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So klein und so abseits: der Jazz auf der Popkomm

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Ein Rückblick auf die erste Jazzkomm 2010
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Man hätte sie leicht übersehen können. Die überschaubare Ausstellungsfläche der Jazzkomm liegt versteckt auf der Galerie der Eingangshalle des Flughafens Berlin-Tempelhof, dem Austragungsort der nach einem Jahr Pause wieder auferstandenen Popkomm. Erst im Mai wurde Oliver Hafke Ahmad zum Director of Jazzkomm ernannt, um mit der Agentur artribute eine Musikplattform zu konzipieren und organisieren, die Berlin vom 7. bis 9. September 2010 auch im Rahmen der Fachmesse als bedeutende Jazzmetropole in Europa repräsentieren sollte.

Nicht viel Zeit, um Aussteller, Musiker und Veranstalter für eine neue Alternative zur Midem, zur Freiburger Kulturbörse und vor allem zur Bremer jazzahead zu begeistern. „Wir wollten zeigen, dass eine solche Veranstaltung im Herbst Zukunft hat“, so Hafke Ahmad. „Bei den Buchmessen gibt es ja auch die Frühjahrs- und die Herbstmesse. Und warum sollten die großen Plattenfirmen ihre Weihnachtsveröffentlichungen schon im Frühjahr promoten?“ Dennoch musste man mit einigem Widerstand aus einzelnen Kreisen der Jazzszene leben, die sich bis September noch nicht vom Konzept einer eigenen Berliner Jazzmesse überzeugen ließen. Entsprechend ließ sich die Zahl der Aussteller am Ende leicht an vier Händen abzählen.

Leider wurden diese wenigen Repräsentanten der Plattenfirmen, Künstleragenturen und Institutionen, die sich dann tatsächlich für die Jazzkomm entschieden haben, nicht nur recht weit vom eigentlichen Popkomm-Geschehen sondern auch im räumlichen Abstand zu den gelungeneren Day Showcases platziert. Eine Etage tiefer, im ehemaligen Friseur des Flughafens, bot die Jazzkomm tagsüber jungen Bands aus fünfzehn Nationen einen Rahmen, sich in jeweils circa 20 minütigen Sets, einer (überschaubaren) Öffentlichkeit vorzustellen. Hafke Ahmad ist sichtlich stolz darauf, dass er alle Slots für diese Kurzkonzerte verkaufen konnte und sich auch die Popkomm-Macher von der Idee, Showcases nicht nur am (häufig späten) Abend stattfinden zu lassen, begeistert zeigten.

Zeitlich für viele Interessierte etwas zu früh legte man zur inhaltlichen Unterfütterung die etwas zu groß titulierte „Jazzkomm-Konferenz“ auf den Vormittag. Für die Gestaltung gewann Hafke Ahmad seinen ehemaligen Kollegen aus frühen Tagen des mittlerweile insolventen Berliner Jazzradios (auch die aufstrebende Jazzmetropole Berlin kann sich eben keinen Jazzsender mehr leisten), Christian Broecking. Dass diese arg Berlin-zentristischen Panels zwischen „Jazz und Pop“ und „Jazz und Politik“ auch zur Promotion seiner (dabei sehr guten) Interviewbücher dienten, wirkte jedoch etwas unelegant.

Abgeschlossen wurden die Jazzkomm Tage mit erneuten Showcases in einer abendlichen Konzertreihe im frannz Club, in der sich unter anderem die kanadische und norwegische Jazzszene mit durchaus profilierten Acts, wie Beady Belle, darstellte. Doch auch hier ging die Rechnung für die Jazzkomm noch nicht auf: „Das Berliner Publikum kann kalt und grausam sein,“ zeigte sich Hafke Ahmad betroffen. „Man muss kämpfen, um auch Publikum für unbekannte Künstler zu gewinnen. In Berlin ist das Angebot nachts so riesig, dass es fast schwieriger ist, dann Konzerte voll zu kriegen als tagsüber. Wir sind da kein Solitär.“ Entsprechend soll in der Zukunft vermehrt auf die Mischung aus bekannten Headlinern und unbekannten Acts gesetzt werden.

Der ursprünglich große Vorteil, im Fahrwasser der medialen Aufmerksamkeit der Popkomm mitzufahren und nicht nur von der kleinen Gruppe der Jazzfachleute wahrgenommen zu werden, zeigte sich so am Ende „gleichzeitig als schwerwiegender Nachteil.“ Hafke Ahmad gestand ein: „Man hat weniger Aufmerksamkeit, als wenn man etwas alleine machen würde. Es ist ein Wechselspiel, aber ich würde sagen, die Vorteile überwiegen.“ Bleibt die Frage nach der Zukunft. „Auf der diesjährigen Popkomm war für mich die Jazzkomm das Überraschungshighlight.“ Ein solches Lob hat Hafke Ahmad sicher nicht zu häufig gehört. Und da dieser Satz dem Mund des Popkomm Geschäftsführers Ralf G. Kleinhenz entstammt, bietet es dem ausgebildeten Jazzmusiker hoffentlich eine Grundlage, wenn es in die Verhandlungen und Planungen fürs nächste Jahr geht. Denn der Beweis, dass es in Berlin tatsächlich Bedarf an einer eigenen Jazzmesse gibt, konnte nicht angetreten werden –in erster Linie, weil es mit wenig mehr als einem Vierteljahr auch nicht genügend Zeit für eine professionelle Vorbereitung gab. Um das Überleben einer weiteren Jazzmesse in Deutschland zu sichern, wird sich die Jazzkomm aber ein ausgereifteres Profil überlegen müssen, um Aussteller, Musiker und Publikum von einer Investition im nächsten Jahr überzeugen zu können.

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