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Kolumne

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Leuchtturmprojekte und Basisarbeit
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[…]Die einen planen im globalen Wettbewerb und verplanen sich bisweilen wie in Hamburg um circa 400 Millionen, und die anderen, die beispielsweise mit viel Energie und Idealismus Kinder zur Musik hinführen, halten sich nur notdürftig finanziell über Wasser […]

Bedeutende künstlerische Leistungen sind oft auch mit Grausamkeiten verbunden. Die ägyptischen Pyramiden wurden von Sklaven gebaut, die mittelalterlichen Kathedralen bedeuteten für die Bauhütten Schwerstarbeit. Die so entstandenen architektonischen Meisterwerke gelten bis heute als kulturelle Leuchttürme ihrer Epoche. Vielleicht wird auch die Elbphilharmonie in Hamburg einmal  ein solcher Leuchtturm sein, und die Nachwelt wird sich nicht mehr erinnern, dass sie anstelle der geplanten 77 Millionen 476 Millionen Euro gekostet hat.
Gewiss gibt es heute keine Sklaven mehr. Aber zwischen solchen Leuchttürmen und dem Geld, das für kulturelle Basisarbeit, etwa für Bildung, für regionale Kultur, für kulturell-soziale Projekte, zur Verfügung steht, wird die Schere immer größer. Die einen planen im globalen Wettbewerb und verplanen sich bisweilen wie in Hamburg um circa 400 Millionen, und die anderen, die beispielsweise mit viel Energie und Idealismus Kinder zur Musik hinführen, halten sich nur notdürftig finanziell über Wasser.
Wie viele Musikpädagogen hätte man mit den 400 Millionen, welche die Hamburger Elbphilharmonie mehr kostet, unterstützen können! Der Tonkünstlerverband Bayern hat es einmal ausgerechnet: Würde man jedem freiberuflichen Musikpädagogen einen jährlichen Zuschuss pro Schüler von 50 Euro (als Zuschuss für Raummiete, Instrumentenbeschaffung etc.) geben, würde das in Bayern ca. 2,6 Millionen Euro jährlich kosten. Die Mehrkosten der Elbphilharmonie hätten also ungefähr 183 Jahre dafür gereicht.
Um die Jahreswende sagte Horst Seehofer zu, dass München einen neuen Konzertsaal erhalten soll. Ohne Frage, das Rundfunksymphonieorchester benötigt einen seiner hohen künstlerischen Qualität angemessenen Konzertsaal in München. Wenn Horst Seehofer außerdem verspricht, auch die Region kulturell zu unterstützen, nämlich konkret die Hofer Symphoniker aus ihrer finanziell schwierigen Situation zu befreien, lässt dies die Hoffnung zu, dass in Bayern ein Gespür für die Balance zwischen Leuchtturmprojekten und Basisarbeit vorhanden ist. Der neue Konzertsaal muss ja nicht auch ein Millionengrab werden, und es könnte auch langsam aber stetig das Verständnis der Politik und Gesellschaft dafür wachsen, dass Weltklasseorchester wie das des Bayerischen Rundfunks auch ein Publikum benötigen, das in die Konzerte geht. Und dafür ist musikalische Bildung notwendiger denn je. Die Musikpädagogen, die sie Tag für Tag leisten, sollten nicht zum Prekariat gehören, sollten Geld für ihre Alterssicherung haben und ihre Familie gut ernähren können. Darin sollte sich die Kultur eines demokratischen Staates von früheren, feudalistischen Zeiten unterscheiden.

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