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Tutti Pro im Praxistest

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CD-Koproduktion des Konzerthausorchesters Berlin mit dem Orchester des Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach
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Überraschend lag auf dem Gabentisch eine CD-Koproduktion zwischen dem Konzerthausorchester Berlin und dem Orchester des Musikgymnasiums Carl Philipp Emanuel Bach. Die Produktion fand statt im Rahmen der Orchesterpatenschaft „Tutti Pro“, die die richtigen Profis vom Konzerthausorchester und die Profis „in Ausbildung“ seit 2008 miteinander verbindet.

Durch die Initiative „Tutti Pro“ ist bundesweit angeregt worden, dass Berufsmusiker und Schüler gemeinsam proben und gemeinsam auftreten und dieses Erlebnis ist für die Schüler immer wieder etwas ganz Besonderes. Auch das Konzerthaus, das vormalige „königliche Schauspielhaus“ ist ja mit der Berliner Musikgeschichte besonders eng verbunden: Hier erlebte Webers „Freischütz“ 1821 seine legendäre Uraufführung. Und auch für das Musikgymnasium hat das Haus eine große Bedeutung. Denn nicht wenige der Musiker des Konzerthausorchesters waren einmal Schüler dieser Schule und nicht wenige geben ihr Wissen als Lehrer heute an die Schüler weiter.

Auf der CD erklingen die „Hebriden“ und das „Märchen von der schönen Melusine“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, die Rokoko-Variationen von Peter Tschaikowski und das Grand Duo Concertante von Giovanni Bottesini. Die Aufnahme wurde geleitet von den beiden Dirigenten Jörg-Peter Weigle, Professor an der Hochschule für Musik Berlin und Tilo Schmalenberg, dem langjährigen Orchesterleiter des Musikgymnasiums. Beide gehen verschiedene Wege bei der Interpretation, Weigel kitzelt eher den rauschhaften und romantischen Orchesterklang aus den Musikern heraus und spannt große Bögen in der musikalischen Dramaturgie; bei Schmalenberg geht es mehr um das liebevoll herausgearbeitete Detail und um die witzige oder virtuose Attitüde des Augenblicks. Beide aber verstehen es, die verschiedenen Teile des Orchesters (Profis-Schüler) bruchlos zu vereinen und zu einem eindrucksvollen Gesamtklang zu verschmelzen. Der Tonmeister Eckhard Glauche zauberte dazu einen angenehm abgerundeten Orchesterklang, filigran und doch in allen Details ausdifferenziert und durchhörbar.

Josephine Bastian ist die Solistin der Rokoko-Variationen, einem heiklen, aber von den Cellisten aller Welt sehr gern gespielten Stück. Tschaikowski verwendet Tanzsätze und kontrapunktische Formen, die an ältere Musikmodelle angelehnt, aber alle durchweg entspannend und wohlklingend zu interpretieren sind. Bastians eleganter, zarter und effektvoller Cello-Stil überzeugt in allen Passagen. Sie pflegt einen unaufdringlichen, kultivierten Ton und verfügt über eine ausgefeilte Skalen- und Akkordtechnik. Nichts klappert, klirrt oder zerrt.

Marijn Seiffert (Violine) und David Scherka haben in Bottesinis „Grand Duo Concertante“ halsbrecherisch schwierige Passagen zu bewältigen, die an der Grenze der Spielbarkeit liegen, tun das aber mit so großer Spielfreude und ebensolchem instrumentalen Können, dass man in heiterer Harmonie lauschen und eintauchen kann in diese längst versunkene Welt der großen Streicher-Virtuosen. Für die großen Duo-Kadenzen erarbeiten sich die beiden Solisten wohlausgewogene Versionen, angefüllt mit effektvollen und brillanten Klangstudien und musizieren mit hingebungsvollem Spielwitz und in heiterer Lockerheit.

Die Musik – welch ein Glück - erneuert sich immer wieder. Und auch große Talente wachsen immer noch und immer wieder nach. Hier sind solche zu erhören und man wird hoffentlich noch manches Weitere von ihnen zu hören bekommen. Herzliche Gratulation an das Musikgymnasium und das Konzerthaus für dieses gelungene Tutti- Pro-Projekt. Praxistest bestanden.

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