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Titelseite der nmz 2016/12-2017/01.
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Milde Gaben ?

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Theo Geißler über die Kulturförderung des Bundes
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Weihnachten neuerdings im November? Für gewisse Sparten der Musikszene scheint sich der Gabensack schon etwas vorzeitig geöffnet zu haben. Um 660 Millionen Euro erhöhte der Deutsche Bundestag den Etat von Kulturstaatsministerin Monika Grütters für das kommende Jahr. Mit gut vier Millionen verdoppelte der zuständige Haushaltsausschuss die Mittel der „zentralen Export- und Fördereinrichtung für Rock, Pop und Jazz“ namens „Initiative Musik“ unter der lobbykompetenten Ägide von Dieter Gorny. Von solcher Künstler- und Infrastrukturförderung profitieren unter anderem Spielstätten dank des „APPLAUS-Programmes“, das „Reeperbahn-Festival“ und Bremens Messe „jazzahead!“ [Vorab aus der nmz 12/2016-01/2017]

Mit gut einer Million aus dem Grütterschen Füllhorn wird künftig zunächst jährlich ein „Musikfonds“  ausgestattet, „zwecks Förderung der zeitgenössischen Musik aller Sparten in ihrer Vielfalt und Komplexität“. Unter dem warmen Regen dieser Dünge-Vorrichtung versammeln sich jetzt Zuwendungsempfänger, die sich noch vor kurzer Zeit aufgrund ästhetischer Differenzen nicht die Hand gegeben hätten: Der kapitale Kompressionsdruck vereint Protagonisten Neuer Musik, freier Musik, improvisierter Musik, Echtzeitmusik, experimenteller Rock- und Pop-Musik und Klangkünstler aller Arten zu Sterntaler-Schürzensaumhaltern.

Scherz beiseite: Schon immer ist hierzulande die „freie Szene“ übel unterfinanziert – und dabei oft die Hefe im ansonsten pappigen Teig unseres Kulturlebens. Da ist eine bescheidene Nahrungsergänzung – nicht einmal ein Hundertstel der generellen Etaterhöhung – schon Anlass für Danksagungen. Man darf gespannt sein auf die zärtlichen Verteilungsdiskussionen des sehr heterogen zusammengewürfelten zuständigen Kuratoriums. Bei alledem ist zu bedenken, dass es sich um Steuergelder handelt und nicht um großzügige Zuwendungen einzelner Parlamentarier im Vorfeld von Bundestagswahlen, denen jetzt ein tiefer Kotau zustünde.

Und generell bedenklich stimmt, dass es grundsätzlich um Projektförderung geht, die jederzeit ausgeknipst werden kann – ähnlich der trittunsicheren Dünneis-Segnungen von Sponsorengeldern. Wenn man die Einsicht bevorzugt, dass Kulturförderung soviel Kontinuität braucht wie unser restliches Gesundheitswesen, wäre eine Investition in die funktionierenden oder aufblühenden Institutionen unserer „freien Kulturszene“ sicherlich der angemessenere Weg. Aber wer legt sich schon gerne fest in diesen unseren zinsschwachen Zeiten.

Wie wenig man sich als Kulturmensch auf Politikerzusagen und schlampiges Gesetzeswerk verlassen kann, zeigen Beispiele, die unsere Kreativen nach kurzfristigem, erfrischendem Geldsegen demnächst möglicherweise in die digitale Wüste verbannen: Für viele Komponisten, Texter, Dichter waren gerade oft kleinere Verlage kompetente Partner und „Heimat“, ihre Geistes- oder Herzensfrüchte kräftig wachsen zu lassen. Diese Solidargemeinschaften sind jetzt dank zweier Urteile gegen die Verwertungsgesellschaften VG Wort und GEMA in streitiger Scheidung begriffen, viele Verlagshäuser, Arbeits- und Spielstätten in ihrer Existenz bedroht. Monika Grütters hatte vor Monaten Rettungskonzepte angedacht. Frau Grütters denkt – wer lenkt? Mehr zu Allem in diesem Heft.

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