Hauptbild
Glocken Requiem Dresden 2005 – Widmung:
Glocken Requiem Dresden 2005 – Widmung:
Banner Full-Size

Johannes Wallmanns „Glocken Requiem 2005“ wird in Dresden uraufgeführt

Publikationsdatum
Body

Am 13. Februar richten gleich mehrere Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren Fokus nach Dresden, auf den 60. Jahrestag der Zerstörung der Elbestadt. Überträgt Arte, wie auf Seite 4 berichtet, Giuseppe Verdis „Messa di Requiem“ live aus der Semperoper oder das MDR Fernsehen den Gedenkgottesdienst aus der Kreuzkirche, so will sich „Figaro“, das Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks, in den öffentlichen Raum der Elbestadt begeben.

Die Konzert- und Gottesdienstbesucher, die am Abend des 13. Februars das Opernhaus oder die Kreuzkirche verlassen, könnten ein weiteres Hörerlebnis im Umfeld der drei großen Innenstadt-Kirchen wahrnehmen. Der Komponist Johannes Wallmann befindet sich derzeit in Verhandlung mit der Stadt Dresden, um sein Projekt dem Hörer in ähnlicher Art und Weise wie bereits vor zehn Jahren zugänglich zu machen. Und nicht wenige werden sich an dieses Ereignis erinnern: 1995 nämlich erklang Johannes Wallmanns „Glocken Requiem Dresden“ anlässlich des 50. Jahrestages der Zerstörung der Stadt.

Seinerzeit waren 47 Geläute der gesamten Stadt Dresden mit insgesamt 129 Glocken in die Komposition eingebunden. Die in Sekundenschritten auskomponierte Partitur wurde von circa 90 Mitwirkenden, die die Läutewerke bedienten, auf der Grundlage von Funkuhrkoordination umgesetzt. Über elektronische Wandler und Telekom-Leitungen wurden die live erzeugten Klänge zu einem zentralen Mischpult in die Musikhochschule Dresden geführt, dort zur Rundfunkfassung abgemischt und durch (damals noch) MDR Kultur, DeutschlandRadio sowie BBC London live übertragen.

Zeitgleich wurden im Umfeld der Frauenkirche Hörareale über Lautsprecher beschallt. So wurden mittels elektroakustischer Übertragung weit voneinander entfernte Glockenklänge zu einem Orchester verbunden. Das Gesamthörbild der Rundfunkfassung wurde zusätzlich auf CD festgehalten. Diese Aufnahme hat Johannes Wallmann nun zur Grundlage genommen, um eine erweiterte Stadtklang-Komposition, das „Glocken Requiem 2005“, zu schaffen. Ein leichtes Unterfangen war dies für den Komponisten allerdings nicht und bedarf eines Exkurses in die Vorgeschichte des Werkes.

Die zunehmende Globalisierung verlangt eine zunehmende Verständigung der Kulturen und Religionen. Da Wallmann von jeher ein unangepasster Mensch ist, dem das Geschehen in der Welt keineswegs gleichgültig ist und der in seiner Arbeit keinen Stillstand duldet, entschloss er sich, sein „Glocken Requiem Dresden“ zu erweitern und der aktuellen politischen Lage anzupassen. In der ursprünglich geplanten Originalfassung 2005 sah er vor, die Komposition für 129 Glocken von 1995 erneut von CD erklingen zu lassen und diese durch drei Chorgruppen sowie die inzwischen installierten Glocken der Frauenkirche zu ergänzen. Die Standorte der in Deutsch, Hebräisch und Hocharabisch singenden Chorgruppen sollten die Frauenkirche, die neu erbaute Synagoge und das Islamischen Zentrum der Stadt Dresden sein.

Wallmanns Konzeption sah vor, das „Glocken Requiem 2005“ in den öffentlichen Raum Dresdens am 13. Februar live zu übertragen. Zwischen den Requiem-Teilen mit den Glockenklängen sollten sich Hörfenster öffnen, in denen die Chorgesänge mit Texten aus dem christlichen Alten Testament, dem jüdischen Schmone Esreh (18-Bitten-Gebet) und dem islamischen Koran erklingen. Die Komposition beginnt und endet in Hebräisch/ Deutsch/Hocharabisch mit folgendem Text, den die 15-jährige Anne Frank 1944 vor ihrer Deportation nach Auschwitz formulierte: „Solange die ganze Menschheit, ohne Ausnahme, keine Metamorphose durchläuft, wird Krieg wüten und alles, was gebaut, gepflegt und gewachsen ist, wieder abgeschnitten und vernichtet…“

Auf diese Metamorphose kommt es Johannes Wallmann an. Trotzdem betont er, dass das Glockenrequiem zwar auf die gemeinsamen Wurzeln der drei monotheistischen Religionen verweist, aber eindeutig der christlichen Kultur entstammt. Dieses Konzept wollten die Evangelisch-lutherische Landeskirche Sachsens und das Bistum Dresden-Meißen nicht mittragen. Wallmanns Anliegen, der islamischen und jüdischen Kultur als „Geschwister“ der christlichen Kultur im „Glocken Requiem 2005“ eine Stimme zu geben, drohte am Widerstand der christlichen Kirche zu scheitern und zeigt, wie schwierig es ist, an Lessings Ringparabel anzuknüpfen. Nach über 230 Jahren der Entstehung des „Nathan“.

Für Wallmann war dies kein Grund, sein Vorhaben aufzugeben. So konnte er den Kulturpalast der Stadt Dresden als Aufführungsort gewinnen und da die Komposition so angelegt ist, dass sie auch als Raumklang-Komposition aufgeführt werden kann, wird das „Glocken Requiem 2005“ nun dort zu erleben sein. Am Abend des 12. Februar 2005 werden die Klänge der drei im Raum positionierten Chorgruppen gemeinsam mit den Glockenklängen als Gesamtwerk uraufgeführt. Unter der Leitung von Wolfgang Seeliger wird der Konzertchor Darmstadt den Gangspart übernehmen. Er ist dafür bekannt, anspruchsvolle Projekte in kürzester Zeit zu realisieren. In Dresden hat der international gefragte Konzertchor eine 220 Seiten umfassende, 36-stimmige Chorpartitur zu bewältigen.

„Figaro“, das Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks, wird die Uraufführung aufzeichnen und einen Tag später – zum eigentlich geplanten Uraufführungstermin – senden. Sollte es Johannes Wallmann gelingen, die Verantwortlichen der Stadt zur Schaffung von Hörarealen zu gewinnen, wird die Rundfunksendung im Umfeld zwischen Frauenkirche, Schlosskirche und Kreuzkirche ausgestrahlt, und die Dresdner kommen so doch noch zu ihrem Hörerlebnis. Ein besonderer Simultanklang wird zu hören sein, wenn zwischen 21.45 und 22.00 Uhr das Geläut der traditionellen Gebetsglocken – alle Dresdner Kirchenglocken erinnern alljährlich am 13. Februar an den Beginn der Bombardierung – zur Rundfunkübertragung hinzukommen. In diesen 15 Minuten werden in der Komposition keine Texte in hebräischer oder hocharabischer Sprache zu hören sein. Für die Übertragung setzt dies ein genaues Timing voraus. Um 21.00 Uhr beginnt eine Einführung in Wallmanns Komposition in Form eines Features. Pünktlich um 21.24 Uhr beginnt die Ursendung, die eine Stunde und einundzwanzig Minuten dauert.

Noch im Jahr 2005 wird eine limitierte Subskriptionsauflage des „Glocken Requiem 2005“ auf CD erscheinen. Und der Konzertchor Darmstadt soll durch Nachaufführungen das Werk in zahlreichen deutschen und europäischen Städten bekannt machen.

www.glockenrequiem.de

Radio- und Fernsehtipps

  • Das Verdi-Requiem () wird am 13.2.2005, 19.00 Uhr live auf Arte übertragen. Es spielt die Sächsische Staatskapelle, es singt der Staatsopernchor. Solisten sind Norma Fantini, Sopran, Mariana Pentcheva, Mezzosopran, Giuseppe Sabbatini, Tenor und Andrea Papi, Bass. Die musikalische Leitung hat Daniele Gatti. Der Gewinn der anschließend an die Aufführung produzierten DVD, soll den Opfern der Flutkatastrophe in Asien zugute kommen.
  • Konzertanten Fassung des „Glocken Requiem 2005“ am 12.2.2005, 22.30 Uhr, Kulturpalast Dresden/Raumklang-Konzert mit Konzertchor Darmstadt, Ltg.: Wolfgang Seeliger

    Sendetermine

  • DeutschlandRadio: 12.2.2005, 22.00–22.30 MusikFeuilleton „Projekt Stadtklang-Komposition“. Das „Glocken Requiem 2005“ von Johannes Wallmann. Mit Ruth Jarre.
  • MDR-Figaro: 13.2., 21.00–22.45 Uhr Feature von Renate Richter und Ursendung des „Glocken Requiem 2005“

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!