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Spiegelungen in die Musik-Theater-Zukunft

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Die Stuttgarter Oper legt sich ein Laboratorium zu: erster Versuch mit einer Breitscheidt-Premiere
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In den späten Sechziger- und den Siebziger-Jahren legten sich die Opernhäuser, soweit sie vom Geist des Fortschritts ergriffen waren, so genannte Opernstudios zu, kleinere Theaterräume meist unter dem eigenen Dach oder im Keller. Dort fanden ambitionierte Uraufführungen oder zumindest Erstaufführungen statt. Oft erhielten vorwiegend jüngere Komponisten Aufträge, eine möglichst nicht zu ausufernde neue Oper zu komponieren. Prominentes Paradebeispiel: Wolfgang Rihms Kammeroper „Jakob Lenz“ wurde 1979 in der Opera Stabile der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt. Eine Zeitlang flossen der „alten“ Oper von den Studios lebendige Impulse zu.

In der Gegenwart mögen sich die Operntheater nicht mehr mit der puren szenischen und musikalischen Umsetzung einer bereits vorliegenden Opernarbeit zufriedengeben. Forschungsarbeit ist angesagt: Denn es gibt nicht länger nur Noten, Sängerkehlen oder traditionelle Instrumente. Die Elektronik hat schon seit geraumer Zeit Einzug ins Komponieren gehalten. Video, Film, mediale Techniken kamen hinzu, das Guckkastentheater wird zunehmend als Hemmnis empfunden, Raum-Klang heißt das magische neue Wort.

Die Stuttgarter Oper unter ihrem Noch-Intendanten Klaus Zehelein (sein Nachfolger wird schon ziemlich intelligent und gebildet sein müssen, soll Stuttgarts Oper so bleiben wie sie unter Zehelein geworden ist) hat aus den veränderten Aspekten die Konsequenzen gezogen und sich ein entsprechendes „Studio“ zugelegt, das den Namen „Forum Neues Musiktheater“ erhielt, genauer gesagt jedoch ein Laboratorium sein soll, in dem nicht nur Aufführungen stattfinden, sondern mehr noch Forschungen über ein Musiktheater des 21. Jahrhunderts, deren Ergebnisse dann von Zeit zu Zeit der interessierten Öffentlichkeit präsentiert werden. Für das Projekt wurde auf dem Gelände des Römerkastells in Bad Cannstatt ein quaderförmiger, holzverschalter Theaterbau erstellt, dessen Inneres sich zunächst als „leerer Raum“ à la Peter Brook darstellt, nur mit den notwendigen technischen Installationen bestückt. Komponisten, Medienkünstler, Filmemacher, Regisseure und kreative Techniker werden hier über künftiges Musik-Theater nachdenken, über Formen und Inhalte, über die Einbeziehung neuer Medien, über variable Raum-Konzeptionen und so fort.

Ein erster Versuch zur Eröffnung des „Forums“ war schon zu besichtigen. Andreas Breitscheidt, künstlerischer Mitarbeiter der Stuttgarter Oper und nun auch Leiter des „Forums“, konzipierte ein Musik-Theater auf Heiner Müllers vielschichtigen Text einer „Bildbeschreibung“, den Müller selbst als eine „Übermalung“ der „Alkestis“ bezeichnete, als die Beschreibung einer „Landschaft jenseits des Todes“. Breitscheidts Szenarium für zwei Schauspieler, eine Tänzerin, eine Sängerin und vier Instrumentalisten wirkt wiederum wie eine Übermalung von Müllers Text: Kompositorische Strukturen, Spielaktionen, gesprochene Texte, Vokalisierungen und filmische, zeichenhafte Einblendungen verbinden sich in einer verrätselnden Magie, die enge Koinzidenzen zum Müller-Text herstellt.

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