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Spürbare Fortschritte?

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Bei den diesjährigen Salzburger Festspielen erregte ein menschliches Wesen dadurch Aufmerksamkeit, daß es keine Aufmerksamkeit beanspruchte. Es gefiel diesem Menschen, sich nun schon seit vielen Jahren in Salzburg auf angenehme, hochstehende Art und Weise künstlerisch unterhalten und angeregt zu fühlen, und da dieser Mensch Amerikaner und außerdem Millionär ist, wollte er sich auf seine Art und Weise für das ihm zum höheren Vergnügen Gebotene revanchieren: indem er den Festspielen eine Million Dollar schenkte, einfach so, ohne Namensnennung, ohne Firmenlogo überall, ohne Fördererlounge, ohne Empfang.Ein Wunder: ein Mäzen. Natürlich kann ein solcher, weil einer scheinbar ausgestorben geglaubten Gattung zugehörig, nicht von heute auf morgen verlangen, in der Anonymität zu verharren. Wunder wollen bestaunt werden, und so fand sich der Festspielfreund ganzseitig in den Salzburger Nachrichten in Wort und Bild gefeiert. Wenn also im nächsten Festspielsommer die Besucher aus aller Welt in die Aufführungen von Busonis „Doktor Faust“ gehen, dann dürfen sie für die teure Ausstattung dem mäzenatischen Kunstfreund Dank abstatten, den dieser wiederum nicht erwartet. Warum das hier erzählt wird? Die Neue Musikzeitung läßt in dieser Ausgabe im Dossier (ab Seite 41) eine Reihe bekannter Firmen, die für ihr Sponsoring bekannt geworden sind, über Absichten und Ziele, die sie mit ihren Aktivitäten in Kunst und Kultur verfolgen, berichten. Wer die Texte genauer liest, darf, nicht ohne Befriedigung, eine Tendenz zu einem sinnvollen Kultursponsoring feststellen, das zwar (noch) nicht von mäzenatischer Großherzigkeit, aber doch von einem verantwortungsvolleren und bewußteren Umgang zwischen Wirtschaft und Kultur geprägt wird. Die Sponsoren, die ihren mit Gegenansprüchen gespickten Beitrag vornehmlich in das Arrangement des kalten Buffetts zum „Danach“ investieren, scheinen auf dem Rückzug. Es wächst das Bewußtsein, daß Kunst und Kultur nicht nur eine Standortfrage oder Draufgabe zum angenehmen Leben sind, sondern Möglichkeiten einer umfassenderen Menschenbildung und Sinnstiftung. Mit anderen Worten: Die Förderung der Kultur fließt über den durch die Begegnung mit der Kunst geformten und sensibilisierten Menschen, vor allem den jungen Menschen, insgeheim wieder zum Gebenden zurück. Auch die Ökonomie benötigt den kreativen, phantasievollen Mitgestalter, dessen Perspektiven über das Lesen von Börsenkursen hinausreichen. Oder um ein einst auf die Physik gemünztes Zitat abzuwandeln: Wer nur etwas von Wirtschaft versteht, versteht auch nichts von der Wirtschaft. In diesem Sinne.

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