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Moritz Eggert am Klavier. Foto: Hufner
Moritz Eggert am Klavier. Foto: Hufner
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Unterrichten in Zeiten von Corona (3)

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Absolute Beginners 2020/07
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Meine Mailbox ist voll von Nachrichten von Kollegen: „Wie ist es denn an eurer Hochschule?“ „Wann beginnt bei euch der normale Unterricht wieder?“ „Wie macht ihr es mit den Prüfungen?“. Andere wiederum lamentieren darüber, wie anstrengend der Online-Unterricht ist: Man starrt auf die Gesichter teilnahmsloser Studenten, die vielleicht nebenher Minecraft spielen oder Whatsapp-Nachrichten beantworten, manche schalten bei Seminaren auch gleich sicherheitshalber die Kamera ab. Daher schaut man als Lehrer manchmal auf lauter schwarze Kästchen, während man über Cembalo-Verzierungspraktiken im Spätbarock redet.

Besonders neugierig auf die Verhältnisse in Deutschland sind amerikanische Kollegen – für sie gilt Deutschland als vorbildlich, was den Umgang mit der Pandemie angeht, und was ich ihnen über die hiesigen Maßnahmen erzähle, fließt dort in Leitungssitzungen als Diskussionsstoff ein.

Nein, schlimm ist es bei mir nicht. Man kann sich arrangieren – der Onlineunterricht strengt mich nicht mehr an als der normale Unterricht, es fehlt ihm nur ein wenig der persönlichen Wärme einer Begegnung. Aber letztlich freut man sich doch, wenn man die Student*innen wohlauf sieht, denn ein bisschen Sorgen macht man sich als Lehrer immer. Eine Studentin ist in Corona-Zeiten sogar Mutter geworden, es war ein großes Thema, in welches Krankenhaus sie kann und ob sie bei der Geburt eine Atemmaske tragen muss oder nicht.

So langsam kehren die ersten Studenten aus dem Ausland wieder nach Deutschland zurück. Torbjörn ist Norweger, hat aber die letzten Monate in Schweden verbracht. Daher geht er auch freiwillig in 14-tägige Quarantäne, da er die schwedischen Maßnahmen für nicht sicher genug hält und dort daher auch kaum seine Wohnung verlassen hat. Abigel hat eine ganztägige Reise mit dem Zug aus Ungarn hinter sich und freut sich auf die letzten Wochen ihres leider teilweise ins Coronawasser gefallenen Erasmus-Stipendiums. Wie viele es von diesen Stipendien in Zukunft wegen Sparmaßnahmen noch geben wird, weiß niemand. Hao ist zwar Chinese, war aber die letzten Monate in Deutschland. Sein Abschlusskonzert ist einige Monate verschoben worden, aber noch immer ist nicht klar, ob er die notwendigen Musiker dafür zusammenbekommt. Die normalerweise verlässlichen Studentennetzwerke funktionieren nicht mehr, viele sind im Ausland geblieben oder können – wie mein russischer Student Ivan, der in Moskau ausharrt – nach wie vor nicht einreisen.

In der Hochschule ist mein Raum nun für Bläser reserviert, da er zu den größeren Räumen gehört, in denen man den in Bayern vorgeschriebenen 5-Meter-Abstand realisieren kann. Maximal 2 Personen sind pro Raum erlaubt, Fremde dürfen die Hochschule nicht betreten. Ich selbst müsste meine Studenten in den winzigen Räumen im Keller unterrichten, mit Atemmaske und beigestellter Tonanlage – vielleicht lieber noch ein wenig warten? Andererseits: wenn einige schon extra angereist sind, wäre es dann nicht dämlich, den Unterricht weiterhin online zu machen? Ein schwieriges Dilemma.

Ein großes Fragezeichen sind auch die anstehenden und nun auf Juli verschobenen Aufnahmeprüfungen. Wer wird denn nun gerade aus zum Beispiel China oder Korea anreisen, um an deutschen Hochschulen zu studieren? Für viele ist Europa nach wie vor Krisengebiet. Wir überlegen, zumindest die Master-Aufnahmeprüfungen per Videokonferenz abzuhalten, aber dazu fehlt noch der Segen des Ministeriums. Und welche deutschen Studenten haben momentan Lust, sich zum Beispiel in den USA an einer Musik­universität zu bewerben?

Wenn Corona uns eins lehrt, dann ist es: Flexibilität. Auch nicht das Schlechteste.

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