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Der Präsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes Dirk Hewig. Foto: Franzpeter Messmer
Der Präsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes Dirk Hewig. Foto: Franzpeter Messmer
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Service und Sprachrohr für alle Musiker

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Der DTKV verbindet Leistungen für seine Mitglieder mit wichtigen kulturpolitischen Impulsen
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Ab diesem Februar 2012 erscheint in der nmz eine eigene Zeitung des Deutschen Tonkünstlerverbandes (DTKV), in der dieser die Musiköffentlichkeit über kulturpolitische, musikalische und pädagogische Fragen sowie über seine Aktivitäten informiert. Aus diesem Anlass stellt der Präsident des DTKV, Dr. Dirk Hewig, im Interview mit der nmz Erfolge, Leistungen, Projekte und Ziele des traditionsreichen Verbandes vor.

neue musikzeitung: Warum lohnt es sich, Mitglied des DTKV zu sein?

Dirk Hewig: Der DTKV ist ein Berufsverband mit circa 7.500 Mitgliedern. Er wirkt in vielen Fragen des Musiklebens mit, vertritt die Anliegen der Berufsmusiker in Politik und Gesellschaft, arbeitet mit anderen Verbänden, mit dem Deutschen Musikrat und dem Deutschen Kulturrat zusammen. Die Probleme, für deren Lösung er eintritt, betreffen alle Musiker. Deshalb sollte eigentlich jeder Berufsmusiker Mitglied des Tonkünstlerverbandes sein. Aber ich weiß, die meisten fragen: Was habe ich konkret und unmittelbar von einer Mitgliedschaft? Dazu kann ich auf die Fülle von Serviceleistungen des DTKV (s. Kasten) verweisen, deren geldwerter Vorteil bei weitem den Mitgliedsbeitrag übersteigt.  

nmz: Ist dieser Verband hauptsächlich für freiberufliche Musikpädagogen da oder ist es auch für andere Musikberufe sinnvoll, Mitglied zu werden?

Hewig: Nach der Satzung ist der Deutsche Tonkünstlerverband die Interessenvertretung des gesamten Spektrums der Musikberufe. Er bringt für sie alle Leistungen. Komponisten und Interpreten werden zum Beispiel durch die Konzerte des Tonkünstlerverbandes, alle Musiker durch die Fortbildungsveranstaltungen gefördert.

nmz: Es gibt viele Musikverbände. Da stellt sich zum Beispiel für einen Orchestermusiker, der Mitglied in der Deutschen Orchestervereinigung ist, die Frage, ob es sinnvoll ist, außerdem dem DTKV beizutreten?

Hewig: Die Deutsche Orchestervereinigung ist die Gewerkschaft der Orchestermusiker, die Löhne und Tarife aushandelt, die Rahmenbedingungen verbessert, Rechtsschutz gewährt und in vielen weiteren Fragen für sie tätig wird. Aber viele Orchestermusiker geben zusätzlich als Solisten oder in Kammermusikensembles Konzerte und erteilen privat Musikunterricht. Hierbei können sie die Serviceleis-tungen des DTKV in Anspruch nehmen. Deshalb ist eine ganze Reihe von Orchestermusikern, die in der DOV organisiert sind, auch Mitglied im DTKV. 

nmz: Wie sehen Sie die Rolle des Deutschen Tonkünstlerverbandes im Konzert der Musikverbände?

Hewig: Zunächst ist der Deutsche Tonkünstlerverband ein Berufsverband, das unterscheidet ihn von den zahlreichen Laienmusikverbänden, die andere Aufgaben haben. Unter den Berufsverbänden nimmt er eine besondere Rolle ein, weil er das gesamte Spektrum der Musikberufe abdeckt. Die anderen Berufsverbände widmen sich jeweils einzelnen Musikberufen, wie etwa der Komponistenverband den Komponisten oder der Verband der Schulmusiker den Schulmusikern.  

Traditionen gehen bis 1844 zurück

nmz: Liegt diese umfassende Bedeutung des Tonkünstlerverbandes in der langen Tradition begründet, die bis auf Franz Liszt zurückgeht?

Hewig: Die Wurzeln des Tonkünstlerverbandes gehen noch weiter zurück. 1844 wurde der erste in Berlin gegründet. In den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts hat sich eine ganze Reihe von Tonkünstlerverbänden in München, Dresden, Leipzig, Köln und Hamburg gebildet. Franz Liszt und Franz Brendel, der Herausgeber der Neuen Zeitschrift für Musik, haben deren Tendenzen und Bestrebungen zusammengefasst, als sie den Allgemeinen Deutschen Musikverein gründeten. Wir führen uns im Wesentlichen auf diesen Allgemeinen Deutschen Musikverein zurück. Dessen Ziele waren:

  • Förderung der zeitgenössischen Musik, 
  • Förderung der beruflichen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Musiker, 
  • Sorge für bedürftige Tonkünstler und deren Hinterbliebene.  

Diesen Zielen fühlt sich der DTKV noch immer verbunden. Der Unterschied zu heute liegt darin, dass die Verwirklichung der Ziele andere Formen annimmt. Wir veranstalten nicht mehr primär Benefizkonzerte, um Künstler zu unterstützen, sondern haben am Künstlersozialversicherungsgesetz aktiv mitgearbeitet und sind weiter an dessen Ausgestaltung tätig. Die Förderung der zeitgenössischen Musik geschah zur Zeit von Franz 

Liszt durch die Tonkünstlerfeste. Wir veranstalten diese zwar heute auch noch, bieten für die zeitgenössische Musik aber noch andere Förderungen an, zum Beispiel das Manuskriptearchiv, in dem unverlegte Manuskripte aufbewahrt und in Form eines Kataloges der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Der Tonkünstlerverband Bayern gibt eine Monographienreihe für Komponisten heraus. Zur Zeit von Liszt gab es auch noch kein Urheberrechtsgesetz und keine Verwertungsgesellschaften, die dafür Sorge tragen, dass Komponisten auch bei der Internetnutzung für ihre Leistungen angemessen berücksichtigt werden. Erst Richard Strauss hat eine Verwertungsgesellschaft, die AFMA, mit begründet, aus der dann letztlich die GEMA hervorging.  

Rahmenbedingungen besser, Konkurrenz härter

nmz: Ist die Situation von Musikern heute besser als im 19. Jahrhundert? Was gibt es andererseits für neue Probleme in unserer Zeit?

Hewig: Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind heute besser. Ich habe schon die Urheberrechtsgesetzgebung und auch die Künstlersozialversicherung erwähnt, die für freiberufliche Künstler eine Krankenversicherung und Alterssicherung gewährt. Andererseits ist die Konkurrenzsituation für Musiker heute viel schärfer als zur Zeit von Franz Liszt. So studieren beispielsweise an Musikhochschulen bis zu 40 Prozent Ausländer. Bei den Eignungsprüfungen bewerben sich Interessenten aus der ganzen Welt. Das sind oft Studenten, die schon in ihrem Land ein abgeschlossenes Musikstudium haben. Diese Konkurrenz setzt sich im Beruf fort, beispielsweise in Orchestern. Wenn etwa bei einem Orchester eine Stelle ausgeschrieben wird, dann bewirbt sich eine große Anzahl von Personen, doch nur wenige werden zum Vorspiel eingeladen. Unsere Hochschulabsolventen konkurrieren hier mit den besten Leuten aus der ganzen Welt.  

nmz: Ist das ein Grund, warum es so viele Patchwork-Berufe gibt, dass nämlich ein Musiker auf sehr vielen verschiedenen Gebieten aktiv sein muss, um über die Runden zu kommen?

Hewig: Das ist sicher der Fall. Ich habe bei einem Symposion der Hochschulrektorenkonferenz erfahren, dass von den Studenten, die Orches-termusiker werden wollen, nur 15 Prozent eine Stelle in einem Orchester erhalten. Wo bleiben die restlichen 85 Prozent? Sie gehen weitestgehend in den pädagogischen Bereich. Aber auch hier hat sich die Situation erheblich verschärft. In den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts fanden fast alle Absolventen der Musikhochschulen, die ihr ursprüngliches Ziel einer Solisten- oder Orchesterlaufbahn nicht erreicht hatten, noch ein Auffangnetz in den Musikschulen. Wegen der wachsenden Finanzknappheit der Kommunen gründen diese nur in Ausnahmefällen neue Musikschulen. Die Ausbau der derzeitigen Musikschulen stagniert. Vielfach werden Vollzeitstellen durch Teilzeitstellen oder Honorarverträge ersetzt. Der Absolvent der Musikhochschule muss deshalb oft an mehreren Musikschulen tätig sein, zusätzlich privat Musikunterricht erteilen und noch Konzerte geben, um existieren zu können. Die Vergütung ist gemessen an der notwendigen Vorbildung und der Schwierigkeit des Studiums aber verhältnismäßig gering. Für eine Verbesserung dieser Situation setzt sich der DTKV ein.

nmz: Der DTKV hat in der Vergangenheit wichtige Dinge angestoßen. Über welche Erfolge sind Sie besonders glücklich?

Hewig: Der DTKV und die Jeunesses Musicales haben 1963 den Wettbewerb „Jugend musiziert“ aus der Taufe gehoben. Sie haben die Konzeption mit entworfen und an deren Verwirklichung mitgearbeitet. Heute sind auf Bundesebene der Deutsche Musikrat und auf Landesebene größtenteils die Landesmusikräte Träger von „Jugend musiziert“. Teilweise wird der Wettbewerb jedoch auch von selbständigen Organisationen, auch von den Tonkünstlerverbänden durchgeführt. Der Münchener Tonkünstlerverband organisiert beispielsweise einen der größten Regionalwettbewerbe von „Jugend musiziert“. Der DTKV ist im Projektbeirat „Jugend musiziert“ des Deutschen Musikrates in allen Landesausschüssen vertreten und arbeitet in den Regionalverbänden mit. 

Erfolgreiche Impulse für das Musikleben in Deutschland

Für erfolgreich halte ich, was der DKTV für zeitgenössische Musik und für Komponisten tut. Wir sind Mitglied in der Initiative Urheberrecht der Gewerkschaft Verdi, an der ungefähr 25 Verwertungsgesellschaften und sons-tige Institutionen mitwirken. Durch deren Engagement konnte erreicht werden, dass bei der letzten Novellierung des Urheberrechtsgesetzes (Korb 2) die Vergütungsabgabe, die den Komponisten und Interpreten zu Gute kommt, nicht gekürzt oder gestrichen wurde. 

Als sehr erfolgreich erwiesen hat sich auch, dass wir bei der Umsatzsteuerbefreiung in Einzelfällen mit den Finanzbehörden ein Verfahren ausgehandelt haben, das möglichst unbürokratisch ist.

Sehr erfolgreich ist auch das Netz von Fortbildungsveranstaltungen. Es handelt sich dabei nicht nur um Instrumental- und Vokalkurse oder Workshops für Fragen der Musikerziehung, sondern darüber hinaus auch um Presseseminare, Internet- und Rechtsseminare und vieles mehr. 

Einen Erfolg haben Sie jetzt in der Hand, wenn Sie die nmz lesen: Das neue Buch der Tonkünstlerverbände in der nmz. Wir treten nun in einem eigenen Teil der Zeitung auf, in dem der Bundesverband und die Landesverbände über ihre Aktivitäten berichten. Dies ist nicht nur wichtig, um die Mitglieder, sondern vor allem auch die Öffentlichkeit darüber zu informieren, was wir tun, um so auch den einen oder anderen zu bewegen, Mitglied zu werden oder uns in anderer Weise zu unterstützen.

nmz: Bei allen Erfolgen, es gibt doch auch ungelöste Fragen. Was sehen Sie als Schwerpunkte für die nächsten Jahre?

Hewig: Ein großes Problem, dem sich seit 2004 der Tonkünstlerverband Bayern, seit 2005 auch der DKTV intensiv widmet, ist die Situation der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen und in der Musikausbildung der Universitäten. Die Lehrbeauftragten erbringen zum Teil die gleichen Leistungen wie die Professoren oder die fest angestellten Lehrkräfte, erhalten aber nur einen Bruchteil der Unterrichtsvergütung. Sie haben keine soziale Absicherung. An einzelnen Hochschulen werden bis zu 60 Prozent des Unterrichts von Lehrbeauftragten abgedeckt. Wir haben uns dieser Berufsgruppe angenommen, eine Reihe von Berichten veröffentlicht, die auf dieses Problem hinweisen, um die Öffentlichkeit, die Politiker zu informieren. Wir sind in Kontakt mit der Rektorenkonferenz, den Musikhochschulen, mit einzelnen Politikern und Ministerien getreten. Zu Beginn des Jahres 2011 haben die Lehrbeauftragten nun ihre Angelegenheit selbst in die Hand genommen und sich eine Organisationsstruktur geschaffen: die Konferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen mit einem Sprechergremium. Sie haben sich auf ein Grundsatzprogramm, die „Frankfurter Erklärung“, geeinigt. Wir unterstützen die Lehrbeauftragten weiterhin durch Beratung und haben ihnen ein Forum auf unserer Website bereitgestellt. 

2012 wollen wir den Fokus auf die freiberuflichen Musikpädagogen richten. Die nächste DACH-Tagung im November 2012 in Würzburg, die wir in Zusammenarbeit mit österreichischen und schweizer Musikverbänden, der Würzburger Musikhochschule und namhaften Dozenten durchführen, wird dem freiberuflichen Musikpädagogen in allen seinen Aspekten gewidmet sein. Dieser Berufsstand hat es besonders schwer dadurch, dass die Musikschulen, die kommunal und staatlich gefördert sind, Musikunterricht sehr viel günstiger anbieten können, dass die Gymnasien in einzelnen Ländern zum Teil kostenlosen Instrumentalunterricht anbieten, dass schließlich die Musikhochschulen Stück für Stück Pre-Colleges einrichten und damit gute Schüler abziehen. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich halte die genannten Fördermaßnahmen für notwendig und richtig, da sollten keine Abstriche gemacht werden. Aber wir müssen auch für den freiberuflichen Musikpädagogen eine Existenzgrundlage und Fördermöglichkeiten finden. Dem soll der Austausch mit der Schweiz und Österreich und hochkarätigen Dozenten dienen. 

Urheberrecht im Internetzeitalter und Bildungspaket

Ein weiteres Problem, das ansteht, ist die nächste Novellierung des Urheberrechtes, der sogenannte dritte Korb. Inzwischen liegen die Ergebnisse der Projektgruppe Urheberrecht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des deutschen Bundestages vor. Außerdem gibt es einen Leitantrag der Grünen „Faires Urheberrecht“. Dieser Leitantrag will dem Internet größere Freiheiten zugestehen. Das Downloaden soll in größerem Umfang als bisher zulässig werden. Das birgt die Gefahr, dass das Urheberrecht, unter anderem der Komponisten, aufgeweicht wird. Die Piratenpartei, die in Berlin sehr erfolgreich war, kämpft darum, dass das Internet ganz frei gegeben wird. Das bedeutet, dass das Urheberrecht völlig über den Haufen geworfen würde. Hier gilt es aufzupassen und dafür zu kämpfen, dass die Rechte der Urheber, also vor allem auch der Komponisten, gewahrt werden. Wenn die Urheber und deren geistige Leistung nicht mehr geschützt werden, wäre das für die Kreativität, von der unsere Gesellschaft lebt, verhängnisvoll. 

Ein weiteres wichtiges Feld ist das Bildungspaket der Bundesregierung. Wir können vom Bundesverband hier verhältnismäßig wenig unternehmen; denn der Vollzug liegt bei den Kommunen und den kommunalen Jobzentren. Also müssen die Landes- und Ortsverbände tätig werden. Wichtig ist, dass auch die Mitglieder des DTKV, die freiberuflichen Musiklehrer, in den Kreis der Leistungsanbieter einbezogen werden. Ein wichtiges Problem sind auch klare Regelungen für das legale Notenkopieren. Wir verhandeln derzeit gemeinsam mit anderen Verbänden mit dem Verband der Musikverleger und der VG Musikedition. 

Es gibt auch interne Aufgaben, etwa die Durchführung einer Mitgliederbefragung, um die Tätigkeiten unserer Mitglieder und deren Anliegen besser zu kennen und vertreten zu können. Wichtig erscheint auch die weitere Qualifizierung des Manuskriptarchivs, indem wir junge Komponisten auffordern, ihre Werke dort zur Verfügung zu stellen. Wir wollen Werke aus dem Manuskriptarchiv in Konzerten und auf CD präsentieren, wie das jetzt schon im Landesverband Nordrhein-Westfalen in Siegburg in vorbildlicher Weise geschieht. 

Eine Frage, die sich immer stellt, ist die Finanzierung. Wenn wir mehr Geld hätten, könnten wir noch viel mehr Aktivitäten entfalten. Der Weg dazu führt eigentlich nur über neue Mitglieder. Alles, was ich in dem Interview vorgestellt habe, dient – wie ich hoffe – auch dazu, den einen oder anderen zu bewegen, Mitglied im Deutschen Tonkünstlerverband zu werden, was sich in jedem Fall lohnt: kurzfristig wegen der bereits erwähnten geldwerten Vorteile für das einzelne Mitglied, langfristig, da durch einen mitgliederstarken Verband der Einfluss in Politik und Gesellschaft größer wird.

Das Gespräch führte Franzpeter Messmer

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