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Kultureller Tiefpunkt...

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Zu Martin Hufners Cluster „Die Aktie Mensch“, nmz 4/00, S. 4
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Ich sehe – selbst Musiker klassischer Ausbildung und Prägung –, dass wir in einer Welt der Widersprüche leben, und es hat für mich ganz den Anschein, als ob wir diese noch ein gut Stückes Zeit weit werden aushalten müssen. Oskar Lafontaine mag ja sicher ein sensiblerer Typ als der Kanzler aller Autos sein, aber sein Bekenntnis wie das von Ihnen erwähnte (Herz links und so weiter) liest sich angesichts seiner persönlichen finanziellen Situation eher wie eine Glosse auf die Arbeiterschaft. Mit so einer Rente kann der Abschied aus der Politik nicht so schwer fallen, armer roter Oskar. Ich selbst habe nun gottseidank auch kapiert, dass ich ohne Aktien nie zum Steinway komme, und ich erhebe verdammt noch mal Anspruch darauf, trotz all der unsauberen Geschäfte, die in jeder Mark unseres Portemonnaies mit drinhängen, ein anständiger Mensch bleiben zu dürfen. Auch Musiker nehmen teil an einer Weltwirtschaft mit all ihren Schattenseiten wie Waffenhandel und Kinderarbeit.

Ich teile voll und ganz Ihre Meinung über Stefan Raab als den derzeitigen kulturellen und televisionären Tiefpunkt in Europa. Sie kritisieren, dass man, indem man Aktien von seinem Vertriebskonzern Infinion erwirbt, sich selbst dadurch gewissermaßen zum Teilhaber des geistigen und moralischen Verfalls macht. Ich sehe – selbst Musiker klassischer Ausbildung und Prägung –, dass wir in einer Welt der Widersprüche leben, und es hat für mich ganz den Anschein, als ob wir diese noch ein gut Stückes Zeit weit werden aushalten müssen. Oskar Lafontaine mag ja sicher ein sensiblerer Typ als der Kanzler aller Autos sein, aber sein Bekenntnis wie das von Ihnen erwähnte (Herz links und so weiter) liest sich angesichts seiner persönlichen finanziellen Situation eher wie eine Glosse auf die Arbeiterschaft. Mit so einer Rente kann der Abschied aus der Politik nicht so schwer fallen, armer roter Oskar. Ich selbst habe nun gottseidank auch kapiert, dass ich ohne Aktien nie zum Steinway komme, und ich erhebe verdammt noch mal Anspruch darauf, trotz all der unsauberen Geschäfte, die in jeder Mark unseres Portemonnaies mit drinhängen, ein anständiger Mensch bleiben zu dürfen. Auch Musiker nehmen teil an einer Weltwirtschaft mit all ihren Schattenseiten wie Waffenhandel und Kinderarbeit. Ich sage dies nicht aus Zynismus, denn die Welt war zu Zeiten von Bruno Walter und Elly Ney auch nicht besser. Investieren wir also munter in den Abschaum der Nation, erheben uns moralisch über all die Konsumnarren, die sich Raab & Co. in die Ohren drücken, und freuen uns, endlich finanziell gesichert, umso mehr an der gelungenen Exposition des ersten Satzes von op. 125.  

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