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Urheberrechtsnovelle: ein Korb ohne Geschenke

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Symposium in Berlin über die Leiden junger Komponisten und Musiker
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Der junge Werther litt, machte sich auf und davon und kam dabei vom Regen in die Traufe. Sein Beispiel zeigt: Weglaufen und den Kopf in den Sand stecken ist meistens keine Lösung. Auch nicht für junge Komponisten und Musiker. Sinnvoller ist es, sich mit den jeweiligen Leiden auseinanderzusetzen, um möglichst in der Lage zu sein, sie anschließend, wenn schon nicht zu heilen, so doch wenigstens so gut wie möglich zu lindern.

Genau dies hatte Artur-Axel Wandtke im Sinn, als er ein Symposium mit dem Titel „Die Leiden der jungen Komponisten und Musiker – Irrwege des Uhreberrechts?“ veranstaltete. Der Inhaber des Lehrstuhls für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht an der Berliner Humboldt-Universität hatte Juristen, Politiker und Kreative zum Austausch über aktuelle Fragen der Urhebervergütung und des Urheberrechts eingeladen. „Da die Musikkultur im Allgemeinen und die Rechte der Komponisten und Musiker im Besonderen mehr denn je im Mittelpunkt eines global agierenden Marktes stehen, ist die rechtspolitische Wirkungsrichtung des Urheberrechts immer wieder neu zu hinterfragen“, erklärte Wandtke zur Begrüßung. Dass die Diskussion von den anwesenden Juristen dominiert wurde, darf nicht verwundern. Zu kompliziert ist die Materie, als dass sich das Gros der Musiker tatsächlich mit den Paragrafen, Fachbegriffen und Regelungen auskennen könnte.

Anders Jörg Evers, Präsident des Deutschen Komponistenverbandes, der sich mit den aktuellen Gesetzgebungsverfahren in Deutschland wie Europa bis in die Details befasst hat. Seine Bedenken brachte er im Einführungsvortrag zum Ausdruck: „Der Komponist zwischen den Mühlsteinen der Entwicklung im nationalen und europäischen Urheberrecht“.

Worum geht es in der aktuellen Diskussion? Veränderungen zeichnen sich in der deutschen Gesetzgebung ebenso ab wie im europäischen Regelwerk. Gefahren für deutsche Urheber lauern im so genannten „Korb 2“, der vom Bundesjustizministerium vorgelegten Novelle des Urheberrechts: ein Versuch des Bundesjustizministeriums, so Evers, den bisher praktizierten Urheberschutz in einen Geräteherstellerschutz umzuwandeln. Tatsächlich betreffen die neuen Regelungen vor allem das Verhältnis zwischen den Urhebern auf der einen, den Herstellern von Geräten zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke auf der anderen Seite.

„Ja zur Privatkopie“ – dies ist und bleibt Grundsatz des Urheberrechts. Bezogen auf Musik-CDs heißt dies: Wer eine CD kauft und diese für seinen Freund brennt, damit dieser sie sich zu Hause anhören kann, begeht kein Verbrechen. Erst wenn Kopien in großem Umfang und für kommerzielle Zwecke gebrannt werden, kommen Polizei und Staatsanwaltschaft ins Spiel. Der Urheber der so kopierten Musik allerdings darf unter dem Recht zur Privatkopie nicht leiden. Seine Musik wird in diesem Fall konsumiert, ohne dass er dafür angemessen vergütet wird. Aus diesem Grund sieht das Urheberrecht Pauschalabgaben beim Verkauf von Vervielfältigungsgeräten, also zum Beispiel Kopierern oder CD-Brennern, vor, die den Verwertungsgesellschaften zur Verteilung an die Urheber ausgezahlt werden. Die Regelung der Pauschalabgaben soll nun neu gestaltet werden: Ein „Paradigmenwechsel“ bahnt sich hier an, so Jörg Evers: „Vom Urheberrecht hin zu einem Nutzer- und Verwerterrecht“. Punkt Eins: Die Höhe der Abgaben, die bisher vom Gesetzgeber festgelegt (und seit 1985 nicht mehr erhöht) wurden, sollen künftig zwischen den Beteiligten selbst ausgehandelt werden. Sie sollen darüber hinaus nicht mehr als fünf Prozent des Gerätepreises betragen dürfen. Diese Koppelung der Vergütung an den Gerätepreis ist für Urheber nicht akzeptabel. Das branchenübliche Preis-Dumping zwischen den Geräteherstellern würde sie unverhältnismäßig schädigen. Dieses hat übrigens auch der Bundesrat festgestellt, der in seinem Kommentar im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Regelung von einem „enteignungsgleichen Eingriff“ spricht. Evers zitierte eine Studie der Zentralstelle für Private Überspielrechte (ZPÜ) vom Mai 2006: Bei Verabschiedung der 5-prozentigen Koppelung würde das Vergütungseinkommen der ZPÜ für die Urheber um circa 40 Prozent sinken, im Bereich der CD-Brenner sogar um 75 Prozent. Für viele Urheber würde dies das wirtschaftliche Aus bedeuten.

Punkt Zwei: Ebenso kritisch sieht Evers die so genannte Bagatellklausel, die der Gesetzentwurf vorsieht. Die Abgabepflicht auf Geräte soll dann ganz wegfallen, wenn die Nutzung für Vervielfältigung „unterhalb eines nennenswerten Umfangs von 10 Prozent“ liegt. Der „totale Wegfall der Vergütung kann weder angemessen noch gerecht sein, noch der Sicherung der Urheberansprüche dienen“, so Evers. Wandtke fasste es aus der Sicht des Urheberrechtlers zusammen: „Mit der anstehenden Reform wird ein Weg beschritten, der historisch gesehen einen Systemwechsel des deutschen Urheberrechts bedeutet und nicht die rechtliche Stellung der Kreativen stärkt. Der Gesetzentwurf enthält einen Korb für die Komponisten und Musiker ohne Geschenke.“ Das wollte Irene Pakuscher, Ministerialrätin des Justizministeriums, nicht auf sich sitzen lassen. Ein intensiver Blick in den „Korb 2“ offenbare durchaus Geschenke auch für die Kreativen. Was sie allerdings auspackte, waren weniger Geschenke als selbstverständliche Bestandteile einer Urheberrechtsregelung, für die dankbar zu sein den Urhebern wohl kaum einfallen wird. Dass der Anspruch auf angemessene Vergütung auch weiterhin im Gesetz verankert sein wird, bedarf keiner Schenkerlaune des Gesetzgebers, sondern sollte selbstverständliche Ausgangsbasis jeder Diskussion sein. Das Gleiche gilt für die Beibehaltung der Privatkopie, die so lange Bestand haben muss, wie niemand in der Lage ist, einen funktionierenden Kopierschutz für CDs und andere Trägermedien zu etablieren. Von den Qualitäten des „Korb 2“ hatte die Ministerialrätin am Ende ihres Vortrags wohl kaum einen der anwesenden Juristen oder Urheber überzeugt.

„Wer verdient eigentlich an den Handyklingeltönen?“, lautete die Frage, mit der sich Rechtsanwalt Martin Schaefer in seinem Vortrag beschäftigte. Ein Milliardengeschäft wie das der Ruftonmelodien ruft automatisch viele offene Hände auf den Plan. Die rechtliche Frage heißt: Hat der Urheber, der die Rechte für seine Werke zur Nutzung als Ruftonmelodie an die GEMA abgetreten hat, weitere Ansprüche an die Nutzer im Rahmen seines Urheberpersönlichkeitsrechts? Bedeutet die Tatsache, dass die Melodien verändert oder bearbeitet werden, dass der Komponist über die GEMA-Vergütung hinaus an den Klingeltönen verdienen darf? Eine juristisch so verzwickte Frage konnten auch die Teilnehmer des Symposiums nicht einhellig beantworten. Stefan Müller von der GEMA konnte jedenfalls berichten, dass von dem, was an Klingeltönen insgesamt verdient wird, nur ein sehr geringer Anteil an seine Gesellschaft zur Ausschüttung an die Urheber fließt. Er zeigte Verständnis für die Forderung der Komponisten, weitere Ansprüche geltend machen zu dürfen. Anschließend führte Stefan Müller die Anwesenden in die Geheimnisse des GEMA-Verteilungsplans ein. Und zeigte: So geheimnisvoll ist das System eigentlich nicht. Die vier Leitprinzipien: Leistungsprinzip, Kulturelle Förderung, Soziale Förderung und das Prinzip der kollektiven Rechtewahrnehmung, also der Solidarität derer, die viel fürs Inkasso tun, mit denjenigen, an denen die GEMA sehr viel weniger verdient, bestimmt die Aufteilung der Einnahmen, die wiederum in den Bereichen Aufführungs- und Senderecht, Vervielfältigungen und Online-Lizenzierung vergeben werden.

Im Verlauf eines Symposium-Tages lässt sich die Urheberrechtsgesetzgebung nicht revolutionieren. Knackpunkte aufzudecken und zu benennen, sie im Kreis von Experten zu diskutieren sowie kreative Musiker und Juristen ins Gespräch zu bringen, um die Leidensdiagnostik und deren Heilprozess voranzubringen: Das hat der Tag in der Humboldt-Universität auf jeden Fall erreicht.

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