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Impressionen von TEDxAldeburgh, der ersten Tochterveranstaltung der kalifornischen Mammut-Konferenz TED, die sich im englischen Aldeburgh ausschliesslich musikalischen Themen widmete. Foto: Jana Chiellino.
Impressionen von TEDxAldeburgh, der ersten Tochterveranstaltung der kalifornischen Mammut-Konferenz TED, die sich im englischen Aldeburgh ausschliesslich musikalischen Themen widmete. Foto: Jana Chiellino.
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Komponieren, hören, tauschen und kaufen in der Zukunft

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Bericht von der ersten TEDx Konferenz zum Thema Musik in den Snape Maltings von Aldeburgh
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Das kalifornische TED ist mittlerweile eine globale Bewegung, die „Ideen, die Aufmerksamkeit verdienen“ aus den Bereichen Technologie, Entertainment und Design verbreitet und dafür Mitstreiter wie Al Gore oder Bill Clinton gewinnen konnte. Die erste, ausschliesslich der Musik gewidmete Veranstaltung war nun bei Aldeburgh Music an der englischen Ostküste zu Gast.

Die verschwiegene Landschaft am Fluss Alde, die das in der englischen Grafschaft Suffolk gelegene Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum Snape Maltings umgibt, scheint einsam und fast vollständig verlassen und somit wie maßgeschneidert für musikalische Kontemplation. Ein idealer Ort also für die TEDx Aldeburgh, eine Konferenz, die in diesem Jahr zum ersten Mal stattfand, die sich jedoch als jährliches Event etablieren könnte. Ihre Veranstalter haben es sich zur Aufgabe gemacht, über die Zukunft der Musik nachzudenken. Sie analysieren, wie Musik von morgen klingen und wie sie geschrieben, aufgeführt, rezipiert und vertrieben werden könnte.

Jeder der Referenten auf dieser ganz besonderen TEDx, die man als die Graswurzelausgabe der weltweit stattfindenden Technology, Entertainment, Design-Konferenzen (TED) bezeichnen könnte, hat in seiner beruflichen Laufbahn Wege beschritten, die in bislang unerforschtes musikalisches Territorium vordringen. Wie zum Beispiel David Toop, der in seinen Arbeiten über Klang und dessen Rezeption schreibt und der die Zukunft der Musikrezeption als ‚Fiktion‘ versteht, die unerreichbar und nicht erforschbar ist. Oder der in Boston ansässige Komponist und Vorkämpfer Tod Machover, der die Ergebnisse seiner 25-jährigen Forschungen am MIT Media Lab vorstellte. Oder die mit dem Grammy Award ausgezeichnete britische Sängerin Imogen Heap, die von ihrem cleveren, auf dem Internet basierenden Ansatz berichtete, in dem Session-Musiker online aus einem Fanpool ausgewählt werden und wo Twitter-Anhänger die Pressemitteilung für ihr neuestes Album schreiben. Allerdings gab es auch eher frustrierende Momente. Nämlich dann, wenn die Gesprächspartner in disparater und oft egozentrischer Manier versuchten, sich gegenseitig den Rang abzulaufen und ihre eigenen Ansprüche an der unvorhersehbaren Zukunft der Musik anzumelden. Es wurde viel geredet über apps und gadgets, über brand tie-ins und neue Technologien, aber häufig fehlte es an wirklicher Substanz. Und so schien zwar Machover die klarste Vision zu haben, als er seine neuen Technologien vorstellte, mit denen auch der Amateur seine ganz persönliche Oper kreieren könne. Doch kam der Zuhörer nicht umhin, sich zu fragen, wer – außer dem Schöpfer selbst – diese Oper wohl hören wolle. Und so waren die interessantesten Momente die, in denen Wege aufgezeigt wurden, die die Menschen zusammenbringen statt sie zu isolieren. Überzeugend waren die wegweisenden Ansätze des aus London stammenden audio-visuellen Kollektivs United Visual Artists und ihre wirklich spannenden und grenzüberschreitenden Weiterentwicklungen in der Bühnenvisualisierung für Massive Attack und JayZ. Das Gleiche galt für Nick Ryans Arbeiten, die auf individueller Erfahrung basieren, wie zum Beispiel akustische, von Hand bediente Computerspiele. Denn, ist Musik nicht vor allem eine einigende Kraft?!

Obwohl es TEDx um Zukunftslösungen und -entwicklungen ging, gab es auch Verbindungen zur lokalen Vergangenheit. Der aus Los Angeles stammende Thomas Dolby, der in der 1980ern vom Synthpop-Star zum Unternehmer für digitale Musik wurde und der auf der Konferenz den Vorsitz führte, erzählte von seinem Urgroßvater Newson Garrett, der das Veranstaltungszentrum  Snape Maltings erbaute, und von seiner Großmutter, die Benjamin Britten in den ersten Jahren des Aldeburgh Festivals als Assistentin zur Seite stand.

Das Aldeburgh Festival-Projekt wurde im Jahre 1948 von Benjamin Britten und Peter Pears ins Leben gerufen. 1967 wurde die leer stehende Gersten-Mälzerei zu seinem ständigen Veranstaltungsort, und es entstand Aldeburgh Music. Brittens Ideal war es, Grenzen niederzureißen, sich abzukehren von der Exklusivität der Avantgarde-Musik und den Strukturen des klassischen Musikbetriebs, die den Menschen den Zugang zur Musik verwehren.

Das Inspirierendste des Konferenztages war die Tatsache, dass Vieles, was angesprochen wurde, sich bereits in der offenen Konzeption von Aldeburgh Music und Faster Than Sound widerspiegelte. Aber TEDx zeigte auch auf, dass die Diskussion über die Zukunft der Musik eine komplizierte Angelegenheit ist. Das positive Fazit lautet: Die Diskussion hat begonnen – und wird hoffentlich von TEDx und anderen weitergeführt werden.

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