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Robert Höldrich. Foto: KU Graz/Wenzel
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Musikpublizisten mit Niveau und Herzblut gesucht: KUG-Vizerektor Robert Höldrich im Gespräch über den Reinhard-Schulz-Preis für zeitgenössische Musikkritik

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2012 wird erstmals der Reinhard-Schulz-Preis für zeitgenössische Musikkritik vergeben. Die Kunstuniversität Graz hat die Organisation des Preises übernommen und ist mit der Komponistin Johanna Doderer und mit Andreas Dorschel, Professor für Ästhetik und Vorstand des Instituts für Musikästhetik an der Kunstuniversität, auch in der Jury vertreten. Die neue musikzeitung sprach mit Robert Höldrich, Geschäftsführender Vizerektor der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz.

neue musikzeitung: Welche Hoffnungen verbinden Sie mit der Ausschreibung eines solchen Preises?

Robert Höldrich: Der Bereich „Zeitgenössische Musik“ ist an der Kunstuniversität Graz durch eine international anerkannte Kompositions-Faculty und durch die Verankerung des Bereiches in den strategischen Schwerpunkten des Entwicklungsplans besonders stark vertreten. Wir veranstalten unterschiedliche Kompositionswettbewerbe, um den Nachwuchs zu fördern und geben den Preisträgerinnen und Preisträgern im Rahmen unserer Möglichkeiten als Kulturveranstalter ein breites Podium, um die Musik auch in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Im Vorfeld des Internationalen Wettbewerbs „Franz Schubert und die Musik der Moderne“, der alle drei Jahre stattfindet, läuft regelmäßig ein Kompositionswettbewerb, dessen Siegerwerk im Wettbewerb Pflicht für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der betreffenden Sparte ist. Der Johann-Joseph-Fux-Opernkompositionswettbewerb besteht seit 1998 und wurde letztes Jahr vom offenen zum geladenen Wettbewerb umkonzipiert, hier werden die Siegerwerke von der Kunstuniversität im Umfeld des Festivals „steirischer herbst“ uraufgeführt. 2011 wurde erstmals ein Jazzkompositionswettbewerb ausgeschrieben und mit einem großen Konzert abgeschlossen. Auch werden die Ergebnisse auf der KUG-eigenen CD-Reihe „Klangdebüts“ veröffentlicht. 

Die Ausschreibung des Reinhard- Schulz-Preises verbinden wir daher mit der Hoffnung, auch die publizistische Reflexion zeitgenössischer Musik – neben dem grundlegenden künstlerischen Erlebnis dieser Kunstform – anzuregen. Dies ist ja ein Thema, das etwa in den landläufigen Tageszeitungen selten vorkommt und wenn, dann eher in kleinem Rahmen, da wohl auch das Publikum für Konzerte mit zeitgenössischem Musikschaffen im Vergleich etwa zum gängigen Opernpublikum ein kleineres ist. Die Ausschreibung eines solchen Preises soll die Aufmerksamkeit junger Musikjournalistinnen und -journalisten darauf lenken, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung und publizistische Vermittlung dieser Ereignisse ein wenig beackertes, aber vermutlich lohnendes Arbeitsfeld sein kann. Die Preisverleihung im Rahmen des „musikprotokolls“ im Herbst dieses Jahres sowie Aufträge der Partnermedien schaffen auch hier ein öffentliches Podium, im künstlerischen Bereich Uraufführungen und CDs vergleichbar, das ein Anreiz für den schreibenden Nachwuchs sein kann. Zudem haben wir mit Johanna Doderer eine erfolgreiche Komponistin der jüngeren Generation in der Jury, sodass sich hier die Perspektive der Musik-Schaffenden mit dem Blickpunkt der Musik-Beschreibenden und -Rezensierenden treffen. Hier erhoffe ich mir eine produktive direkte Auseinandersetzung dieser beiden Erfahrungsebenen. 

nmz: Der Reinhard-Schulz-Preis ist multimedial konzipiert. Wie sehen Sie die Zukunft des Musikjournalismus/der Musikkritik in Zeiten von YouTube, Facebook und iPad?

Höldrich: Sehr pragmatisch – die Kommunikation in diesen Medien ist eine zunächst flüchtigere, weniger tiefgehende als etwa ein Artikel in der „Zeit“ oder in der nmz. Welche Auswirkungen auf den Musikjournalismus und die Musikkritik die Verbreitung dieser leicht zugänglichen und oftmals kurz gefassten Interaktionsmedien hat, lässt sich schwer absehen. Ich denke aber, man sollte sich offen damit auseinandersetzen und sie als Zusatzmöglichkeit sehen, über Musik zu schreiben. Wir leben in hektischen Zeiten, in denen man Menschen rasch und ohne Zugangs- oder Hemmschwellen erreichen können muss, in denen auch die medialen Botschaften, gerade über Kunst, sich darauf einstellen müssen, umzudenken und sich den neuen Medien zwar nicht anzupassen, aber publizistische Formen zu finden, die ihnen gerecht werden. Es sind einfach zusätzliche Formate, die einen speziellen Zugang erfordern, ähnlich wie man eine Rezension über ein Konzert in einem einminütigen Fernsehbeitrag anders gestaltet als in einem mehrseitigen Artikel in der nmz.

nmz: Die „heroischen Komponisten“ der Neuen Musik, die Ahnen des Geniekults des 19. Jahrhunderts (Stockhausen, Boulez, Henze, Nono, Ligeti, Lachenmann),  wird es zukünftig wohl nicht mehr geben. Ist es da nicht logisch, dass in Analogie zu dieser Entwicklung  an die Stelle der Musikkritik die Musikvermittlung tritt?

Höldrich: Die Musikvermittlung wird freilich immer wichtiger, weil sich das gesellschaftliche Umfeld, in dem Kunst gemacht wird, verändert hat. Kunst, so auch Musik, wird zunehmend in einem politischen, sozialen Kontext produziert und rezipiert, die Grenzen zwischen Kunstgattungen verschwimmen, auch das zeitgenössische Musikschaffen vollzieht vielerorts die Abkehr etwa von traditionellen Konzertformaten hin zu performativen, oft auch interaktiven Formen. „Heroische Komponisten“ der Neuen Musik, „Genies“ wie die von Ihnen genannten Komponisten, produziert unsere Zeit wohl auch, nur dass ihre Rezeption eine andere ist, sich auch in kollektiven Schaffensformen äußert, und da sind oftmals die Werke an sich wichtiger als die einzelnen Künstlerinnen und Künstler. Das macht allerdings Musikkritik in Form einer fundierten Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Musik, ebenso auf der Folie der Tradition gesehen wie im gesellschaftlichen Zusammenhang reflektiert, eher notwendiger als überflüssig. Musikvermittlung im Sinne der Entwicklung von kommunikativen Erklärungsformen, die in Menschen, die sich normalerweise nicht mit aktueller Musik beschäftigen würden, die Zugangsschwelle reduziert und sie neugierig macht auf die Dinge, die sich da entwickeln, kann da ein eigenständiger Bereich sein, aber niemals ein Ersatz für Kritik.

nmz: Wie kommt die Kunstuniversität Graz dazu, diesen Preis auszuschrieben? Gab es eine persönliche Verbindung zu Reinhard Schulz? Oder steht das Thema Musikpublizistik im Vordergrund?

Höldrich: Wir wurden von Anke Kies, der Witwe von Reinhard Schulz, angesprochen, und aufgrund unserer bereits genannten Konzentration auf zeitgenössische Musik haben wir uns dem Vorhaben gern angeschlossen. Natürlich kannten wir Reinhard Schulz als Musikpublizisten, er war oft beim „musikprotokoll“ und daher in der Szene bekannt und geschätzt. Der Preis ist ein Gedenken an ihn und soll jungen Musikpublizistinnen und -publizisten eine Anregung sein, auf diesem hohen Niveau und auch mit diesem Herzblut das zeitgenössische Musikgeschehen zu begleiten. Dabei steht für uns als KUG das Reflektieren über Musik im Vordergrund. Vonseiten der KUG ist Andreas Dorschel, der Leiter unseres Instituts für Musikästhetik, in der Jury, wir sind also auch inhaltlich direkt involviert. Aber fundiertes wissenschaftliches Nachdenken über Musik braucht auch ein publikumsfreundliches Pendant, und dieses zu befördern erhoffen wir uns durch den Schulz-Preis.

nmz: Nicht nur das Berufsbild des Kritikers wandelt sich, auch Komponisten, Instrumentalisten und Musikpädagogen sehen sich vor neuen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Wie muss die universitäre Ausbildung darauf reagieren?

Höldrich: Die universitäre Ausbildung steht dadurch vor großen Herausforderungen. Einerseits ist es nach wie vor ihre Aufgabe, jungen Leuten einen Schonraum zu bieten, in dem sie sich nicht nur hohe Fertigkeiten in ihrem jeweiligen künstlerischen Fach aneignen, sondern auch Lebenserfahrungen sammeln und ihre künstlerische Persönlichkeit entwickeln sollen. Sie sollen Freiraum haben, um ihre speziellen Interessen zu entdecken und herausfinden, in welche Richtung sie sich entwickeln möchten. 

Die universitäre Ausbildung hat andererseits aber auch die Aufgabe, die jungen Leute auf ihre spätere Berufstätigkeit vorzubereiten, also ihnen Kompetenzen beizubringen, mit denen sie auf dem Arbeitsmarkt reüssieren können. Einem Teil dieses Realitätsdrucks ist sicher durch die Umgestaltung und Ergänzung von Curricula zu begegnen. Die Universität steht in einem gesellschaftlichen Umfeld, von dem sie sich nicht als elitärer Verein in einen Elfenbeinturm isolieren darf, sondern mit dem sich die Lehrenden auseinanderzusetzen haben. Dann muss reagiert werden – ändert sich das Berufsbild, ändern sich die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, muss sich das in neuen Lehrinhalten äußern. Es braucht Flexibilität, mittel-, manchmal sogar kurzfristig auf Veränderungen zu reagieren. Dennoch muss die universitäre Ausbildung auch ein kulturelles Erbe bewahren, modische Trends von umfassenden gesellschaftlichen Veränderungen unterscheiden können und die Grundlagen des jeweiligen Faches differenziert vermitteln, und dies auf einem hohen Niveau. Das ist oftmals ein Balance-Akt, und dessen muss sich die Universität bewusst sein. 

nmz: Bitte noch ein paar Worte zur Zusammensetzung der Jury. 

Höldrich: Die Grundidee war, eine Ausgewogenheit zu finden zwischen kompetenten Persönlichkeiten aus dem deutschsprachigen Raum, zwischen ihnen wiederum ein Gleichgewicht aus Personen mit unterschiedlichen Medienschwerpunkten, also Print, Online, Fernsehen oder Radio. Das ist uns, denke ich, gut gelungen.

Informationen zum Preis
(Bewerbungsfrist 31.3.2012) unter: www.reinhardschulz-kritikerpreis.de

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