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Titelseite der nmz 2017/12.
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Theo Geißler über das Tun und Lassen von Kulturberatern
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Unsere deutsche Kultur verfügt über einen reichen Sprichwort-Schatz teils ambivalenter, teils zweifelhafter Brauchbarkeit. Als Einstiegs- oder Ausstiegsphrasen allfälliger Sonntagsreden sind Sprichwörter nach wie vor gerade bei älteren Semestern beliebt. Vielleicht wegen ihres vermeintlichen Objektivierungs-Potenzials. Hin und wieder wandelt sich ihr vermeintlich ursprünglicher Sinn auch ins Gegenteil. Nehmen wir mal die gern genutzte Phrase: „Guter Rat ist teuer“. Einst in bescheideneren Zeiten geradezu ein Ausdruck von Hilflosigkeit.

Das hat sich de facto gründlich geändert. In den technisch, politisch und auch kulturell wild wuchernden letzten drei Jahrzehnten öffneten sich vor allem auch aus ökonomischer ­Sicht sehr hinderliche gesellschaftliche Kluften, die – je nach Breite oder Tiefe – den Einsatz von Kleister oder Brückenbögen ratsam scheinen ließen. Die Ära der Berater war angebrochen. Zunächst vor allem für die Bereiche produzierendes Gewerbe, Banken und Versicherungen. Als Dolmetscher zwischen unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen, als Konflikt-Klitterer, als Kommunikations-Profis trugen sie in unterschiedlichsten Betrieben mit unterschiedlichsten Methoden zu höherer Effizienz und milderem Klima bei – oder versuchten solches zumin­dest. Gelegentlich guter Rat gegen sehr gutes Geld.

Was lag in Zeiten sogenannter Sparzwänge gerade der öffentlichen Hand näher, als solche Rentabilitäts-Kompetenz auch zur Beschneidung von vermuteten Auswucherungen im Kultur- und im besonders aufwändigen Musikbetrieb einzusetzen. Gleich nach der sogenannten Wende wurden als uneffektiv, unrentabel und überkommen diagnostizierte Theater, Orchester und Musikschulen durch Fusion oder Schließung rabiat von kleinen Kulturbiotopen hin in kostengünstigere Monokulturen gezwängt.

Um sich nicht unbeliebter als nötig zu machen, schalteten Kultusminister, Kämmerer aber auch diensteifrige Intendanten gern aus industriellem Boden gesprossene Kultur-Beraterfirmen gewissermaßen als Stoßdämpfer ein. Zunehmende Versteppung – siehe Mecklenburg-Vorpommern oder auch Thüringen – in Kauf nehmend, waschen so Politik-Pilatusse ihre Hände in Unschuld – und wundern sich über eine zunehmende Verblödung und Brutalisierung hierzulande. Guter Rat ist teuer, gute Kulturförderung und Bildung wären die richtigen Mittel gegen solche „Hilflosigkeit“.

Wie unsere kleine Umfrage in dieser Ausgabe (Seiten 20–21) belegt, gibt es keinen Grund für ein pauschales Kulturberatungs-Bashing. Das wäre allenfalls angebracht, wenn sich die entsprechenden Firmen einseitig vor den Karren ihrer jeweiligen Auftraggeber spannen ließen. Vorsicht­ ist jedenfalls geboten, denn „Auf dem Weg, den viele gehen, wächst kein Gras“ (deutsches Sprichwort). Und weil gerade zarte Pflänzchen die Zukunft unserer kulturellen Verfasstheit bilden, hat jeder „gute Rat“ sensibel, individuell abgestimmt und vor allem kunstaffin zu sein. Da darf man ruhig mal in die Hand beißen, die einen füttern will … (Verdrehung eines deutschen Sprichwortes).

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