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Kunst-Asche

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Auf den Fluren, in den Sitzungszimmern wird geflüstert und gejammert: Schuldenbremse, Etatkürzung, Finanzkrise: befinden wir uns im Bankenviertel? In Blogs und Protokollen wird dokumentiert und diskutiert: Qualitätsmanagement, Fusions-Erlös, Personal-Rückbau. Sind wir in der Siemens-Chefetage gelandet? Bei Panels und auf Konferenzen reden sich so genannte Experten die Köpfe heiß: Standortfaktoren, TVöD, Transformation: haben wir uns ins nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium verirrt?

Alles falsch: Wir befinden uns die ganze Zeit in den meist bescheidenen Büros aller einschlägigen Kultur-Vereinigungen. Ob Musikrat, ob Musikschulverband, ob Orchestervereinigung – von der GEMA ganz zu schweigen: es geht ums Geld, um Rasenmäher-Sparen und Drittmittel-Akquise.  Um Not-Etats, kreativ-wirtschaftliche WinWin-Optionen und Strategien im Rahmen der anstehenden Haushaltsverteilungskämpfe.
Dagegen wäre nichts einzuwenden, empfänden sich die Kulturfunktionäre, Intendanten, Kulturpolitiker (und der Großteil ihrer Klientel) selbst auf Augenhöhe mit den Partei-Silberrücken, Bankern oder Wirtschaftsbossen. Aus schwer nachvollziehbaren Gründen aber hoppeln die Kunst-Menschen den teils gewählten, teils selbsternannten Gesellschafts-Alphas in der Haltung des Karnickels vor der Schlange unter den ökonomistischen Fressgier-Blick. Als wäre die Finanzkrise ein Vulkan-ausbruch und der dadurch gestörte Zahlungsverkehr gottgegeben – so kritiklos und so devot fügen sich viele unserer Kultur-Beflissenen in das geschickt gehypte Katastrophenszenario. Vorauseilender Gehorsam statt Aufruhr, verständnisvolle Milde statt klarer Benennung der Verantwortlichkeiten, Konsens-Geschleim statt selbstbewusst durchargumentierter  Gesellschafts-Relevanz – ungefähr dahin lassen wir gerade unseren sensibelsten Human-Seismographen, unser wichtigstes gesellschaftliches Kapital – die Kunst – verkommen.

Von ihr, der reinen Musen-Power, ist nämlich in all den ängstlichen Bitt-gesängen vor Geldgebern und Steuermittel-Verteilern kaum noch die Rede. So breit wie flach hingegen das Plateau der angeblich rettenden Hilfsargumente. Da werden Orchestergräben zu sozialen Reparaturwerkstätten, Musikschulen zu Integrations-Kuschelecken, und immer noch macht Musizieren im allgemeinen besonders intelligent. Haben wir diese Nützlichkeits-Bücklinge wirklich nötig? Müssen wir die Kraft künstlerischer Aussage mit dem Präservativ ökonomischer Rechtfertigung schützen, ihr eine der aktuellen gesellschaftlichen Kommunikationsästhetik angediente Show-Fratzenmaske verpassen?

Kein Wunder, dass viele Verbände über Vertrauens- und Mitglieder-Schwund klagen, dass Dach-Verbände, als reine Lobby-Institutionen entlarvt, an Einfluss verlieren. Längst hat sich jenseits aller traditionellen Strukturen eine bunte, hochkreative Menschen-Schar eingefunden, die alles kann, aber eines nicht will: sich von den überkommenen Kultur-Platzhaltern einnehmen zu lassen. Es besteht also viel Hoffnung für unsere Künste.

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