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Standort der Orgel ist nicht nur in der Kirche

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Zum Artikel „Wege aus der Vereinnahmung eines Instruments“ von Margareth Tumler (nmz 5/13)
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Mit Frau Tumlers Artikel bin ich in einigen Punkten nicht einverstanden. Als Kirchenmusiker habe ich Orgelschüler und kenne aus eigener Anschauung Probleme, wie sie die Autorin aufzeigt: die wenig flexible Ergonomie des Instruments, die Fragen nach geeigneter Literatur und nach der Motivation der Schülerinnen und Schüler.

Zunächst einmal aber vermag ich beim besten Willen nicht zu verstehen, was Tumler mit dem „sakralen Rahmen von Geboten und Verboten“ meint, der dem Instrument Orgel als „Nonnentracht“ „übergestülpt“ worden sei und der verhindere, dem „ungemein vielseitigen und facettenreichen Instrument“ „schier überwältigende Töne zu entlocken“. Vielleicht findet sie es ja schade, dass es kein nennenswertes Orgelwerk von Dittersdorf oder Lloyd Webber gibt und wir daher mit Bach und Messiaen vorlieb nehmen müssen.

Ungeheuerlich finde ich die Unterstellung, von der Personalie des Unterrichtenden (KIRCHEN-Musiker/- in bzw. ORGEL-Pädagoge/- in) hänge es ab, ob der Auszubildende das Musizieren als „persönliche Bereicherung“ oder im Gegensatz dazu nur „selbstlos […] zur Ehre Gottes“ ausübe. Tumlers Artikel liest sich so, als würden Kirchenmusiker geradezu verhindern, den Schülern den „künstlerischen Weg in den Konzertsaal zu ebnen“.

Frau Tumlers Thema ist auch der Standort der Orgel in der Kirche. Die Digitalorgel biete Vorteile: Ergonomisch, räumlich flexibel und häufig mit mehr Klangfarben ausgestattet, als die heimische Dorfkirchenorgel. Aber: Ist der Raumklang in der Kirche, das Erlebnis des technisch-mechanischen Funktionierens einer Pfeifenorgel nicht ebenso ein Plus? Ich selbst stelle gerade bei Orgelbegehungen mit Konfirmanden eine starke Faszination angesichts des riesigen mechanischen „Apparats“ Orgel fest.

Ich weiß auch nicht, ob sich ein Orgelpublikum „fragen muss“, ob es der Musik wegen komme oder den „emotionalen Kirchgang“ suche. Wenn die kirchliche Sozialisation darüber entscheidet, ob die Orgel „gehört und gespielt“ wird, dann ist das für mich ein Anreiz Berührungsprobleme zu mindern. Es gibt bei uns auch keine Gretchenfrage, bevor der Unterricht beginnt. Solange aber in einem Raum mit guter Akustik (Kirche) ein gutes Instrument steht (Pfeifenorgel), wird man das Bach-Präludium eben dort anhören.

Einige Orgelschüler durfte ich auf das Kirchenmusikstudium vorbereiten, aber auch Nicht-Organisten und Sänger auf Aufnahmeprüfungen in Theorie und Gehörbildung, weil an der Musikschule dieses Angebot nicht bestand.

Vor allem aber sehe ich es als meinen Aufgabe an, das Instrument Orgel in der Breite bekannt zu machen. Sollte es in der Zukunft einmal gar keine Organisten mehr geben, würde meinem Berufsstand das zurecht mitangelastet werden. Dass ich durch Artikel wie diesen aber gleichzeitig Prügel dafür beziehe, den künstlerischen Nachwuchs ungenügend zu entdecken und heranzuziehen, verletzt mich zutiefst.

Jan Knobbe, Bad Arolsen

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