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So nimmt man Abschied

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Die Farewell & Goodbye Tour 2008 von Fury in the Slaughterhouse auf DVD
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Es ist freilich ein trauriger Anlass, diese DVD näher zu beleuchten. Westernhagen und Carpendale gehen. Kommen aber wieder. Fury in the Slaughterhouse gehen und bleiben für immer. Weg.

Die letzte deutsche Indie-Rockband verabschiedete sich am 30. August 2008 im ausverkauften Gilde-Park, Hannover, mit drei Konzerten von ihren Fans. Einundzwanzig Jahre durchlebt man dabei im Zeitraffer. Und der Kloß im Hals wird nicht kleiner. Die Erinnerungen schweifen ab. Für viele bedeuten Fury in the Slaughterhouse Erinnerungen an Schulzeiten, Abitur, Studium oder Erststudium. Als Songs wie „Won’t Forget These Days“, „Radio Orchid“, „Time To Wonder“, „Every Generation Got Its Own Disease“ oder das geniale McGuinness Flint-Cover „When I’m Dead And Gone“ das Leben versüßten und erleichterten. Diese Fähigkeit Erinnerungen hervor zu rufen, besitzt wohl heute keine deutsche Band mehr. Zu belanglos sind die Präsenzen der Nachfolger und aktuellen Szenebewohner. Auch weil Fury in the Slaughterhouse das Talent besaßen, den Geist der Zeit zu treffen.

Mit jedem Album. „Mono“ (1993) mit seinen Songs „Radio Orchid“, „Every Generation Got Its Own Disease“ oder „When I’m Dead And Gone“ traf exakt das Lebensgefühl der damaligen Zeit. Als Grunge in gemäßigter Form nach Europa schwappte. „Mono“ war das deutsche „Nevermind“ (Nirvana) oder das Pendant zu Pearl Jams „Ten“. Rein gefühlsmäßig freilich, denn Fury in the Slaughterhouse waren mitnichten „Grunge“. Dafür jedoch Lebensgefühl, Echtheit und Glaubwürdigkeit.

Oder das Album „Jau!“ aus dem Jahre 1990, das weit vor Grunge einen markanten Übergang von den Achtzigern in die Neunziger verkörperte. Und Songs wie „Won’t forget these Days“ oder „Seconds to fall“ enthielt, die heute, 19 Jahre später, weder ihrer Magie verloren noch ihre Ausdruckskraft eingetauscht haben.

Dass Fury in the Slaughterhouse aufhören, ist bedauerlich. Aber vielleicht der einzige Weg aus ihrer Perspektive, das Geleistete bleibend zu gestalten. Und den Fans wertvolle Betrachtungen zu ermöglichen, die man beim Hören der Alben und beim Se-hen der DVD entsprechend verortet.

Lange Rede kurzer Sinn. Es ist vorbei. Was bleibt, ist ihre großartige, unprätentiöse Musik. Ihre Ernsthaftigkeit, ihr Anspruch, Musik als Botschaft oder Anliegen zu verkaufen und dabei erst in zweiter Linie einen kommerziellen, aber legitimen Anspruch zu verfolgen. Nein. Verbogen hat Fury in the Slaughterhouse niemand während ihrer langen Karriere. Sie blieben stets bescheiden, ließen sich weder vom Markt und seinen Mechanismen noch von den Medien vereinnahmen. Interviews waren interessant und niemals unbeliebig. Wo findet man das heute noch in der herzlosen deutschen Rockszene?

Diese gesamte Haltung reflektiert dann folgerichtig der DVD-Mitschnitt der Abschiedskonzerte. Die geballte Energie der Band trifft auf den Betrachter. Trotz großräumiger Präsenz der Band, schafft sie es, die Songs in das Zentrum zu transportieren. Die Band versteht sich als Beiwerk. Liefert den Rahmen. Und lässt dem Hörer und Seher damit genug Freiraum, in die Songs einzutauchen. In Zeiten opulenter Bühnenshows ist das eine Wohltat, ein Vergnügen und fast schon einzigartig. Es ist an uns zu sagen: „We won’t forget these days“.

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