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Into the great wide open

Untertitel
Zum Tod von Tom Petty
Publikationsdatum
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Nein. Tom Petty war nicht meine Generation. Und ich nie seine. Tom Petty ist und war für mich „Into the great wide open“, „I won’t back down“ und „Learning to fly“. Das war mein Einstieg. Meine ersten Bekanntschaften mit ihm. Und sie waren nicht weniger wichtig als all die zu Recht verträumten Nachrufe und Hommagen an sein Leben und Werk, die nach seinem Ableben zu lesen waren. Jeder mit Berechtigung. Jeder mit Stolz. Was mich jedoch für immer mit Tom Petty verbinden wird, sind jene drei Songs. Da ist dieses unfassbar visionäre Video zu „Into the great wide open“.

Selten haben Video und Song so präzise eine Zeit vorhergesagt, die uns seit vielen Jahren bestimmt: Emporkömmlinge, die sich mit einem Hit nach oben schießen und sich mit dem nächsten ausbleibenden Hit ganz unten sehen. In einer Endlosschleife aus Abstieg, Anbiederung und Aufmerksamkeitsbetteln. Das war 1991.

Dann ist da dieses schwere, träge wirkende „I won’t back down“, das doch eher als „Mutmacher“ gemeint war. Dessen Größe ich stets verkannt oder nicht erkannt habe. Erst ein Anderer, wieder aus einer mir fern liegenden Generation, Johnny Cash, machte mich mit seiner Version des Songs darauf aufmerksam, welche Urgewalt in diesem Song schlummert. Lass dich nicht unterkriegen, sei standhaft, bewahre Haltung. Dieses Trio an Ratschlägen hat mich stets begleitet und oft in unbequeme Situationen gebracht. Aber ich konnte mich an Tom Petty aufrichten, wenn viele wieder den Kopf schüttelten, weil da wieder einer ausschert, eine eigene Meinung formuliert, querdenkt, hinterfragt.

Und zuletzt ist da noch dieses erkenntnisreiche „Learning to fly“. Geschrieben während des ersten Golfkriegs. Sinngemäß meinte Tom Petty einst, „dass man natürlich schon immer optimistisch und hoffnungsvoll sein sollte“. Doch das allein würde eben nie ausreichen, um das eigene Leben einfach oder zum Selbstläufer zu machen. Und so ist „Learning to fly“ mein persönlicher Hinweis auf die Eigenheiten des Lebens geworden, auf den Trugschluss, dass man nur genug Hoffnung bräuchte, um alles hinzukriegen. Genau das ist es eben nicht. Wie jeder jeden Tag feststellen kann. Das Glas ist eben halbleer. Und all die Schönwetter-Optimisten fallen umso tiefer, je höher sie versuch(t)en zu fliegen.

Tom Petty war einer meiner Wegbereiter. Ins Leben. In die ehrliche Rockmusik. Und das mit drei Songs. Undenkbar, dass so etwas noch einmal passieren kann. Und deshalb kann jeder Tag nur mit der Einsicht beginnen: „You can stand me up at the gates of hell, but I won’t back down“.
 

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