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Anne Heßling und Musiker des JugendZupfOrchester NRW bei der Urauffüh-rung von Hakenbergs „The Amputation of Charlie Sharp“ am 2. November im Salzlager der Zeche Zollverein. Foto: LMR NRW
Anne Heßling und Musiker des JugendZupfOrchester NRW bei der Urauffüh-rung von Hakenbergs „The Amputation of Charlie Sharp“ am 2. November im Salzlager der Zeche Zollverein. Foto: LMR NRW
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„The Amputation of Charlie Sharp“

Untertitel
Festival „NOW!“: Uraufführung der Oper von Stefan Hakenberg mit dem JugendZupfOrchester NRW
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Das instrumentale Vorspiel lässt nichts Gutes erahnen: Dunkle Wolken entstehen aus den Klängen des JugendZupf-Orchesters NRW, das um viele weitere Instrumentalisten erweitert wurde, und der Opernbesucher ahnt, dass auf die Protagonisten ein übles Schicksal wartet. Stefan Hakenberg greift in seinem Vorspiel in guter Operntradition auf viele musikalische Ideen, die spätere Szenen prägen werden, vor. Er bindet sie nicht zu einem Vorstellungsreigen, sondern er schichtet und verdichtet sie zu einer akustischen Woge, die durch das Salzlager der Zeche Zollverein zu spülen scheint. Dem Plot ist diese Musik angemessen, denn im Mittelpunkt der Handlung steht Charlie Sharp, der in einem Krankenhaus vergegenwärtigt, dass ihn ein Kriegseinsatz seine Beine kostet.

Philip Gourevitch verfasste das Libretto, das sich von der Gefahr durchgehender Düsternis fernhält und in den einzelnen Szenen Lichtblicke, ja sogar humoristische Anwandlungen bringt. Auch in der Situation der körperlichen Versehrtheit ist der Mensch Subjekt und Objekt von Beziehungen der Zuneigung und der Liebe und auch hier entwickeln sich diese Beziehungen häufig wechselhaft oder gar einseitig bis hin zu einem Kreiseln der Protagonisten um sich selbst. Olaf Matthias Roth sorgte dafür, dass die englischsprachige Vorlage zu einem durchweg natürlich anmutenden deutschen Text wurde. Die Vertonung Hakenbergs greift die Stimmungswechsel auf, ohne die Emotionen der Handlung durchgehend zu verdoppeln. Durchbrochene Tonsätze und Kontrastprinzipien sorgen für dramaturgische Akzente, denen Christian de Witt als künstlerisch-er Leiter besondere Aufmerksamkeit schenkte.

Bei der Aufführung der Auftragskomposition des Landesmusikrats NRW im Rahmen des Festivals „NOW!“ dirigierte de Witt das JugendZupfOrchester NRW, ein zusätzliches Projektensemble, Sprecher des Ausbildungsbereichs Schauspiel der Folkwang Musikschule und Solisten der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf, die überwiegend aus der Klasse von Ludwig Grabmeier kommen. De Witt leitete damit ein Ensemble, das dem Nachwuchs zuzurechnen ist, das aber in weiten Teilen brillant über diese Kategorie hinaus agierte. Das gilt zumal für den Sänger der Titelrolle, Gereon Grundmann, der mit beeindruckender Souveränität die Zerrissenheit Charlies und auch dessen Rückzug ins Innere und in die Verhärtung gestaltete.

Das galt aber auch für das übrige Ensemble: Marcelo de Souza Felix, Stephanie Lesch, Anne Heßling, Philippe Clark Hall und zumal für Linda Hergarten, die die Partie von Charlies eins-
tiger Lebensgefährtin Estelle innerhalb von drei Tagen einstudieren musste, nachdem die ursprüngliche Besetzung krankheitshalber ausgefallen war. Linda Hergarten sang und agierte ausdrucksstark, als sei sie vom ersten Probentag an dabei gewesen. Sprecherrollen gelten weiteren Invaliden im Krankenhaus, die zuweilen als eine Art kommentierender Griechischer Chor auftreten, um dann wieder mit derben Zwischenrufen das Geschehen in den Grenzbereich der Burleske zu ziehen – mit Lust an der Sache vollzogen durch Umut Türkoglu, Maximilian Brosk und Philipp Oberholz.

Die Veranstaltungsregie und Projektleitung lag in Händen von Frauke Meyer. Die Veranstaltung des Landesmusikrats in Kooperation mit der Folkwang Musikschule und der Zeche Zollverein im Rahmen des Festivals „NOW!“ wurde gefördert vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW und der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West.

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