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Kolumne

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Tonkonserven überall
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Sicher kennen Sie das auch. Sie sitzen in einem schönen Restaurant, freuen sich auf ein unterhaltsames Gespräch, genießen das schöne Ambiente und plötzlich hören Sie mehr oder weniger dezent Töne aus einem Lautsprecher oder anderen technischen Errungenschaften zur Musikbeschallung.

Was soll das?

Ich frage mich: Was soll diese Musik eigentlich? Den Appetit anregen – das Mithören am Nebentisch eindämmen – die Leere des Lokals vergessen lassen oder vielleicht sogar schlechtes Essen übertönen? Wir werden inzwischen fast überall akustisch berieselt und keiner fragt uns, ob wir das tatsächlich wollen. Tonkonserven sind zu einem scheinbar unentbehrlichen Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Denken wir doch nur an die Zwangsberieselung in den Fahrstühlen und Kaufhäusern, denen man kaum entkommt.

Das ist aber noch harmlos gegen die Horden an den U-Bahn-Haltestellen in einigen unserer Großstädte, die uns mit ihren zittrigen Flöten-Ständchen oder Tangos zwischen Himmel und Hölle auf dem Akkordeon bespielen. Hat die klassische Musik das verdient, dass man sie für solche Zwecke missbraucht? Klassische Musik braucht engagierte Interpret*innen, willige Hörer*innen und vor allem einen geschützten Rahmen, damit sich die Wirkung entfalten kann.

Gespräche statt Lärm

Ich mag zum Beispiel auch keine Steh-Apéros, welche mit einer überlauten Band bespielt werden, die es unmöglich machen, Gespräche zu führen, außer man schreit sich an und strapaziert seine Stimmbänder. Ein beglückendes Zusammenspiel von Küche und Musik wäre schön. In der Spitzengastronomie gibt es dafür Beispiele. Heston Blumenthal, ein britischer Edel-Gastronom serviert seinen Gästen Seafood mit einem iPod, der Muschelrauschen beim Verzehr von Muscheln hören lässt.

Will man das wirklich? Für mich ist das schwer vorstellbar. Dafür hat mir mein Sohn erzählt, dass er nun immer freitags Pizza mit seiner Partnerin backt und das Essen mit den neapolitanischen Volksliedern von Luciano Pavarotti zelebriert. Der Sänger ist bei diesen Aufnahmen voll in seinem Element, seine Stimme kommt laut Aussage meines Sohnes großartig zur Geltung und lässt die Sonne aufgehen.

Diese Aufnahmen eignen sich tatsächlich auch als Hintergrundmusik zum italienischen Essen, zum Cabrio fah­ren – und wer sich traut, darf auch mitschmettern. Also war ich vielleicht doch zu kritisch. Vermutlich ist es gerade bei spezieller Küche interessant, entsprechende Musik einzuspielen, wie zum Beispiel das Gitarrenspiel zur saftigen Paella, orientalische Klänge beim türkischen Drehspieß, fernöstlicher Gesang beim Roten Thai Curry und natürlich Kuhgebimmel beim Schweinsbraten. In diesem Sinne lassen Sie es sich schmecken – mit oder ohne Tonkonserven.

Ihre Andrea Fink

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