Machtvolle Erinnerungen
Hans Drewanz dirigiert noch einmal seine Darmstädter
Ein Artikel von Gerhard Rohde
Jetzt wurde das Geburtstagsgeschenk des Staatsorchesters Darmstadt nachgeliefert. Mit jugendlich schnellem Schritt eilt Hans Drewanz im Großen Haus des Staatstheaters zum immer noch vertrauten Dirigentenpult. Eigentlich sollten jetzt Orchesterstücke aus Edward Elgars Oratorium „The Dream of Gerontius“ erklingen. Da das Notenmaterial nicht rechtzeitig geliefert werden konnte, hörte man Debussy, „Nuages“ und „Fétes“ aus den „Nocturnes“ für Orchester. Das Orchester exzellierte in zarten Farben und schwebenden Klängen, gleichzeitig wurden die Strukturen fein durchgezeichnet. Ein sehr moderner Debussy.
Danach ein Bekenntnis: Zu Bernd Alois Zimmermanns Ekklesiatischer Aktion für zwei Sprecher, Bass-Solo und Orchester aus dem Jahr 1970: „Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne“. Drewanz hat das Werk 1974, zwei Jahre nach der Kieler Uraufführung, in Darmstadt vorgestellt. Für Hans Drewanz mag die Erinnerung ungebrochen sein, seine ruhige, von Innen entfaltete Darstellung wirkte unverändert ausdrucksmächtig. Aber ist es ungehörig, Zimmermanns Welt- und Menschensicht heute auch als etwas Historisches zu empfinden? Der expressive Gestus des Werkes kann mehr oder minder auch leicht aufgesetzt anmuten. Danach dann große Sinfonik, Brahms „Vierte“.
Drewanz achtet auf feste Formen, schwelgt nicht, baut vielmehr alle Sätze klar und konturiert auf. Der Klang bleibt immer transparent und farbig, das Orchester entfaltet bemerkenswerte Energien, auch noch für den letzten Satz, die grandiose Passacaglia, die Drewanz als klare symphonische Architektur aufbaut. Das Darmstädter Publikum feierte mit dem Dirigenten auch eine große Zeit des Darmstädter Musiklebens.
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