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Unzeit, zeitlos

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Eine Krähe hackt der anderen mal kurz ins Auge: Ach, Du liebe ZEIT. Fast hatte man ihr Feuilleton schon wieder geschätzt, bei all dem Gen-Genöle in der FAZ und spiegelianischem Event-Gelabber. Was allerdings Musikredakteur Claus Spahn gerade aus den beiden Filmen „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ und „Rhythm is it!“ für den Zustand zeitgenössischer Musikerziehung ab- und verzapft, ist durch genau jenen Journalisten-Dünkel getrübt, der eine vernünftige Beziehung zwischen Pädagogik und Feuilleton seit Jahrzehnten arrogant verhindert.

Als oberste Gerichtsbarkeit und Moralapostel wird mal wieder Theodor W. Adorno bemüht, dessen Satz aus der frühen Nachkriegs-Ära, Musik als soziale Funktion sei dem Nepp verwandt, den Beweis dafür liefern soll, dass die zitierten Lichtspiele üble Volksverblödung seien, von Kinder korrumpierenden Education-Programmen unserer Orchester und Verbände ganz zu schweigen. Solche Maßnahmen werden mit einem saloppen Satz niedergemacht. Damit Sie es nicht so weit haben, Herr Spahn: Hamburgs Musikschule veranstaltet jede Menge fantasievolle Kinderkonzerte in durchaus erzieherischer Absicht. Vielleicht sollten Sie mal einen Blick auf die dort eingesetzten Folterinstrumente von Mollenhauer, Meinl oder Sonor werfen und sich das heimtückisch erschlichene Kinder-Lachen zu Gemüte führen, von gelegentlicher vermutlich mental erknüppelter Ernsthaftigkeit ganz zu schweigen…

Weil Ihnen das aber wahrscheinlich auf Ihren Gedankenflügen zwischen Salzburg, Bayreuth und Savonlinna zu popelig anklopft, ein kurzer Verweis auf einen kulturpolitischen Vorgang ebenfalls in Ihrer nächsten Nachbarschaft: Schleswig-Holsteins neue Landesregierung will das Kultusministerium abschaffen. Künftig soll für Kulturfragen die Staatskanzlei zuständig sein. Und der zukünftige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen denkt ernsthaft darüber nach, als Beauftragte der Staatskanzlei für den Kulturbereich die neue ehrenamtlich arbeitende Minderheitenbeauftragte Caroline Schwarz (CDU) zu ernennen. Das könnte Ihnen doch gefallen, Herr Spahn. Ist Kultur letztlich nicht immer ein Minderheiten-Phänomen, eine Angelegenheit der Eliten? Raus mit der Kultur aus den verknöcherten Amtsstuben und rein in die offene Wildbahn. Soll sich erhalten, was überlebt, mehr Stahl ins Blut. Und das Niedere, das Politische an der Kultur sollen ruhig die professionellen gewählten Müllkutscher der Nation erledigen. Einer, der sich für Kärrnerarbeit im Dienst der Sache nie zu schade war, dem die ZEIT vermutlich keine Zeile widmet, der 34 Jahre lang mit dafür gesorgt hat, dass Musikpädagogik längst die einst von Adorno angefeindeten Kuschelwinkel höchst erfolgreich hinter sich gelassen hat, verlässt seine „Amtsstube“. Rainer Mehlig, Bundesgeschäftsführer des VdM geht in den Ruhestand. Im Rahmen seiner 80-Stunden-Woche war er offiziell immer nur halbtags angestellt. So hatte er in den 24 Monaten seines Arbeitsjahres auch die Zeit, immer wieder neue, kreative und vor allem auch umsetzbare Modelle für die Musikvermittlung zu entwickeln. Danke, und eine wirklich gute Zeit – wünscht im Namen der nmz:

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