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Klanglandschaften, Grals-Räume

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Höhepunkte beim 29. Festival „Zeit für Neue Musik“
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Gibt es ausverkaufte Konzerte mit zeitgenössischer Musik? Ja, und das in Bayreuth! War der restaurierte Gartensaal in Wagners Villa Wahnfried der Publikumsmagnet? Oder waren es die neuen Gralsglocken der Klaviermanufaktur Steingraeber? Bei den vier „Glocken“ handelt es sich um starke, umsponnene Klaviersaiten, die mit einem groß dimensionierten Schlägel angeschlagen werden. Wolfram Graf, der Mitinitiator des Festivals, hatte für dieses Instrument fünf Intermezzi für Saxophon und Klavier komponiert, eine hervorragende Werbung für das Anliegen der Neuen Musik. Das zum größeren Teil zunächst reservierte Publikum erzwang einige „Vorhänge“.

Weitere Kompositionen von Helmut Bieler, Paul Bonneau, Karel Reiner und Horst Lohse, von Wolfram Graf am Klavier und Johannes Neuner souverän auf den verschiedenen Instrumenten der Saxophonfamilie vorgestellt, vervollständigten das anregende Programm. Ein Eisbrecher für die zeitgenössische Musik!

Einen weiteren Höhepunkt der Konzertreihe gab es mit Werken von Leopold van der Pals, Arnold Schönberg und Wolfram Graf. Überzeugend war auch das hervorragende VirtuaString- Quartet aus Kopenhagen mit den Interpreten Gordan Trajkovic, Frederik Burstedt, Markus Falkbring und Tobias van der Pals. Sie schufen mit ihrem hochemotionalen Spiel eine spannungsgeladene Atmosphäre. Sowohl die Streichquartette von Leopold van der Pals, als auch das Streichquartett Nr. 2, op. 10 von Arnold Schönberg vermittelten „Planeten-Luft“, wie der Titel des Abends versprach. Wolfram Grafs Klavierquintett „Bewegungen“ wurde von den dänischen Musikern und dem Komponisten am Flügel überzeugend dargeboten. Das technisch überaus schwierige Streichquartett von Schönberg führte die Sopranistin Marie Schmalhofer mit den Texten von Stefan George als fünfte Stimme in quasi kosmische Dimensionen. Eingangs würdigte Wolfram Graf den Komponisten van der Pals mit kenntnisreichen Erläuterungen zu dessen Biografie. „Gedanken- Bilder“ im Richard-Wagner- Saal der Musikschule verhießen ungebremste Kreativität.

Max Regers 100. Geburtstag war ein willkommener Anlass, mit sieben Liedern aus seinen „Schlichten Weisen“ op. 76 für Sopran und Klavier (Marie Schmalhofer und Helmut Bieler) des Jubilars zu gedenken. Bieler steuerte mit „Epitaph – Gedanken an Reger“ aparte Klavierklänge bei. Die Psychogramme von Achim Bieler, neun fünfminütige Filmsequenzen mit verstörenden Bildern, ließen das Publikum allerdings etwas ratlos zurück. Das Ensemble Musica Viva (herausragend Bernd Kremling – Percussion) gab sich redliche Mühe, die Bilder musikalisch zu illustrieren. Ulrike Bielers Texteinwürfe vermochten nicht, die Überlänge der Filmsequenzen zu kompensieren. Mit Helmut W. Erdmanns knapp gehaltenem „Stress III“ konnten die Instrumentalisten wieder versöhnen. Die „Klangspuren“ brachten eine Wiederbegegnung mit dem bescheiden auftretenden Altmeister Werner Heider mit eigenen Werken am Klavier. Ein aufschlussreiches Gesprächskonzert, das wiederum ohne die vielfältige Unterstützung der singulären Konzertreihe durch den treuen Mäzen Udo Schmidt-Steingraeber nicht möglich gewesen wäre. Bei der Klaviernacht hatten Moritz Ernst und Michael Kuhn Werke von Peter Eötvös, Alfredo Casella, Eduardo Bruni und anderen auf dem Programm. Anregend war das durchweg virtuose, auch aggressive Spiel neben zarten und besinnlichen Klängen. Ein inzwischen etabliertes Genre, nämlich Musik zu Stummfilmen von Charley Chase, realisierte Christoph Wünsch auf dem Klavier anhand eines auskomponierten Parts mit Unterstützung durch CD und Elektronik. Entspannt boten Anja Weinberger (Flöte) und Marina Palmer-Wulff (Klavier) zum Abschluss des 29. Festivals „Zeit für Neue Musik“ Werke von Roland Leistner- Mayer, Michael Starke, Helmut Bieler und anderen.

Das Thema „Romantische Moderne“ enttäuschte nicht. Sphärische Klänge, liebliche Naturschilderungen und schelmische Episoden ließen den Zuhörern Zeit und Muße zu genießen. Mit Sigfrid Karg-Elerts Scherzo wurden die Zuhörer wohltemperiert gestimmt entlassen.

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