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„Jedem Kind seine Musikschule“

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Die Zukunft der Musikschulen heißt „Flächendeckung“
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„Wir haben unser Ziel erreicht. In Oberösterreich gibt’s Landesmusikschulen überall im Land in erreichbarer Nähe. Jeder kann hingehen“, verkündete Josef Ratzenböck, ehemaliger Landeshauptmann von Oberösterreich, vor acht Jahren bei einer Arbeitstagung der bayerischen Musikschulen in Erding. Was in Oberösterreich schon längst Wirklichkeit ist, stellt in Bayern die Musikschulvertreter und politischen Entscheidungsträger vor große Herausforderungen. Von mehr als 2.000 bayerischen Kommunen gibt es gerade mal in 850 Städten und Gemeinden öffentliche Musikschulangebote.

Während also im benachbarten Oberösterreich allen Kindern Musikschulunterricht zur Verfügung steht, hat ein Drittel der bayerischen Bevölkerung keinen Zugang zu einer Musikschule.

Jedes Jahr lernen rund 132.000 Kinder und Jugendliche in Bayern ein Instrument oder das Singen an einer der 215 öffentlichen Musikschulen. Sie sind kommunale Bildungseinrichtungen in der Trägerschaft von Gemeinden und Gemeindeverbänden oder von gemeinnützigen Vereinen mit kommunalem Auftrag. Die Musikschulen stehen für ein gemeinsames musikpädagogisches Grundkonzept, für einen frühen Anfang mit vergleichbaren Chancen für alle Kinder, für breit gefächerten Instrumental- und -Vokalunterricht, für Singen und Musizieren in ständigen Ensembles, für geprüftes Fachpersonal, für Laienbildung und Begabtenförderung, für dauerhafte Verlässlichkeit, für Familienfreundlichkeit und soziale Gebührengestaltung. Musikschulen bereichern das kulturelle und gesellschaftliche Zusammenleben.

Neue, rasant wachsende Aufgabenfelder für Musikschulen sind Bildungspartnerschaften mit Schulen in der Nachmittagsbetreuung und im Ganztagsbetrieb. Bereits jetzt leisten öffentliche Musikschulen beispielhafte Vernetzungsarbeit mit Kindergärten und Schulen, mit Laienmusikvereinigungen, Kirchen und der Erwachsenenbildung. Voraussetzung dafür ist, dass es Musikschulen überhaupt gibt.

Flächendeckung

„Das Ziel eines flächendeckenden Musikschulnetzes liegt noch in weiter Ferne“, so der Präsident des bayerischen Musikschulverbandes, Altlandrat Hanns Dorfner. „Doch die Zukunft der Musikschulen in Bayern heißt ,Flächendeckung‘.“ Bis dahin müssten weitere Musikschulen gegründet und vorhandene ausgebaut werden.

In kleineren Gemeinden könnten Außenstellen eingerichtet werden, die sich bisher noch an keinem musikalischen Unterrichtsangebot beteiligt haben. Das allerdings setze voraus, dass im ländlichen Raum wie in größeren Städten und Gemeinden auch der grundsätzliche Unterrichtsaufbau, der bei den Grundfächern beginnt und über den Instrumental- und Gesangsunterricht bis zur Ensemblearbeit reicht, gewährleistet bleibt.

Kommunen, die eine Musikschule unterhalten, könnten Schüler aus benachbarten Orten aufnehmen. Städte, Gemeinden und Landkreise sollten zusammenarbeiten und ihren Bürgern ein überörtliches Angebot musikalischer Bildung zur Verfügung stellen. Sie könnten gemeinsam den Musikschulunterricht planen, das Lehrpersonal teilen und ausreichend Instrumente anschaffen. Wünschenswert wäre, dass die Landkreise als Träger der Musikschulen mitwirken, da laut Dorfner die Gemeinden so erfahrungsgemäß noch stärker eingebunden wären.

Ein flächendeckendes musikalisches Bildungsangebot entstünde auch zusehends durch die enge Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen, so Dorfner. Besonders in der musikalischen Grundausbildung, in der Chorarbeit oder beim Musizieren in Instrumentalklassen, würden viele Schüler erreicht. Im Vorschulbereich sei es dringend notwendig, die Wege für die Kinder zu verkürzen.

„Jedem Kind seine Musikschule“ bedeute vor allem, so Dorfner, dass alle Kinder zum Musikunterricht kommen, ohne lange Fahrtzeiten auf sich nehmen zu müssen. Grundsätzlich müsse jedes Kind die Möglichkeit haben – wenn es will – ein Instrument oder das Singen zu lernen. „Für Eltern muss der Instrumentalunterricht in jedem Falle bezahlbar sein. Deshalb haben wir ein soziales Ermäßigungssystem, das wir zukünftig ausbauen wollen“, betont der Präsident.

Freilich sei es in erster Linie die Aufgabe des Staates, ein flächendeckendes Musikschulnetz zu schaffen, weil Kommunen nur für ihren Aufgabenbereich handeln können, erklärt Dorfner. Der Staat habe bereits die gesetzlichen Rahmenbedingungen gesteckt, wie zum Beispiel die Sing- und Musikschulverordnung. Aber auch die landesweite Vergleichbarkeit des musikalischen Bildungsangebots, die Zugangsoffenheit für alle Bürger sowie integrierte Bildungskonzepte in Kindergärten und Schulen sind Sache des Staates. „Deshalb fordern wir eine angemessene finanzielle Beteiligung des Freistaats an der grundsätzlich kommunalen Aufgabe Musikschule.“

Derzeit liege der Bevölkerungsanteil, der über ein Musikschulangebot verfügt, bei etwa 65 Prozent. „Unser Plan zum Ausbau der Musikschulen in Bayern sieht eine Anhebung auf 90 Prozent vor“, so Dorfner. Der Plan des Musikschulverbandes, mit dem sich das Wissenschaftsministerium bereits beschäftigt, enthält einen Stufenplan, wie der staatliche Förderanteil an den Lehrpersonalausgaben für die Musikschulen erhöht werden kann (siehe Kasten). Präsident Dorfner: „Seit Jahrzehnten gilt die Zielmarke von 25 Prozent der Lehrpersonalausgaben. Dieses Ziel zu erreichen, setzt den gemeinsamen politischen Willen des Freistaats und der kommunalen Spitzenverbände voraus.“ sl

Der Stufenplan des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen zur Erhöhung des staatlichen Anteils an den Lehrpersonalausgaben als Voraussetzung für den parallel nachfolgenden Ausbau der öffentlichen Musikschulen geht von folgenden Annahmen aus:

  • Erhöhung des Finanzanteils durch den Freistaat ab 2009 sukzessive von 10,8 Prozent der Lehrpersonalausgaben (2008) auf 25 Prozent (2014).
  • Ab 2011 Anhebung des Bevölkerungsanteils mit Musikschulangebot durch Ausbau und Neugründungen von Musikschulen sowie durch Einbindung weiterer Gemeinden in bestehende Musikschulen sukzessive von 65,6 Prozent (2008) auf 90 Prozent (2016).
    Quelle: VBSM

 

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