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Tripel Trips

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Jazz-Neuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
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Zu dritt ist im Jazz zurzeit bei variablen Besetzungen eine sehr breit gefächerte Stilpalette bemerkbar. Doch zunächst ist an einen Aufbruch, ja Ausbruch aus Konventionen zu erinnern, der vor 45 Jahren stattfand, als der britische Supervirtuose John Taylor (1942–2015) mit Chris Lawrence (Bass) und Tony Levin (Drums) der Moderne im Klaviertrio eine prägnante europäische Façon gab. So radikal, dass er meinte, es seien Fähigkeiten zu „Decipher“ (MPS 0212425) notwendig, um zu erkennen, was da durch intensivstes Interplay in ultraschnellem Hardbop-Tempo passiert oder sich aus freien Assoziationen zu fulminanten Riffs verdichtet.

Ein aktuelles, wenn auch anders emanzipatives Echo der 1970er Jahre hört man beim norwegischen Oddgeir Berg Trio, indem es sich „Before Dawn“ (Ozella 072) an mysteriöse, durch Synthesizer gefärbte Melodik und fließende Rhythmen von Karl-Joakim Wisløff (Bass) und Klaus Robert Blomvik (Drums) milden Fusion-Sounds orientiert. Direkter und lauter sind dagegen der Altsaxofonist Fabian Rucker, Keyboarder Philipp Nykrin und Drummer Andreas Lettner aus Österreich, die sich als „Namby Pamby Boy“ (Babel BDV 16142) in polternden Trommelbeats tummeln, allerdings zappaesk-raffiniert gerückt, mit schrägen Sax-Motiven und manchmal psychedelischen Elektro- oder gar flackernden Stroboskopklängen.

Ebenso energetisch, doch eher am Popgenre angelehnt, erkunden die italienischen Periscopes + 1 (aus den USA)  die Bedeutung dieser „Legacy“ (Auand 9067) für Jazzsounds der Gegenwart. Emotionale Tenorsax-Kantilenen von Emiliano Vernizzi stützen sich dabei auf rhythmische Klangteppiche von Alessandro Sgobbio, der akustisches Klavier und Fender Rhodes kombiniert, sowie von Nick Wright’s fein gestaffelten Drum-Akzenten. Kein Hexengebräu, sondern der Versuch, Trends und Stile ohne Scheuklappen zu verschweißen.

Improvisationen in ungewöhnlichem Milieu pflegt Jütz (schweizerisch für: Jazz), nämlich Alpenfolklore „Hin & Über“ (Chaos 8490) zu geleiten. Freundlich-satirischer Gesang und Humor gehören da natürlich zur Partnerschaft, wenn Trompeter Daniel Woodtli, Bassist Philipp Moll und Isa Kurz an Hackbrett, Akkordeon und Geige das Terrain abstecken: auf dem Tanzboden beim „Schleuniger Tempo Dampfl“ holpert’s schon mal, weil alle besoffen sind und der „Judenberger Siebenschritt“ swingt zwar, aber nicht gerade, sodass der Groove sogar im 3/4 Takt-„Pleitemarsch“ fast aus dem Tritt kommt. Abgedreht.

Stattdessen kann man ungeniert mit den Füßen wippen, sobald  Trompeter Matthias Schwengler zu eleganten Changes in Cool Jazz-Manier anhebt. Virtuos gestaltet er mit Bassist Reza Askari und Gitarrist Philipp Brämswig dieses Retro-Repertoire, aber nicht nostalgisch, sondern „Soulcrane“ (Float Music 14) sehr persönliche Facetten in moderaten Club-Rhythmen zu präsentieren. Atmosphärische Dichte und beste Intuition beim Interplay garantieren mit dieser Band aus Köln Conaisseur-Gefühle. Deren und auch der anderen Tripel Trips weisen darauf, dass zu dritt besondere Jazz-Attraktionen entstehen können.

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