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Uraufführungen 2010/11

Untertitel
Die Quadratur des musikalischen Kreises
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Hat nach 250 Jahren das Streichquartett nicht seine Bedeutung verloren? Wurde die Gattung nicht in dem Maße zum Atavismus, in dem die Motive und Bedingungen wegfielen, die einst bei Haydn zu ihrer Entstehung geführten hatten? Wurde mit der überwundenen Tonalität nicht die Maßgabe elementarer Vierstimmigkeit hinfällig, die man sonst für komplette Dreiklänge aus Grundton, Terz, Quinte und Oktave brauchte? Welche Rolle spielt noch die nach dem klassischen Homogenitätsideal gebildete Besetzung für zwei Violinen, Viola und Violoncello, die sich unter Weglassung des Kontrabasses dem Vorbild der vier menschlichen Stimmlagen Sopran, Alt, Tenor, Bass verdankt und die dadurch mit instrumentalen Mitteln bis heute das in der Kirchenmusik Jahrhunderte lang gültige Primat der Vokalmusik unbewusst fortschreibt? Dass heute trotzdem noch und seit den 1970er-Jahren wieder verstärkt Streichquartette komponiert werden, hat zum einen ganz pragmatisch seinen Grund darin, dass beispielsweise mit dem seit 36 Jahren aktiven Londoner Arditti-, dem Pariser Diotima- und dem New Yorker Jack-Quartett ausgezeichnete Quartettformationen bereitstehen, für die – wie jetzt erst bei der „Quardittiade“ der Donaueschinger Musiktage – ständig neue Werke in Auftrag gegeben werden. Zum anderen fasziniert das Streichquartett zweifellos gerade wegen seiner langen Tradition und der Möglichkeit zu freiwilliger Selbstbeschränkung, welche die kompositorische Fantasie gerade durch die instrumentale Festlegung zu neuen klanglichen, satztechnischen und formalen Lösungen treiben soll. Mancher greift dabei auch zu Hilfsmitteln und Hintertürchen, indem er die Viererbesetzung multipliziert oder in den Kontext eines Orchesters projiziert.

Johannes Maria Staud kombiniert „Über trügerische Stadtpläne und die Versuchungen der Winternächte“ ein Streichquartett mit Orchester. Das Stück wird vom Arditti Quartett und RSO Wien am 5. November beim Festival Wien Modern uraufgeführt. Enno Poppes neues Werk für vier Streichquartette beziehungsweise 4x4x4 Seiten erklingt erstmals am 11. November bei der musica viva im Münchner Gasteig, zusammen mit der Premiere von Wolfgang Heinigers „Schwingkreis“ für kleine Trommel und zwei selbstspielende Trommeln.

Kaum weniger traditionsbelastet ist die an das romantische Klavierlied erinnernde Kombination von Singstimme und Klavier. Bei den Kasseler Musiktagen sind am 7. November unter dem Titel „Septemberalbum“ erstmals Philipp Maintz’ „Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Ron Winkler“ zu hören. Neben Helmut Lachenmanns 2008 revidiertem „GOT LOST“ für Sopran und Klavier bietet das Luxemburger Festival „rainy days“ die Uraufführungen von Georg Friedrich Haas’ „… wie stille brannte das Licht“ für Sopran und Klavier sowie Mark Andres Klavierstück „iv 1“. Am 30. November hat schließlich SHIHs Symphonischer Gesang „Wanderschaft“ für Sopran und Orchester im Wiener RadioKulturhaus Premiere.

Weitere Uraufführungen:
9. und 30.11.: Alois Bröder, Signale 5 und 6, 7 und 8 für Orchester, Teo Otto Theater Remscheid
12.–14.11.: Orm Finnendahl, Brigitta Muntendorf, Birke Bertelsmeier, Frank Zabel, Thomas Bruttger, neue Werke, Ensembl[:E:]uropa, WDR Köln
13.11.: Johannes Kalitzke, Monumente im Halbdunkel für Orchester, Theaterhaus Stuttgart
14.11.: Noriko Kawakami, neues Ensemblewerk, Frau Musica (nova), Deutschlandfunk Köln
20.11.: Peter Michael Hamel, Ulisono für 14 Solostreicher (2010) in memoriam Ulrich Stranz, München, Großer Saal der Musikhochschule
21.11.: Manfred Trojahn, Sinfonischer Satz, Hannover
24.11.: Bernd Franke, Cut X für Violoncello, musica nova Gewandhaus Leipzig

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