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Querelen im Beethoven-Haus Bonn

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Wissenschaft Kostgänger des Museums – oder umgekehrt?
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Unter dem Motto „Wer rettet mein Geburtshaus?“ rief der Verein Beethoven-Haus im Mai 1994 zu einer großen Spendenaktion auf. Damals war nicht nur die Bausubstanz der Bonner Beethoven-Stätte renovierungsbedürftig, sondern vor allem auch das schlechte Image des Hauses und seiner integrierten Forschungseinrichtung (Beethoven-Archiv). Doch dann tat sich etwas in der angestaubten Bonngasse 20: mit erheblicher Unterstützung durch die öffentliche Hand konnte das Museum umgestaltet werden, und die Forschungsarbeiten unter Archivdirektor Sieghard Brandenburg machten auch endlich entscheidende Fortschritte bei der Gesamtausgabe und der wichtigen Briefausgabe. Doch dieser Aufschwung scheint an Kraft zu verlieren. Im Oktober 1996 mußten die Mitarbeiter des Beethoven-Archivs gerüchteweise erfahren, daß der zwölfköpfige Vorstand des Vereins „Beethoven-Haus“, dem neben dem Vorsitzenden Dr. Friedrich W. Christians (Deutsche Bank) und Schatzmeister Christian Rother (Deutsche Bank) noch ein weiterer Banker (Deutsche Bank), ein Jurist, ein Orgelbauer, Politiker und einige andere Personen angehören, plötzlich Pläne zur grundlegenden Veränderung der Organisationsstruktur im Hause schmiedete. Mehr als überraschend war auch, daß die Pläne ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt mit einer angeblich chaotischen Lage im Archivbereich begründet wurden. „Ich konnte mir das eigentlich gar nicht erklären. Wir hatten doch einen guten Statuts des Archivs innerhalb der Fachwelt erreicht“, wundert sich Dr. Armin Raab, der bis zum Juni dieses Jahres Mitarbeiter im Archiv war und inzwischen an das Haydn-Institut nach Köln wechselte. Es mußte der Eindruck entstehen, als habe sich das Vorstandsinteresse an der wissenschaftlichen Arbeit erheblich reduziert. Der Museumsbereich schien offenbar repräsentativer und profitversprechender zu sein. Dafür spricht auch die Position, die Dr. Christians bei einer Mitarbeiter-Sitzung ganz unverhohlen vertrat: „Die Wissenschaft ist ja eigentlich ein Kostgänger des Museums.“ Eine ebenso erstaunliche wie falsche Feststellung, da die öffentlichen Fördermittel von Bund, Land und der Stadt Bonn ja gerade mit der Zielsetzung fließen, die wissenschaftliche Arbeit zu unterstützen. Der einzige Fachvertreter der Musikwissenschaft im Vorstand, Professor Dr. Erik Fischer von der Universität Bonn, habe, so sagt er, kontinuierlich auf die Gefahren einer Schwächung der wissenschaftlichen Arbeit hingewiesen und vor allem die Art des Verfahrens scharf kritisiert. Dann hieß es plötzlich, man suche einen Generalmanager zur Koordination aller Bereiche des Hauses. Damit hätten sich sowohl die Mitarbeiter als auch Professor Fischer einverstanden erklärt: Auch sie sind davon überzeugt, daß es neben der Forschung im Beethoven-Haus eine zeitgemäße Präsentation des Museums und anderer Bereiche geben muß. Merkwürdigerweise aber fiel die Wahl dann aber nicht auf einen Manager, sondern auf den ausgewiesenen Wissenschaftler William Kinderman aus Kanada. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Christians war bislang nicht bereit, sich zu all dem öffentlich zu äußern und untersagte obendrein den Mitarbeitern des Beethoven-Hauses per Rundschreiben jegliche öffentliche Äußerung. Es wäre wohl an der Zeit, daß die Mitglieder des Vereins „Beethoven-Haus“ in einer außerordentlichen Sitzung Rechenschaft von ihrem Vorstand einfordern. Schließlich ist die Angelegenheit Sache des gesamten Vereins und letztlich natürlich auch der Öffentlichkeit. Eckhard Gropp

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