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Singen mit Kindern

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Ein Arbeitsschwerpunkt der Landesakademie Ochsenhausen
Publikationsdatum
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Seit mehreren Jahren wird im Bereich der Kindergärten und Kindertagesstätten ein zunehmender Verlust der Sprech- und Singfähigkeit vieler Kinder festgestellt. Dabei ist diese Entwicklung schon seit Jahrzehnten im Gange, jedoch werden die Folgen dieses schleichenden Erosionsprozesses erst in den letzten Jahren publizistisch aufgegriffen. Unter andererm bescheinigte 2001 Hermann Rauhe unserer Alltagskultur des Singens den Stand eines Entwicklungslands und Stefan Klöckner beschrieb im Kielwasser des Pisaschocks die Situation wie folgt: „Deutschland scheint nicht nur zu verdummen, es verstummt auch, zumindest was das Singen betrifft“ (FAZ, 14.02.2005). Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig und hinlänglich bekannt (Verwerfungen der Familienstruktur, Migrationshintergrund, Verwahrlosungstendenzen, Anforderungen der Leistungsgesellschaft, Überforderung der Familien und andere). In Deutschland kommt ein kulturgeschichtliches Spezifikum hinzu, welches mit dem Missbrauch des Singens im 3. Reich zusammenhängt und in der Folge der 68-er Jahre im Slogan „Singen macht dumm, viel Singen macht noch dümmer“ seinen populistischen Ausdruck fand.

Parallel zu der zunehmenden Zahl mahnender Artikel über den Rückgang des Singens haben in den letzten Jahren, gleichsam im Gegenzug, eine Vielzahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen die positiven Auswirkungen des Singens und des Musizierens auf die gesunde Entwicklung des Kindes herausgestellt, zum Beispiel die positiven Effekte im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, der Sprachentwicklung, der kognitiven und koordinativen Entwicklung sowie im emotionalen Verhalten (abgesehen von positiven Einflüssen für die psychische und physische Gesundheit). Singen, Tanzen, Musizieren sind für Kinder elementare Formen der Selbstdarstellung, wobei Musik, Sprache und Bewegung als Einheit erlebt wird. Gerade im Hinblick auf Spracherwerb und fremdsprachliches Lernen im Kindesalter wird der Musik und dem Singen eine zentrale Bedeutung zugemessen (vgl. Ernst W. Weber, Die vergessene Intelligenz, Zürich 1999). Auf dieser Folie betrachtet wird Singen und Musik zum zentralen Schlüssel für eine erfolgreiche Teilhabe an den Bildungssystemen in Deutschland.

Aus diesem Grund hat die Landesakademie für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg vor mehreren Jahren einen ihrer fachlichen Schwerpunkte auf die Verbesserung von Angeboten für das Themenfeld „Singen mit Kindern“ fokussiert. Mit einem Bündel von Maßnahmen versucht sie dabei, für die unterschiedlichsten Ausgangssituationen in Kindergarten und Grundschule Anregungen zu geben. So werden Tagesseminare für Erzieherinnen und Erzieher zum Thema „Singen und Sprechen im Kindergarten“ angeboten, welche sowohl das Problem der so genannten „Brummer“ und „Quieker“ behandelt, als auch Übungen zur Hör-Wahrnehmung beinhaltet. Oftmals gehen dabei grundsätzliche Erfahrungen mit der eigenen Sprech- und Singstimme für die Kursteilnehmer voraus, um sich dann in einem zweiten Schritt mit der Diagnose von Kinderstimmen auseinander zu setzen. Neben diesen fachlichen abgegrenzten Tagesseminaren gibt es eine Vielzahl an Seminaren, welche das Thema „Singen und Sprechen“ in Verbindung mit Bewegung bringen, so Seminare zu Tanz- und Spielliedern, zu indianischen und afrikanischen Liedern und einiges mehr. Von besonderem Interesse haben sich in den letzten Jahren Seminare entwickelt, welche den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule thematisieren. Gerade die Einrichtung von Bildungshäusern im Südwesten, welche eine kontinuierliche Bildung vom 3. bis zum 10. Lebensjahr unter möglichst enger Verzahnung von Kindergärten und Grundschulen ermöglichen soll, machen diese Seminare für die Zukunft besonders interessant. Hier wird der Schwerpunkt auf die Trias Musik – Bewegung – Sprache gelegt, um den Kindern einen ganzheitlichen Ansatz des Umgangs mit ihrer eigenen Musikalität zu ermöglichen. Parallel dazu engagiert sich die Landesakademie bei der schulbegleitenden Mentorenausbildung für angehende Erzieher/-innen, welche in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, zahlreichen Musikverbänden und der Stiftung Singen mit Kindern durchgeführt werden. Darüber hinaus werden in Zusammenarbeit mit kirchlichen Institutionen Aufbaulehrgänge für Kinderchorleitung angeboten und in Zusammenarbeit mit mehreren Stiftungen eigenständige Fort- und Weiterbildungskonzepte für den Kindergarten- und Kindertagesstättenbereich entwickelt.

Neben der Seminararbeit hat sich die Landesakademie in den letzten Jahren verstärkt durch publizistische Aktivitäten für den Bereich engagiert. Neben dem Standardwerk für die Kinderstimmbildung „Sing-Sang-Song“ (Carus-Verlag) wurde im letzten Jahr ein kommentiertes Verzeichnis von Kinderchorliteratur unter dem Titel „Stück für Stück nach Bethlehem“ (ebenfalls Carus-Verlag) veröffentlicht. Ein Folgeband für die Kinderstimmbildung ist in Vorbereitung. Diese Maßnahmen werden durch Kompositionsaufträge ergänzt, welche speziell für den Bereich Kinderchor vergeben werden. Mit dem Adventstück „Großer Stern, was nun?“ von Peter Schindler wurde hier ein erster Schritt nach vorne getätigt.

Weitere Kompositionsaufträge an Uli Führe und andere sind in Vorbereitung. Auch wissenschaftliche Fachkongresse werden zu dieser Thematik seit mehreren Jahren in Ochsenhausen durchgeführt. Themenschwerpunkte sind dabei Singen mit Kindern, elementare Musikalisierung bei Kindern und Jugendlichen und die Stärkung der Musikvermittlung im Grundschulbereich. Dabei wurde und wird immer auf eine interdisziplinäre Betrachtung der Themenfelder Wert gelegt. Neben den Kongressen im Jahr 2004 und 2006 wird im Jahr 2008 in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Elementare Musikpädagogik (AEMP) vom 25.04.–27.04. ein großer Kongress unter dem Titel „Musik bewegt Kinder – Perspektiven, Modelle, Ansätze“ durchgeführt.

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