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Mehr und jetzt: Neue Musik in der Fuggerstadt

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In Augsburg ist eine eigene Sektion der Gesellschaft für Neue Musik gegründet worden
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Die bundesweite Initiative „Netzwerk Neue Musik“ ist zwar abgeschlossen, doch für Augsburg war die Teilnahme erst der Anstoß, ein neues Kapitel der Stadtkultur aufzuschlagen. Die Bewerbung um diese Förderung hatte damals die Intendantin am Augsburger Theater, Juliane Votteler, auf den Weg gebracht. Die Theaterregisseurin, Kulturmanagerin und Musikerin Ute Legner baute mit der dafür gebildeten Projektgruppe „Mehr Musik!“ die nötige Infrastruktur auf und setzte Veranstaltungen zur Heranführung von Kindern und Jugendlichen ans neue Hören um. Der Cellist Johannes Gutfleisch – Vorspieler der Augsburger Philharmoniker – rief indes die Konzertreihe „Zukunft(s)musik“ sowie ein Ensemble für Neue Musik ins Leben. Beachtliche Potenziale offenbarten sich. Nun ist die Augsburger Gesellschaft für Neue Musik „Jetzt:Musik!“ (AGNM) gegründet, um die mobilisierten Kräfte nach Ablauf des Netzwerk-Projekts zu bündeln und der Neuen Musik eine dauerhafte Heimat zu sichern.

Augsburg ist eben nicht nur Fugger- und Brecht-Stadt. Sie ist auch Leopold-Mozart-Stadt und eine musikalische Hochschulstadt, wenn auch heute nur noch mit einer Fakultät der Universität am Leopold-Mozart-Zentrum begründet. Trotzdem hatte Neue Musik bisher keine feste Adresse. Lediglich elektronische, digitale Musik konnte sich mit dem Festival lab30 im fast neunjährigen Bestehen in Augsburg etablieren. Das Stadttheater mit seinem philharmonischen Orchester führt bisweilen Werke des 20. Jahrhunderts auf. Der freien Musikszene und zeitgenössischen Komponisten fehlen indes Wirkungsstätten. Das soll sich nun ändern.

Es mag zunächst überraschen, dass ausgerechnet der einzige Nichtmusiker unter den Gründungsmitgliedern zum 1. Vorsitzenden (2. Vorsitzende ist Iris Lichtinger) gewählt wurde. Aber als Architekt verkörpert Christian Z. Müller sogleich den interdisziplinären Anspruch der Neuen Musik, zumal in Hinblick auf eine ausgesprochen enge Verwandtschaft. Weniger die traditionelle Verbindung etwa in Rhythmik, Proportionen oder Farbklängen, die bereits seit der Antike praktiziert wird, als vielmehr das Denkkonzept sieht Müller heute als Gemeinsamkeit zwischen Architektur und Musik. Architektur sei gebaute Musik – „das Bewegte festgehalten“ –, sagt er. Das war denn auch der Ansatz, mit dem Müller Schülerprojekte im Rahmen von „Mehr Musik!“ durchgeführt hatte. Räume für Klänge, klingende Räume und Klangerzeuger seien dabei entstanden. Und diese Zusammenarbeit mit Augsburger Schulen soll fortgesetzt werden. Müller selbst ist schließlich auch von Lehrern am Gymnasium erstmals mit zeitgenössischer Musik konfrontiert worden. Acht Jahre hatte er Klarinette gelernt, dann ist er als Jazzer auf das Saxophon umgestiegen. Die Schallplatten des Musiklehrers eröffneten ihm indes mit Werken etwa von Lachenmann erstmals die spannende Klangwelt des 20. Jahrhunderts, die ihn nicht mehr loslassen sollte.

Grundsätzlich gehe es bei der Arbeit der AGNM um Kooperationen, kann sie doch finanziell momentan zumindest lediglich auf Mitgliedsbeiträge zurückgreifen. Unterstützen, anstoßen sowie weiträumig und interdisziplinär vernetzen, sei zunächst die Aufgabe. Über die Verbindung zu Schulen und kulturellen Bildungseinrichtungen, zu Kirchenmusikern und zum Stadttheater mit seinem Orchester besteht über die beiden Mitvorstände und Komponisten Markus Schmitt und Volker Nickel ein Direktkontakt zur Universität. Doch eine Akquise-Gruppe ist bereits gebildet, um Gespräche mit örtlichen Sponsoren zu führen, die auch ein direktes Handeln ermöglichen sollen. Geübt im Präsentieren und Bewerben von Architekturprojekten, bringt Müller dahingehend ein wertvolles Potenzial in den Vorstand. Für eine wirkungsvolle Selbstdarstellung sei an der Fachhochschule im Fach Kommunikationsdesign an der Corporate Identity gearbeitet worden, weist der 1. Vorsitzende hin. Das künftige Gesicht der AGNM soll aus den Studentenarbeiten ausgewählt werden.
Inhaltlich herrsche weitgehend Einigkeit, sagt Christian Z. Müller: „Weit über den Tellerrand gucken“, womit laut Vereinssatzung auch freie Improvisation, Elektronik und musikalische Grenzbereiche zu anderen Genres gemeint sind. Die Verbindung zwischen Musik und Industrie, wie sie etwa von Glenn Branca vertreten wird, soll eine wichtige Rolle spielen, um die Einzigartigkeit Augsburgs nicht nur als historische Stätte, sondern auch als Industriezentrum in die Konzeption aufzunehmen. Nicht zuletzt, da große Aufführungsräume in der Stadt fehlen beziehungsweise, wie im Fall der brechtbühne oder des Sensemble Theaters, anderweitig ausgelastet sind, während Industrieräume (viele historische) in großer Zahl vorhanden sind.

Diskutiert werde noch über die zeitliche Fokussierung. Chris­tian Z. Müller plädiert für einen weiten Ansatz, der nicht nur die neuesten Produktionen berücksichtigt, sondern auch die Vielzahl der Strömungen im 20. Jahrhundert bis hin zum Pop. Die Entscheidung steht noch aus. Ebenso die beantragte Eintragung ins Vereinsregister.

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