Hauptrubrik
Banner Full-Size

„Richtig spannend wird’s erst danach“

Untertitel
Der Deutsche Musikwettbewerb ist die Schnittstelle zwischen Ausbildung und Karriere
Publikationsdatum
Body

Käme man ihm flapsig, könnte man den Deutschen Musikwettbewerb mit „Wer wird Millionär?“ vergleichen: Dort sitzen zehn Kandidaten im Halbkreis und müssen schneller als alle anderen eine Frage beantworten, um überhaupt erst auf den Stuhl vor Günther Jauch zugelassen zu werden. Der Gewinn der Eingangsfrage ist der Ausgangspunkt für alle weiteren Herausforderungen. Susanne Fließ sprach mit dem Projektleiter des Deutschen Musikwettbewerbs, Thomas Rabbow, über ein außergewöhnliches Förderprojekt des Deutschen Musikrates.


neue musikzeitung:
Im Jahr 2005 konnte der „Deutsche Musikwettbewerb“ sein dreißigstes Jubiläum feiern. Zum Zeitpunkt seiner Gründung waren die Kollateralschäden im bundesdeutschen Musikleben, verursacht durch den Weltkrieg, zu einem großen Teil behoben. Was war Anlass für die Gründung?

Thomas Rabbow: Im Jahr 2009 findet der DMW nun zum 35. Mal statt. Anlass für die Gründung war die Erkenntnis, dass die Musikerinnen und Musiker, die an den deutschen Musikhochschulen studierten oder ihr Studium bereits absolviert hatten, bei internationalen Wettbewerben so gut wie keine Rolle spielten. Naturgemäß wurde im Vorfeld seiner Gründung viel diskutiert, geplant und auch wieder verworfen, 1975 in Bonn war es dann aber so weit. Vom Prinzip her sind wir dem ARD-Musikwettbewerb als nationaler Bruder nachgebildet. Beispielsweise haben wir dasselbe Bewertungssystem. Es gibt jedoch zwei wesentliche Unterschiede: Da ist zum einen die Einrichtung der sogenannten Gesamtjury. Sie wird zu Beginn des 3. und bei Solisten auch des 4. Durchgangs gebildet und setzt sich aus allen Juroren der Fachjury-Gremien zusammen, die zuvor den ersten und zweiten Durchgang bewertet haben. Die Gesamtjury bewertet alle Teilnehmer aller Kategorien.

nmz: Kommen dadurch nicht spezielle Aspekte für einzelne Instrumente zu kurz?

Rabbow: Im Gegenteil, das Prinzip hat sich sehr bewährt. Aufgrund der Bewertung durch die Gesamtjury kommen neue Aspekte hinzu, nun spielen Persönlichkeit oder Musikalität eine größere Rolle, die fachspezifischen Kriterien stehen nicht mehr so sehr im Vordergrund.

nmz: Was macht den Deutschen Musikwettbewerb so einzigartig in der Wettbewerbslandschaft?

Rabbow: Von Beginn an war der DMW mit einem Förderprogramm verknüpft, das in Breite und Qualität seinesgleichen sucht. Aus meiner Sicht sind die Förderungsmaßnahmen sogar viel wichtiger als der Wettbewerb selbst. Während bei anderen Wettbewerben die Preisverleihung das Ende ist oder ein Auftritt im Abschlusskonzert, beginnt beim DMW die eigentliche Förderung erst. Der Wettbewerb ist quasi das Instrument für die Selektion der jungen Musiker-Persönlichkeiten, mit denen wir dann im Rahmen der Förderprogramme weiter arbeiten wollen.

So ist auch die große Anzahl der Kategorien beim DMW vor dem Hintergrund der Förderungsmaßnahmen zu sehen. In jedem Jahr bieten wir zwölf Kategorien an, die Hälfte davon sind Solo-Kategorien. Während beispielsweise der ARD-Wettbewerb vor Jahren über die Streichung einiger ausgefallenerer Instrumente nachdachte, nahmen wir noch weitere dazu. Denn die Projektleitung ist mit dem Projektbeirat der festen Überzeugung, dass man gerade auch Musikerinnen und Musikern mit seltenen Instrumenten ein Podium bieten sollte, damit auch sie in den Genuss von Förderung kommen. Ein Tubist oder eine Kontrabassistin beispielsweise haben national und international kaum Möglichkeiten, Wettbewerbe zu besuchen oder gar an sinnvollen Förderungsmaßnahmen teilzunehmen. Und Wettbewerbe sind ja für den kommerziellen Musikbetrieb weiterhin wichtig.

nmz: Wie sieht dieses Förderprogramm nun im Detail aus?
Rabbow: Man kann es mit drei Schlagworten skizzieren: Es geht um Podiumserfahrung, es geht um pädagogische Aspekte und schließlich um die gezielte Platzierung von Nachwuchskünstlern im deutschen und internationalen Konzertbetrieb. Mit der „Bundesauswahl Konzerte junger Künstler“ decken wir den Bereich Podiumserfahrung ab. Dazu wurde vor Jahrzehnten der sogenannte Veranstalterring gegründet; Konzertveranstalter, die sich verpflichten, jede Saison mindestens einen Solisten oder ein Ensemble in ihrer Konzertreihe zu engagieren. Dieser Veranstalterstamm garantiert uns zwischen 200 und 250 Konzerte in jeder Saison.

Das pädagogische Programm beginnt

in jedem Frühjahr mit dem Ende des Wettbewerbs: Dann stehen die Preisträger und Stipendiaten fest, und aus diesem Pool stellen wir neue Kammermusikensembles zusammen. Die Musiker liefern uns im nächsten Schritt Biografien und erarbeiten mit ihren neuen Kammermusikpartnern Programmvorschläge, die in den „Künstlerkatalog“ einfließen. Sie werden dabei von der Projektleitung und Mitgliedern des Projektbeirates beraten, und seit zwei Jahren bieten wir zusätzlich im Rahmen eines „Symposiums für junge Musikerinnen und Musiker“ Workshops mit nicht-musikalischen aber Karriere-relevanten Themen wie „Recht für Musiker“, GEMA, GVL, KSK und Eigenvermarktung an. Ein Jahr haben die Musiker dann Zeit, sich mit den neuen Partnern auf ihre Konzerte vorzubereiten. Wir bieten ihnen für die Vorbereitung spezielle Arbeitsphasen mit Mentoren, deren Finanzierung der DMW übernimmt. Während der Vorbereitungsphase der Künstler läuft parallel die Vermittlungsphase für die Mitglieder des Veranstalterrings und für jeden anderen Veranstalter, der den Künstlerkatalog zu Rate zieht.

Und schließlich gibt es exklusiv für die Preisträger des DMW die Preisträgerkonzerte im In- und Ausland, die vorrangig das Ziel haben, die Solisten und Kammermusikensembles in Musikfestivals und prominente Konzert-reihen zu integrieren und sie einem internationalen Publikum vorzustellen. Hier sind für Auslandskonzerte die Goethe-Institute unser wichtigster Partner.

nmz: Ab 2009 wird ja nicht nur Interpretation, sondern auch Komposition im DMW gefördert.

Rabbow: Erstmalig ist auch ein Kompositionswettbewerb ausgeschrieben. Die Idee geht auf eine Initiative unseres Beiratsmitglieds Prof. Michael Kaufmann zurück, der schon als Intendant der Philharmonie Essen viel für die Förderung sowohl der zeitgenössischen Musik als auch des musikalischen Nachwuchses bewegt hat.

Dahinter steckt nicht nur die Idee, neue Werke zu erschaffen, sondern den preisgekrönten Kompositionen mit der Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler und dem Deutschen Musikwettbewerb auch ein Forum zu bieten, das zahlreiche Wiederaufführungen garantiert. Der DMW Komposition wird jährlich für Besetzungen ausgeschrieben, für die dem Projektbeirat die Komposition eines neuen Werkes reizvoll oder sogar notwendig erscheint. Bis zum Anmeldeschluss Mitte Dezember 2008 wurde diesmal zur Komposition für die Besetzung Duo Klarinette/Klavier oder Saxophon-Quartett aufgerufen. Die eingehenden Werke hat inzwischen eine Fachjury erhalten, die eine Vorauswahl trifft. Die vorausgewählten Werke werden von Preisträger- oder Stipendiatenensembles des Vorjahres einstudiert und im Rahmen des kommenden Wettbewerbs vom 10. bis 21. März in Berlin sowohl der Fachjury Komposition als auch der Gesamtjury des DMW 2009 vorgespielt.

Diese treffen die endgültige Auswahl der Kompositionen für den Preis der Philharmonie Essen in Höhe von 5.000 Euro und den Kompositionsauftrag des Deutschlandfunks in Höhe von 1.500 Euro. Sollte sich unter den vorausgewählten Kompositionen auch die einer Komponistin befinden, hat diese Chancen auf den von der Union Deutscher ZONTA-Clubs ausgelobten ZONTA-Komponistinnenpreis. Die preisgekrönten Werke werden im Rahmen der „Langen Nacht mit Preisträgern und Stipendiaten des Deutschen Musikwettbewerbs“ am 16. Mai 2009 in der Philharmonie Essen uraufgeführt. Das eigentlich Interessante ist jedoch, dass diese preisgekrönten Werke im folgenden Jahr dann von den Ensembles der Bundesauswahl in ihre Konzertprogramme aufgenommen werden.

Darüber hinaus können diese Werke in letzter Instanz, wenn dieselben Kammermusikbesetzungen im DMW – nämlich in drei Jahren – wieder ausgeschrieben sind, als Wahlpflichtstück im Wettbewerb wieder auftauchen. Im ersten Jahr liegen uns 28 Partituren vor, ein schöner Anfangserfolg.

Print-Rubriken
Unterrubrik