und den Musikunterricht an Schulen fördern. So könnte auch in Landeskulturstiftungen eigens für Talentförderung und Auftritte von deutschen Bands ein Fördertopf eingerichtet werden – der nach verschiedenen Kriterien vergeben wird. Ideen gäb es da noch viele mehr, doch meist ist gerade für die Kultur am wenigsten zu verteilen. Was mich auch immer stört, ist, dass unsere wirklich sehr guten deutschen Musiker kaum oder gar keine Chance haben, im Ausland bekannt zu werden. In Amerika kann man nicht ohne Arbeitsgenehmigung als Musiker auftreten, sonstige Auslandsaufenthalte funktionieren nur über Kulturaustausch oder über schwierige Eigeninitiative. Wie sollen die deutschen Musiker an die internationale Spitze kommen, wenn sie im Konkurrenzkampf der internationalen Stars nicht arbeitspolitisch mithalten können? Ich finde, das neue Europa hat hier auch eine Aufgabenstellung – ebenso wie Amerika zu Europa. Dies könnte der Staat unterstützen – etwa durch mehr Projektförderung im internationalen Kulturaustausch.

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