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RR zum (im) Zweiten

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Die volksmundige Weisheit, man solle den Tag nie vor dem Abend loben, ist wiederum eine Bestätigung reicher. Haben wir in der letzten nmz (Cluster) vor Reich-Ranicki noch den Hut gelüpft, da er das Fernsehen als eine Bude der Schwachsinnigkeiten mit Tendenz nach unten bezichtigte, so hat er im ZDF-Gespräch mit Thomas Gottschalk alles gleich wieder ins rechte und schlechte Licht zurückgerückt.

Die beiden begegneten sich, wie man heute so schön sagt, auf Augenhöhe, wie die demonstrative Du-Anrede nachdrücklich unterstrich: Wobei sich Gottschalk dabei wie ein Musterhündchen plusterte, dem sein Herrchen eben wieder ein paar Streicheleinheiten und ein Knochenversprechen zuteil hat werden lassen. RR war das Du eher etwas peinlich, aber jovial fügte er sich. Paul Klees „Zwei Männer, einander in höherer Stellung vermutend …“ fiel einem ein, zumal man gegenseitig mit Anerkennung nicht sparte: „Ich, wie könnte ich nur auf Ihre Höhe“ – „Nein, nein, allein auf dem Bildschirm zu erscheinen und Millionen Menschen sind glücklich …“. RR übersah dabei, wohl weil er seinen kritischen Verstand beim Schminken auf einer Ablage (oder liegt er mittlerweile anderswo?) vergessen hatte, dass es nur das Vergnügen von Kindern im Zoo ist, wenn ihr Haribo-Bär nach einer Leckerei schnappt. 

Und dann die Argumente! RR flehte händeringend darum, das Fernsehen möge nur „ein bisschen, nur ein kleines bisschen“ besser werden (keiner kann das so schön betonen wie RR!). Und er nahm hierbei die Gebärde eines Opferstocknegerleins an – Einschub für jüngere Leser: In den Kirchen fanden sich in den 50er- oder 60er-Jahren kleine Figuren von auf den Knien bittenden Negerkindern; warf man eine Münze durch einen Schlitz, dann löste ein Mechanismus ein dankendes Kopfnicken aus. Keine Frage, dass das häufig freudig bedient wurde und darum geht es heute den Schwarzen in Afrika so gut –. So also RR, zum Dankesnicken aber konnte es nicht kommen, da Gottschalk rigoros das Zehnerl verweigerte. Denn er hatte für das Gespräch nur eine Hirnwindung mitgenommen, die da hieß: Einschaltquote. Will meinen, nicht das Nicken eines einzelnen, sondern das der unüberblickbaren Masse.

Nicht extra mitbringen brauchte er seine „Wetten dass …“-Attitüde, denn die ist inzwischen im Kopf fest einjustiert. „Wir machen einen Versuch. In einer Sendung bringen wir einen Beitrag, der deinem Niveauanspruch genügt, und dann sehen wir unmittelbar – das kann man heute schon sehr schnell! – auf die Zuschauerentwicklung.“ Was sollte da RR angesichts des Götzen Quote und der zappenden Masse noch sagen? Am besten nichts, also sagte er auch nichts. Wette verloren, Kritik tot.

Eine Randbemerkung: Es gibt drei Sorten von Gaststätten. Die eine kocht immer das Gleiche und das Food natürlich „fast“. Die Menschen sollen konditioniert werden, sich auf dies Immergleiche (lasches Brötchen für Zahnarme und dazwischen die zerriebenen Reste der Rindfleischproduktion) zu fixieren. Dann gibt es Restaurants, die eine breite Palette der Ähnlichkeiten anbieten (Schnitzel von A bis Z, Grillplatten von Alpha bis Omega). Und schließlich gibt es, weniger werdend, solche, wo der Wirt oder die Wirtin das kochen, worauf sie selber stolz sind und wozu sie rundum stehen können. Es sind die besten, aber haben sie eine Chance? – Aber was hat dies mit dem Fernsehprogramm zu tun? Wir können dazu wohl weder Gottschalk noch RR befragen.

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