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Electric Music (1)
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Die Zeit der Sicherheiten ist vorbei. Nichts ist, wie es scheint oder vorgibt zu sein. Das Eine maskiert sich als das Andere. Anth Brown und Tom Doyle zum Beispiel nennen ihre Band oder vielleicht eher ihr Projekt: „Electric Music“. Aber die Sounds sind gar nicht „future“, die Vorgehensweise ist nicht technoid oder technophil. Die beiden sind klassische britische Songwriter, die ins Detail verliebt sind. Und sie lassen sich sehr viel Zeit. Wenn ihnen etwa Bim Sherman, der auf „Baptised By The Piano King“ mit seinem Reggae-Ikonen-Voodoo-Gesang zu hören ist, für drei Monate sein Mischpult zur Verfügung stellt, werden daraus zwei Jahre. Die Spontaneität, die „North London Spiritual Church“ (Grand Royal/Zomba) ausstrahlt, ist nicht Ausdruck der Seele, sondern Produkt endloser Bastelei; also eines Plans, dessen Leerstellen nach und nach ausgefüllt werden. Und die Intensität der Songs verdankt sich nicht roher Erfahrung (wie bei den ewigen Hobos des Typs Townes van Zandt oder Jeff Buckley) oder einer Erhöhung des Drucks (wie bei Built To Spill), sondern der Fülle der Einzelheiten, die sich hier selbstverständlich ineinander fügen; einem Sound-Patchwork, das auf Traditionen anspielt, ohne je Zitat-Pop oder Retro zu werden. Ex-Pop-Papst-und-SPEX-Herausgeber Diedrich Diederichsen („Hätte nie gedacht, dass mir sowas nochmal so gefallen könnte“) kommt in seinem Kunsthochschulen-Theoretiker-Austragshäuschen auf die richtige Idee: Electric Music ist Prog-Rock, aber so reduziert, dass alles Peinliche verschwindet. Das Paradox von „North London Spiritualist Church“: eine unendlich reichhaltige Musik, wie sie nur entsteht, wenn alles außer dem absolut Notwenigen zum Verschwinden gebracht wird. Und wenn das psychedelisch klingt, so nicht, weil längst historisch gewordene Effekte imitiert werden, sondern die Seele der Songs selbst „trancig“ wird. Wunderbares Album!

Die Zeit der Sicherheiten ist vorbei. Nichts ist, wie es scheint oder vorgibt zu sein. Das Eine maskiert sich als das Andere. Anth Brown und Tom Doyle zum Beispiel nennen ihre Band oder vielleicht eher ihr Projekt: „Electric Music“. Aber die Sounds sind gar nicht „future“, die Vorgehensweise ist nicht technoid oder technophil. Die beiden sind klassische britische Songwriter, die ins Detail verliebt sind. Und sie lassen sich sehr viel Zeit. Wenn ihnen etwa Bim Sherman, der auf „Baptised By The Piano King“ mit seinem Reggae-Ikonen-Voodoo-Gesang zu hören ist, für drei Monate sein Mischpult zur Verfügung stellt, werden daraus zwei Jahre. Die Spontaneität, die „North London Spiritual Church“ (Grand Royal/Zomba) ausstrahlt, ist nicht Ausdruck der Seele, sondern Produkt endloser Bastelei; also eines Plans, dessen Leerstellen nach und nach ausgefüllt werden. Und die Intensität der Songs verdankt sich nicht roher Erfahrung (wie bei den ewigen Hobos des Typs Townes van Zandt oder Jeff Buckley) oder einer Erhöhung des Drucks (wie bei Built To Spill), sondern der Fülle der Einzelheiten, die sich hier selbstverständlich ineinander fügen; einem Sound-Patchwork, das auf Traditionen anspielt, ohne je Zitat-Pop oder Retro zu werden. Ex-Pop-Papst-und-SPEX-Herausgeber Diedrich Diederichsen („Hätte nie gedacht, dass mir sowas nochmal so gefallen könnte“) kommt in seinem Kunsthochschulen-Theoretiker-Austragshäuschen auf die richtige Idee: Electric Music ist Prog-Rock, aber so reduziert, dass alles Peinliche verschwindet. Das Paradox von „North London Spiritualist Church“: eine unendlich reichhaltige Musik, wie sie nur entsteht, wenn alles außer dem absolut Notwenigen zum Verschwinden gebracht wird. Und wenn das psychedelisch klingt, so nicht, weil längst historisch gewordene Effekte imitiert werden, sondern die Seele der Songs selbst „trancig“ wird. Wunderbares Album!

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