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HipHop war zunächst Straßen-, Nachbarschafts-, „block party“-Musik. Er ging aus vom Körper, seinen Erfahrungen und Bedürfnissen, die in den weißen Medien und Institutionen nicht zur Sprache kamen. Seine frühen, beinahe exklusiven Themen waren Sex und (direkt, „am eigenen Leib“ vespürte) Politik. Die ersten Rapper waren Sexprotze und Rebellen, Verführer und Aufwiegler. HipHop in den späten 70ern war spontan, auch fröhlich und vor allem ungeniert. Später, in den 80ern, als HipHop längst The Next Big Thing, selbst ein einflussreiches Medium und eine schier unerschöpfliche Quelle von Ruhm, Reichtum und Macht war, entstanden Sub-Genres, die in ihrer Weltsicht immer radikaler und beschränkter wurden: Im Gangsta-Rap genauso wie in der „edutainment“-Bewegung von Public Enemy oder KRS-1.

De la Soul waren, als sie vor mehr als einem Jahrzehnt auftauchten, fast schon provozierende Ausnahmen: Nicht rüde, nicht „street“, sondern drei schwarze Mittelschicht-Kids, gebildet und verspielt, deren Heimat weder eine Gang noch die Nation of Islam war, sondern eher das virtuelle Universum der Pop-history, dieses geglückte Beispiel friedlicher Koexistenz, wo alles mit allem zusammenhing – man musste nur den roten Faden, den Dreh finden. „Three Feet High And Risin’“ war der De-la-Soul-Klassiker, der alle HipHop-Möglichkeiten auf Anhieb auszureizen schien: ein Klassiker für die Ewigkeit und ein „dead end“. Das nächste Album hieß konsequenterweise „De la Soul is dead“, was aber nur das innig-ironische Label für einen schier berstenden Recycle- und Re-Sample-Kosmos war. Anno 2000 machen De la Soul das, was die „Zeit“, bass erstaunt über soviel Chuzpe, „Bildungsbürger-HipHop“ nennt: Eine Konzept-Alben-Trilogie, die ihr „business as usual“ in den Fokus allgemeiner Aufmerksamkeit rücken soll und mit den avanciertesten Möglichkeiten, ja sogar den „Fehlern“ digitaler Technologie genauso virtuos spielt wie mit den „sounds and visions“, die der medial Sozialisierte jeder Hautfarbe und Geschlechtszugehörigkeit in Herz und Hirn hat. Deshalb gibt es auf dem programmatisch „Art Official Intelligence Mosaic Thumb“ betitelten ersten Album der Serie (bei EastWest) ein „Summer in the City“-Cover, aber auch die respektvolle Kooperation von Aggresso-Rappern wie Redman, Underground-Ikonen wie Busta Rhymes oder, schlicht, den Beastie Boys. Aber auch Chaka Khan, „still alive“, und Marvin Gaye sind Steinchen im Mosaik. Diese Platte ist im HipHop-Kontext das, was jemand wie Beck immer schon gemacht hat und Madonna mit dem Titel ihres neuesten Albums annonciert: „Music“, ohne Einschränkungen – ja, sogar entschieden erweitert ins John Cage Geräusch- und ins elektronische Fieps-Universum.

Natürlich glauben auch De la Soul nicht so ohne weiteres an die „daisy world“. Aber während die virtuellen HipHopper das Abgründige und Brüchige nur in vertrackten, immer auch anders „lesbaren“ Stil-Gebärden andeuten, setzt „...And You Will Know Us By The Trail Of Dead“, die Brachial-Combo aus Austin/Texas, zumindest prima vista ohne alle Einschränkungen auf das psychotische Potenzial einer ins apokalytische Extrem getriebenen „Rock“-Formel. Dass ihr zweites Album ausgerechnet „Madonna“ heißt (Domino/Zomba) ist freilich schon ein Hinweis darauf, dass ihr paranoider Authentizismus („Mark David Chapman“, eine Hommage auf den Lennon-Attentäter) weitgehend „Fake“ ist, selbstbewusstes Spiel mit den Möglichkeiten, die ein nur vordergründig verbrauchtes Genre noch hergibt. Die „Trail of Dead“-Songs sind gesampelter Rock, nur dass man es ihnen nicht so ohne weiteres anhört. Band-Musik, die das Konzept, das sie trägt, eher verbirgt: Man braucht nicht unbedingt Maschinen, um schlüssig zusammenzufassen, was alles schon war. „Madonna“ ist ein „must“ für Rockisten – gerade weil die Platte die Blödheiten des Genres konsequent meidet.

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